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Ex-Düsseldorf-Boss Lutz Pfannenstiel erklärt: So plant man einen Klub am Reißbrett


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Ex-Bundesliga-Manager Pfannenstiel baut neuen Klub
"Das sind fast Dimensionen wie bei Schalke oder Dortmund"

  • T-Online
InterviewVon Alexander Kohne

Aktualisiert am 14.02.2021Lesedauer: 7 Min.
Lutz Pfannenstiel: Ende Mai 2020 verließ der 47-Jährige Fortuna Düsseldorf auf eigenen Wunsch. Seit August desselben Jahres arbeitet er bei St. Louis City SC.Vergrößern des Bildes
Lutz Pfannenstiel: Ende Mai 2020 verließ der 47-Jährige Fortuna Düsseldorf auf eigenen Wunsch. Seit August desselben Jahres arbeitet er bei St. Louis City SC. (Quelle: Krieger/imago-images-bilder)

St. Louis statt Mailand oder Istanbul: Mit seinem Wechsel in die USA sorgte Ex-Bundesliga-Manager Lutz Pfannenstiel für große Verwunderung. Auch, weil es seine neue Mannschaft noch gar nicht gibt. Im Interview erklärt er seine Beweggründe und spricht über Ex-Bundesliga-Stars wie Mario Götze.

Nur wenige Deutsche sind im internationalen Fußball so gut vernetzt wie Lutz Pfannenstiel. Er holte durch seine Kontakte spätere Topstars nach Deutschland und brachte es in Düsseldorf zum Bundesligamanager.

Danach wurde er bei europäischen Spitzenklubs wie Inter Mailand oder dem FC Chelsea gehandelt – und ging völlig überraschend in die USA. Zu St. Louis City SC, einem Team, das es eigentlich noch gar nicht richtig gibt – denn erst in knapp zwei Jahren startet der Klub offiziell in der amerikanischen Major League Soccer.

t-online: Herr Pfannenstiel, wieso sind Sie nach St. Louis gewechselt und nicht zu einem europäischen Topklub – wie Inter Mailand, wo Sie ganz oben auf der Liste gestanden haben sollen?

Lutz Pfannenstiel: Weil ich, wie immer, auf meinen Bauch gehört habe (lacht). Nachdem ich bekannt gegeben habe, dass ich Fortuna Düsseldorf auf eigenen Wunsch verlassen werde, gab es relativ schnell einige gute Optionen…

… und als mögliche neue Arbeitgeber wurden neben Inter auch Besiktas Istanbul, Chelsea und Newcastle kolportiert. War da was dran?

So was kommentiere ich generell nicht. Ich kann nur sagen, dass die Verhandlungen mit einem europäischen Klub schon sehr weit waren. Aber dann kam das Angebot aus St. Louis. Und das Gesamtpaket, etwas von null an auf einem weißen Blatt Papier zu planen und sportlich nach meinen Vorstellungen aufbauen zu können, hat mich einfach überzeugt.

Dennoch standen Sie nach unseren Informationen zuletzt in Kontakt mit dem englischen Klub West Ham United, der Ihnen bereits ein Angebot unterbreitet hatte.

Wie gesagt: Solche Meldungen kommentiere ich generell nicht. Es gibt natürlich immer mal wieder Anfragen – auch in der jüngeren Vergangenheit. Aber noch mal: Das Projekt hier hat mich einfach überzeugt. Dafür bin ich mit meiner Familie von Deutschland fast 7.000 Kilometer nach St. Louis gezogen und habe hier einen langfristigen Vertrag über fünf Jahre unterschrieben. Das war keine finanzielle Entscheidung, sondern es ging um das Gesamtpaket – darum, wie man den Fußball hier sieht, was man aufbauen kann und was langfristig möglich ist. Ich habe zum Beispiel das Trainingszentrum geplant, das – wie übrigens auch das Stadion direkt gegenüber – gerade gebaut wird. Da gibt es so viele gute Sachen und Gestaltungsmöglichkeiten, dass mir schnell klar war: Genau das möchte ich machen!

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Damit geht einher, dass Sie bei einem Team arbeiten, das es eigentlich noch gar nicht gibt. Wie plant man einen Klub am Reißbrett?

Erst mal ist das natürlich extrem viel Arbeit. Und ich bin froh, dass mich Bernhard Peters unterstützt. Bernhard ist einfach eine Koryphäe, wenn es um Nachwuchs- und Strukturaufbau geht. Und genau das ist jetzt bei uns wichtig: Wir müssen erst mal einen Stein auf den anderen legen und ein sauberes Fundament bauen.

