Fußball-Ikone "Adios el 10!": Sportwelt ehrt noch einmal Diego Maradona
Frankfurt/Main (dpa) - Den harten Kerlen von Argentiniens Rugby-Nationalmannschaft standen die Tränen in den Augen.
Zu Ehren des gestorbenen Diego Maradona legte Sam Cane, Kapitän von Neuseelands berühmten "All Blacks", vor dem traditionellen Haka-Tanz ein schwarzes Trikot mit der Nummer 10 in die Platzhälfte des Gegners. Ob in Newcastle/Australien, in Paris, Mailand oder Sandhausen: Die Sportwelt erinnerte am Wochenende mit Schweigeminuten, Trauerflor und berührenden Gesten noch einmal an einen ihrer größten Fußballer.
In vielen Stadien überall auf der Welt, auch in der 1. und 2. Bundesliga, wurde Maradona mit Trauerflor und Gedenkminuten geehrt, war sein Bild auf der Anzeigetafel zu sehen. Der Weltmeister von 1986 hatte am Donnerstag seine letzte Ruhe auf dem Privatfriedhof Jardín de Bella Vista in einem Vorort von Buenos Aires gefunden.
Superstar Lionel Messi und der FC Barcelona gedachten Maradona mit emotionalen Gesten. Nach seinem Treffer zum 4:0 (2:0)-Endstand im Spiel gegen CA Osasuna zog der mehrmalige Weltfußballer sein Barcelona-Trikot aus und zeigte sich im schwarz-roten Trikot mit der Nummer 10 des argentischen Clubs Newell's Old Boys. Anschließend schickte er Kusshände in Richtung Himmel, schaute nach oben und bekreuzigte sich. Messi und Landsmann Maradona hatten - zu unterschiedlichen Zeiten - für den Verein gespielt.
Vor Spielbeginn hatten sich alle Spieler zu einer Gedenkminute um den Mittelkreis versammelt, in dessen Zentrum eine weiße Nummer 10 auf einem Viereck in den Farben des FC Barcelona platziert war. Auf der Tribüne war ein eingerahmtes Trikot des Clubs mit der Nummer 10 und der Original-Unterschrift Maradonas aufgestellt, das sonst im vereinseigenen Museum im Camp Nou ausgestellt ist. Maradona hatte von 1982 bis 1984 für den FC Barcelona gespielt.
Mit Hochachtung und dennoch kritisch sprach Franz Beckenbauer, der als deutscher Teamchef Maradonas Argentinier in den WM-Finals 1986 und 1990 gegenüberstand, über ihn. "Er war immer nett, immer freundlich, wenn wir uns sahen. Ich mochte ihn. Er war ein Genie, das sein Leben in den letzten Jahren offensichtlich nicht mehr im Griff hatte", sagte der 75-Jährige im "Bild"-Interview.
"Sie haben das ganze Leben lang an ihm herumgezerrt. Das können wir uns in Deutschland gar nicht vorstellen. Was sie mit ihm gemacht haben, war mehr als Begeisterung, das war schon Hysterie. In Argentinien genauso wie in Neapel", erklärte Beckenbauer.
Für den früheren Nationalstürmer Rudi Völler war Maradona "ein Superstar zum Anfassen". Er sei der etwas andere Volksheld gewesen, aber ein Volksheld, sagte der Sport-Geschäftsführer des Bundesligisten Bayer Leverkusen bei Sky. "Das sieht man ja auch in diesen Tagen, was in Italien, vor allem in Neapel, und Argentinien passiert ist, dass er ein Superstar zum Anfassen war, bei all seinen Fehlern, die er gehabt hat. Er war immer volksnah. Er war ein wunderbarer Kicker, ein Künstler", sagte Völler.
In der italienischen Serie A wurde die Partie Sassuolo Calcio gegen Inter Mailand (0:3) am Samstag in der 10. Minute kurz unterbrochen - im Gedenken an Maradona und seine Trikotnummer. Der argentinische Volksheld war vergangenen Mittwoch im Alter von 60 Jahren in seinem Haus in Tigre nach einem Herzstillstand gestorben.
Beim französischen Meister Paris Saint-Germain (2:2 gegen Girondins Bordeaux) trug der brasilianische Superstar Neymar wie seine Teamkollegen beim Aufwärmen ein T-Shirt zu Ehren Maradonas. "Adios el 10!" und "Descansa en paz!" (Ruhe in Frieden) stand auf dem weißen Dress mit seinem Abbild.
Besonders verbunden mit Maradona fühlt sich Bernd Schuster, der in den 80er Jahren beim FC Barcelona mit ihm zusammenspielte. Gleich im ersten Trainingslager teilten der begnadete Argentinier und der deutsche Spielmacher 1982 ein Zimmer. "Die Gespräche mit ihm waren superinteressant. Wie wir den Fußball gesehen und gedacht haben, wie wir spielen und die Freude am Fußball leben wollen", sagte Schuster der "Süddeutschen Zeitung" (Samstag) in einem Interview.
Schon damals, Maradona war noch nicht Weltmeister, wurde der Jungprofi und Ballzauberer von seinen Mannschaftskollegen verehrt. "Man merkte sofort, dass er genau wusste, wer er war und warum Barça ihn geholt hatte", erzählte Schuster (60). "Er war ja schon als Junge der argentinische Gott. Aber er hat das nicht raushängen lassen. Er hat sich riesig gefreut, bei uns zu sein."
Gesehen haben sich Schuster und Maradona in den letzten Jahren nicht mehr - zum Leidwesen des Deutschen, der ihm gern noch einiges gesagt hätte: "Dass ich, egal was passiert, immer für ihn da wäre, ihn verteidigen würde, gegen alles, was kommt. Und dass er mein Herz gewonnen hat in den zwei Jahren bei Barça."
Unterdessen wurde bekannt, dass in Argentinien gegen Maradonas Leibarzt Leopoldo Luque ermittelt wird. Nach Medienberichten wird er formell der fahrlässigen Tötung beschuldigt. Seine Praxis in der Hauptstadt Buenos Aires und das Wohnhaus in einem Vorort wurden am Sonntagmorgen durchsucht, wie argentinische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Quellen in der Justiz berichteten. Es werde untersucht, ob es bei der Behandlung von Maradona in dessen Haus in einer bewachten Wohngegend nördlich von Buenos Aires in den letzten zwei Wochen seines Lebens Unregelmäßigkeiten gegeben habe.