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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Pfannenstiel vor MLS-Start "Schweinsteiger war nicht der Messias, den sich alle erhofft hatten"
In der Nacht zu Samstag startet die MLS – eine Liga, die in Europa zu Unrecht unterschätzt wird. Das meint zumindest Ex-Bundesliga-Manager Lutz Pfannenstiel. Hier beantwortet er die wichtigsten Fragen zum Saisonstart – und berichtet von fragwürdigen Superstar-Transfers, Motorsägen-Torjubel und einem klammen RB-Klub.
Am Samstag um 2 Uhr deutscher Zeit startet die Major League Soccer in die neue Saison. In Deutschland kennen viele Fans die Spielklasse vor allem aufgrund einer denkwürdigen Pressekonferenz von Lothar Matthäus bei seiner Vorstellung als Spieler der New York Metro Stars vor gut 20 Jahren. Seitdem hat sich die Liga deutlich verändert. Der ehemalige Bundesliga-Manager und US-Experte Lutz Pfannenstiel beantwortet die sieben wichtigsten MLS-Fragen.
Warum sollte man sich die MLS überhaupt anschauen?
Weil sie auf dem besten Weg ist, eine der besten Ligen außerhalb Europas zu werden. Egal ob bei Zuschauerzahlen, finanziellen Möglichkeiten oder der spielerischen Qualität – sie wächst und wächst. Natürlich fehlt zu den fünf großen Ligen in Europa taktisch und spielerisch noch ein Stückchen, aber bereits jetzt ist die MLS mindestens auf dem gleichen Niveau wie die nationalen Ligen der Fußballgroßmächte Brasilien und Argentinien. Das Niveau ist vergleichbar mit dem deutscher Zweitligamannschaften, von denen einige gegen die schwächeren Bundesligisten mithalten können.
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Außerdem gibt es sehr interessante Fans – beispielsweise in Portland. Die Timbers erinnern ein wenig an Schalke, da ist auf den Rängen immer was los. Besonders ist auch das Maskottchen: ein Holzfäller. Für ihn wurde ein riesiger Baum aufgestellt. Da klettert er vor dem Spiel ab und zu mal hoch – und zwar bis zu 30 Meter. Und nach jedem Tor schneidet er – unter dem Jubel der Fans – mit der Motorsäge eine Scheibe von einem dicken Baumstamm.
Was ist der größte Unterschied zu Europa?
Ganz vorne weg das "Franchise System" wie auch in der NBA oder NFL. Es gibt keine Auf- und Absteiger und die Teams gehören Einzeleigentümern oder -gruppen. In dieser Saison gehen 27 Mannschaften an den Start. Sie sind aufgeteilt in eine Ost- und eine West-Gruppe, den sogenannten "Conferences". Die jeweils besten Teams spielen in den Play-offs den Meister aus.
Wer ist der FC Bayern der MLS?
Das ist sehr schwer vergleichbar. Als FC Bayern würde ich Toronto FC und Atlanta United bezeichnen. Das sind zwei Teams, die große Budgets haben – und auch schon die Meisterschaft gewonnen haben. Dazu kommt LA Galaxy, das durch die Verpflichtungen von David Beckham und Zlatan Ibrahimović bekannt geworden ist. Als Titelfavoriten sehe ich allerdings Vorjahresfinalist Seattle Sounders, Los Angeles FC und Philadelphia Union. Mit den New York Red Bulls ist übrigens auch ein Klub aus dem Red-Bull-Universum dabei. Mit RB Leipzig kann man das aber überhaupt nicht vergleichen. Die Bullen haben mit das kleinste Budget und versuchen vornehmlich, junge Spieler zu entwickeln.
Welches Team ist fußballerisch besonders interessant?
Philadelphia Union mit Sportchef Ernst Tanner. Philly war für mich in der letzten Saison die beste Mannschaft der regulären Saison, ist aber dann in den Play-offs gegen einen Gegner ausgeschieden, den sie in der regulären Saison mehrmals an die Wand gespielt haben. Da war sehr viel Pech dabei. Sie haben eine klare Spielidee, setzen auf junge Spieler und haben mit Brenden Aaronson zuletzt ein Toptalent zu RB Salzburg verkauft. Die Kompetenz, die Ernst Tanner zum Beispiel als Entdecker der Bender-Zwillinge oder von Kevin Volland bei 1860 und danach als Sportdirektor bei Hoffenheim und Jugendchef bei RB Salzburg bewiesen hat, bringt er jetzt dort ein.