Für unsere Eigentümer ist besonders wichtig, dass wir uns in der "Community", also bei den Leuten in der Stadt und im Umland, engagieren. Dazu wollen wir uns im "Grassroots"-Bereich, besonders in den kleinen Vereinen und den Schulen, einbringen. Als zweite Säule kommt die Jugendakademie dazu, die gerade gebaut wird. Und da ist das Ziel klar: Wir wollen nicht nur eine gute, sondern die beste Akademie in ganz Nordamerika aufbauen.

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St. Louis gilt eher als Eishockey- und Baseball-Stadt. Spielt Fußball da überhaupt eine Rolle?

Absolut. Natürlich sind die Blues (Stanley-Cup-Gewinner von 2019, Anm. d. Red.) und die Cardinals total präsent. Aber Fußball war hier schon immer ein großes Ding. Deshalb heißen wir auch "SC", also "Soccer Club", was teilweise in "Soccer Capital" umgedeutet wird. Besonders im Universitäts- und Amateurbereich ist St. Louis schon immer ein Fußball-Hotspot gewesen, an dem auch immer Titel gewonnen wurden. Dementsprechend ist die Euphorie um den Klub riesig. Das hat man spätestens gesehen, als unsere ersten 30.000 Dauerkarten innerhalb von 15 Minuten vergriffen waren. Am ersten Tag gab es über 50.000 Anfragen.

Aber das neue Stadion wird doch nur knapp 25.000 Zuschauern Platz bieten.

Genau. Das sind – mehr oder weniger – schon jetzt verkaufte Karten, bei denen dann ausgelost wird, wer im ersten und zweiten Jahr die Tickets bekommt. Das sind schon fast Dimensionen wie bei Schalke oder Dortmund (lacht). Im Grunde sind unsere Heimspiele in den ersten zwei Jahren bereits jetzt schon alle ausverkauft – und im dritten Jahr wahrscheinlich auch.

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Nutzen Sie diesen Umstand, um Superstars im Herbst der Karriere einen Wechsel nach St. Louis schmackhaft zu machen?

Die Leute wollen Spieler zum Anfassen. Du brauchst hier nicht die großen Superstars, um das Stadion vollzubekommen. Hier stehen die Mannschaft und die Begeisterungsfähigkeit viel weiter oben als ein abgehalfterter Superstar. Ein guter Freund, den man aus der Premier League kennt, hat mir vor Weihnachten erzählt, dass er wegen dem Lifestyle zum Karriereende rüberkommen und noch ein Jahr hier spielen möchte. Da habe ich ihm gesagt: "Entweder Du kommst hierher, um zu gewinnen und zu arbeiten, oder Du kommst hierher für den Lifestyle – dann fährst Du auf der Harley Davidson die Route 66 entlang, aber spielst hier keinen Fußball."

Lassen sich überhaupt schon Spieler für 2023 verpflichten?

Nein, aber das wollen wir auch gar nicht. Natürlich halte ich immer Kontakt zu Bundesliga, La Liga und Serie A, aber ich brauche mich jetzt noch nicht auf irgendwelche Spieler festlegen – allein, weil durch Verletzungen so viel passieren kann. Klar ist aber, dass unsere Philosophie nicht dahin geht, auf Teufel komm raus irgendwelche großen Namen zu holen. Wir wollen hungrige Spieler haben, die in das Umfeld hier passen und keine, die sagen: "Ich hole mir vor dem Karriereende noch ein paar Dollar ab und komme wegen dem Lifestyle."

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Sie haben gesagt, dass Mario Götze ein "Thema sein könnte, wenn das Ziel MLS erreicht ist."

Das wurde arg aus dem Zusammenhang gerissen. Ich wurde angerufen und mir wurde gesagt, dass Mario Götze einen Verein sucht. Daraufhin habe ich gesagt: "Ein Spieler dieser Klasse wird bestimmt schnell einen finden." Das genau war meine Aussage. Danach wurde ich zwei Minuten gefragt, ob Spieler aus der Bundesliga bei uns generell irgendwann ein Thema sind. Und das habe ich bejaht. Wenn man dann zusammenfasst, dass Götze "ein Thema" bei uns ist, ist das schon von sehr viel Fantasie geprägt.

An einer möglichen Götze-Verpflichtung ist also nichts dran?

Nein, da ist gar nichts dran.

Ein anderer Spieler, der sich im Zusammenhang mit St. Louis geradezu aufdrängt, ist Vedad Ibisevic. Der hat in St. Louis selbst schon gespielt und Verbindungen dorthin.

Das stimmt. Sein Vater und seine Schwester sind hier und die habe ich auch schon getroffen. Und einige Leute aus seinem Umfeld sind auch im Verein. Von daher ist das schon eine andere Ausgangsposition. Aber bei ihm muss man erstmal abwarten, was die nächsten ein, zwei Jahre passiert.


