Europas Transfermarkt Mit Tricks und Stars: Juves nächster Angriff auf den Henkelpott
Der italienische Traditionsverein Juventus Turin will den ganz großen europäischen Coup landen. Dafür tut man im Verein alles – auch wenn die Entscheidungen nicht immer auf den ersten Blick direkt zu verstehen sind.
Alte Obsession, neue Strategie. Dass Juventus Turin schon seit ein paar Jahren den ganz großen Erfolg in der Champions League ins Visier genommen hat, ist kein Geheimnis. Seit der Saison 2010/11 hat der Klub sowohl den Gewinn als auch die Kosten verdoppelt. Für den internationalen Titel reichte es bisher dennoch nicht. Tatsächlich haben die „Bianconeri“ in den letzten fünf Jahren zweimal das Finale erreicht, mussten sich aber 2015 dem FC Barcelona (1:3) und 2017 Real Madrid (1:4) geschlagen geben. Dem Team von Massimiliano Allegri schien noch immer etwas zu fehlen. Ist damit jetzt Schluss?
Präsident Andrea Agnelli hat im vergangenen Sommer reagiert und Weltstar Cristiano Ronaldo für 117 Millionen Euro verpflichtet. Ausdrückliches Ziel des teuersten Transfers aller Zeiten im italienischen Fußball war, die Champions League zu holen. Aber: In der abgelaufenen Spielzeit war bereits Viertelfinale gegen Ajax Amsterdam für Juventus Schluss. Nun wagt man den erneuten Angriff auf den Gewinn des Henkelpotts. Und schaut man sich Juventus Turin etwas genauer an, fällt einem auf, dass viel mehr als nur millionenschweren Toptransfers hinter der sportlichen Offensive des Klubs steckt. Eine Analyse.
Juventus wagt den Großangriff
Seit letzter Saison ist klar, dass Cristiano Ronaldo alleine keine Garantie für den Champions-League-Gewinn ist, viel mehr müsse man die ganze Mannschaft spielerisch verbessern. Dazu wurde mit Maurizio Sarri jener Trainer verpflichtet, der in den letzten Jahren den schönsten Fußball der Serie A spielen ließ – obwohl der schroffe, unrasierte, kompromisslose Trainer kaum zum Juve-Stil passt.
Die Transferkampagne
Matthijs de Ligt, Adrien Rabiot, Aaron Ramsey. Bisher sind in diesem Sommer in Turin nur Top-Spieler angekommen, mit deren Qualität Juve spielerisch Fortschritte machen müsste. Und der Großeinkauf könnte noch weitergehen: Auf dem Zettel des Sportdirektors Fabio Paratici steht noch Federico Chiesa. Mit dem 22-jährigen Fiorentina-Außenstürmer hat sich der Klub schon geeinigt, doch die „Viola“ soll für ihren Golden Boy eine hohe Ablösesumme verlangen. Doch auch ohne Chiesa steht jetzt schon fest: Juventus gibt seit zwei Jahren Vollgas auf dem Transfermarkt.
2018 gab Juve insgesamt 235 Millionen: Neben die 117 für "CR7" bezahlte der Klub jeweils 40 Millionen Euro für den portugiesischen Außenverteidiger João Cancelo und den Ex-Bayern Douglas Costa, 35 Millionen kostete die Rückkehr von Leonardo Bonucci vom AC Milan und 12 Millionen bekam der FC Genua für Torwart Mattia Perin.
Juventus ist der einzige Klub in Italien, der sich solche Ausgaben leisten kann. Der Grund: Der Rekordmeister ist der einzige Verein, der ein eigenes Stadion besitzt und mit einem starken Brand rechnet. Inter Mailand, der AC Mailand und AS Rom sind zwar Traditionsklubs, können aber wirtschaftlich mit dem Rivalen aus Turin nicht konkurrieren. Seit 2014 ist Juves Umsatz um 60% gestiegen, was auch einige großen Investitionen ermöglichten: Ein neues Trainingszentrum (La Continassa) mit seinem eigenen Gesundheitszentrum (J Medical) wurde 2018 eingeweiht, zwei Fanstores wurden neulich im Zentrum von Rom und Mailand eröffnet. Doch bei Juventus geben sie nicht nur viel Geld aus. Sie haben einen Transferplan.
Der Ablösefrei-Spezialist
Juventus muss nur einen der bisher drei Top-Neuankömmlinge bezahlen: Für De Ligt wird Ajax 75 Millionen bekommen, sowohl Rabiot als auch Ramsey wurden dagegen ablösefrei verpflichtet. Paratici, wie auch sein Vorgänger Beppe Marotta (heute bei Inter Mailand), ist ein echter Spezialist für ablösefreie Transfers. Andrea Pirlo 2011, Paul Pogba 2012, Kingsley Coman 2014, Sami Khedira 2015, Dani Alves 2016, Emre Can 2018: Alle kosteten den Klub nicht einen Euro. Mit Pogba und Coman hat Juve insgesamt 130 Millionen verdient, als sie zu Manchester United und dem FC Bayern wechselten.
Die Kehrseite der Medaille sind die hohen Gehälter, die solche Spieler bekommen: Fünf Millionen pro Jahr soll Khedira verdienen, Emre Can sechs, Rabiot sieben und Ramsey fast acht.
Geniale Transfers mit Jungspielern
Der 47-jährige Fabio Paratici kennt sich aber nicht nur mit kostengünstigen Transfers aus. Wenn es um den Verkauf von jungen Spieler geht, am liebsten natürlich aus der eigenen Jugendschmiede, ist er einer der Besten in Europa. Im Sommer 2018 bezahlte Milan 35 Millionen für Mattia Caldara und Uindese Calcio 20 Millionen Rolando Mandragora: Weder der Innenverteidiger noch der Mittelfeldmann hatten je das Juve-Trikot im Profibereich getragen.
Dieses Jahr hat Paratici einen Gewinn in Höhe von 96 Millionen schon erwirtschaftet, indem er Ersatzspieler verkauft hat, allen voran den Torwart Emil Audero. Der 22-Jährige hat ein einziges Spiel absolviert und war bei der U21-EM nur der zweite Keeper der italienischen Auswahl. Trotzdem bezahlte die UC Sampdoria für ihn 20 Millionen.
Neue Ideen
Und das entscheidende Puzzlestück im Angriff auf die europäische Fußballkrone steht bei Juventus nicht auf dem Feld, sondern an der Seitenlinie. Europa-League-Sieger Maurizio Sarri hat in London bewiesen, dass er in der Lage ist, sich auch auf internationalem Niveau durchzusetzen.
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Beim FC Chelsea musste er mit ähnlichen Schwierigkeiten zurechtkommen, wie jetzt in Turin: Er übernimmt eine Mannschaft, die nicht daran gewöhnt ist, flach und schnell zu spielen. Wenn es ihm allerdings gelingt, Top-Stars wie Cristiano Ronaldo, Paulo Dybala und Miralem Pjanic zu überzeugen, sich für das Kollektiv zu opfern, dann hat der Klub schon in der kommenden Spielzeit gute Chancen auf den ganz großen Erfolg.
Dieser Artikel ist Teil unseres Thementages "Europas Transfermarkt", an dem wir über verschiedenste Entwicklungen im europäischen Fußball berichten.
- transfermartk.de: Juventus-Profil
- uefa.com: Prämienbericht
- Berichte auf "Sole24ore"