Wie wirkt sich die Corona-Pandemie auf die MLS aus?
Die Saison fängt nicht wie geplant Anfang März, sondern erst dieses Wochenende an – aber das ist kein Problem. Die Impfungen laufen hier etwas schneller als in Deutschland. Das hat positive Auswirklungen auf den Profisport – sowohl für Spieler wie auch Zuschauer. Die andauernden Tests und die Hygieneregeln sind für die Teams trotz der Impfungen weiter präsent und das wird sich so schnell nicht ändern. Dennoch wird Schritt für Schritt geöffnet. Es gibt Staaten, in denen es keine Maskenpflicht mehr gibt und welche, die eine gewisse Zuschauerzahl bei Sportveranstaltungen erlauben – z. B. im Baseball und Eishockey. Aber das ist weit weg von der maximalen Stadionkapazität, liegt durchschnittlich bei vielleicht 25 Prozent.
Wer ist der Star der Liga?
Von der Bekanntheit her natürlich Gonzalo Higuaín von Inter Miami. Dazu kommt sein Teamkollege Blaise Matuidi. Das sind die klangvollsten Namen. Die Zeit von schillernden Altstars wie David Beckham oder Kaka ist allerdings vorbei – also abgesehen davon, dass Beckham jetzt Miteigentümer von Miami ist. Sicher wird hin und wieder der ein oder andere große Name aus Europa geholt werden, aber generell hat sich die Liga von dieser Strategie der Altstars verabschiedet. Denn das ist der falsche Weg – weil diese meistens nur kurz bleiben und nicht den größten Impact haben. Bastian Schweinsteiger hat zum Bespiel in Chicago eine wichtige Rolle gespielt, aber er war nicht der Messias, den sich alle erhofft hatten. Mittlerweile werden eher Spieler mit mittlerer Bekanntheit geholt. So wie Carlos Vela, der von Real Sociedad zum LAFC kam. Er ist knapp vor seinem Teamkollegen Diego Rossi für mich der beste Spieler der Liga.
Was ist mit den deutschen Spielern bzw. Ex-Bundesligaspielern?
Da gab es zuletzt einige interessante Transfers – allen voran Bobby Wood, der vom HSV ablösefrei zu Real Salt Lake gewechselt ist. In Hamburg ist es für ihn ja nicht optimal gelaufen. Er ist ein Spieler, der Selbstbewusstsein braucht und sich wohl fühlen muss – und Salt Lake City ist dafür ein guter Platz, weil das keiner der ganz großen Klubs ist. Alfredo Morales ist von meinem Ex-Klub Düsseldorf zum New York City FC gekommen. Es war immer sein Wunsch, in Amerika zu spielen. Und mit diesem Wechsel hat er alles richtig gemacht. Da kann man ihn nur beglückwünschen. Es ist für ihn der richtige Schritt – und er kommt langfristig zu einem sehr gut geführten Verein. Er kann der MLS seinen Stempel aufdrücken, wird als defensiver Mittelfeldspieler allerdings nicht der große Star werden – eher ein MVP, jemand, der wahnsinnig wichtig ist für sein Team und seine Mitspieler besser macht.
Dazu gibt es noch Julian Gressel bei DC United, der bereits mit Atlanta Meister geworden ist und sich hier einen sehr guten Namen gemacht hat. Er ist ein guter MLS-Spieler, der die Mentalität und den Fußball hier aus dem Effeff kennt. Auch Hany Mukhtar, der von Hertha über Bröndby bei Nashville gelandet ist, ist dort Leistungsträger und wird auch diese Saison eine tragende Rolle spielen.
Außerdem spannend: Schweinsteigers Ex-Klub Chicago. Da ist der ehemalige Werder- und HSV-Profi Raphael Wicky Trainer und sein schweizerischer Landsmann Georg Heitz ist Manager. Heitz gilt als Vater der jüngsten Erfolge des FC Basel und hat Fire auf einen sehr guten Weg gebracht.
- Gespräch mit Lutz Pfannenstiel
- YouTube-Kanal der MLS: The Story Behind The Portland Timbers’ Chainsaw Celebration
- Kicker.de: Major League Soccer 2021