Mittlerweile sind Sie ein gutes halbes Jahr bei Ihrem Klub. Was haben Sie genau gemacht?

Wir sind gerade im Prozess, unsere ersten Jugendmannschaften auf den Platz zu bringen. Der Aufbau eines guten Scoutingsystems liegt mir besonders am Herzen, da ich viele Jahre selbst in diesem Bereich aktiv war. Wie schon angesprochen, sind wir mitten im Aufbau der Infrastruktur. Nun geht es darum, unsere Community- und Akademiekonzepte umzusetzen und ab Januar 2022 auf die Zusammenstellung des Profikaders hinzuarbeiten.

Und wie haben Sie die Corona-Pandemie bisher erlebt?

Die Gesamtsituation in Amerika war nicht einfach – gerade in großen Städten wie New York oder L.A. Bei uns in Missouri ist es im Vergleich dazu viel weniger. Aber auch in St. Louis sind die Leute sehr darauf bedacht, Maske zu tragen und Abstand zu halten. Wenn man aufs Land fährt, sieht das schon etwas anders aus. Das wird dort alles oft nicht so ernst genommen – was natürlich nicht gut ist. Davon abgesehen habe ich das Gefühl, dass die Amerikaner generell etwas unaufgeregter mit der Pandemie umgehen als die Deutschen. Das ist nicht per se gut, hat im Umgang mit der Pandemie aber sicher über einige Probleme hinweggeholfen.

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Für mich persönlich hat Corona die Aufbauarbeit natürlich nicht gerade erleichtert. Ich bin viel in der Region unterwegs und habe mir anfangs jeden Tag bis zu sechs Stunden Trainingseinheiten und Spiele von High Schools und Universitäten angeschaut, um mit den Leuten vor Ort zu sprechen und ihnen unsere Philosophie zu vermitteln.

Und die wäre?

Wir sprechen hier immer von einem "Holistic approach", einem ganzheitlichen Ansatz. Mit unserer Nachwuchsförderung wollen wir nicht nur bessere Spieler entwickeln, sondern auch bessere Menschen. Gute Charaktere und Führungskräfte. Das spielt für die Eigentümer, die ja auch hier aus der Region kommen, eine große Rolle.

Das hört sich sehr hochtrabend an.

Vermeintlich ja, aber das sind wirklich nicht irgendwelche Floskeln. Fußball ist hier größtenteils ein Sport, der von sozial etwas Bessergestellten betrieben wird, weil er vergleichsweise teuer ist. Viele Kinder aus Minderheiten können sich das gar nicht leisten, weil die Familien nicht Tausende Dollar dafür zahlen können, dass Ihr Kind in einer guten Nachwuchsakademie Fußball spielt. Wir wollen die ersten in der Stadt sein, die das komplett umsonst anbieten. Egal welcher Herkunft oder Nationalität: Jeder ist bei uns willkommen und kann – wenn er gut genug ist – Profi werden. Es geht zudem darum, jungen Spielern vom ersten Tag an einen kompletten Karriereplan aufzuzeigen. Wichtig sind dafür zwei Wörter: "Diversity" und "Inclusion", also Vielfalt und Einbindung. Das wollen wir hier im großen Stil machen. So was funktioniert aber nicht in sechs Monaten, sondern das ist ein Prozess, der langfristig angelegt ist.

In unserer Nachwuchsakademie wird es nur vier Mannschaften geben: Die U14 bis 17 und dazu eine "Development Squad" (U18-21, Anm. d. Red.). In den Altersklassen darunter lassen wird die Kinder in ihrem Umfeld und arbeiten in den verschiedenen Regionen im Stützpunktsystem. Die Jungs sollen auch weiter in ihren Schulmannschaften spielen, wo der Spaß im Vordergrund steht.

Aber irgendwann wollen die Besitzer aus der Eigentümerfamilie der bekannten Autovermietung "Enterprise" das eingesetzte Geld ja sicher zurückhaben, oder?

Natürlich wollen wir Spiele und irgendwann Titel gewinnen und auch Spieler nach Europa verkaufen, sodass der Verein sich selbst trägt. Aber das wird viele Jahre dauern. Und dazu muss eben erst mal investiert werden. Und vielleicht noch mal zur Erklärung: Hier entsteht echt ein komplett neuer Verein, der komplett in der Hand der Besitzer ist. Das ist ein ganz anderer Ansatz als in der Bundesliga und mag sich für deutsche Ohren sicher etwas komisch anhören.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Lutz Pfannenstiel
  • Twitter-Accounts von St. Louis City SC und Lutz Pfannenstiel
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