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Serie A | Alexander Blessin über Zeit beim CFC Genua: "Gab viel Unruhe"


"Er hat sich zu viel rausgenommen"
Deutscher Trainer erklärt Zoff mit Torhüter

InterviewVon Jörn Reher

Aktualisiert am 04.01.2023Lesedauer: 5 Min.
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Alexander Blessin war von Januar bis Dezember 2022 Trainer beim CFC Genua. Zuvor hatte er beim KV Oostende in Belgien gearbeitet (Juli 2020 bis Januar 2022). (Quelle: imago-images-bilder)

Alexander Blessin trainierte ein gutes Jahr den italienischen Traditionsklub CFC Genua – dann trennten sich die Wege im Unfrieden. Nun schildert der deutsche Trainer seine Sicht der Dinge.

Alexander Blessin hat ein turbulentes Jahr 2022 hinter sich. Trotz einer extrem schwierigen Ausgangslage beim CFC Genua gelang dem deutschen Trainer fast noch der Klassenerhalt in der italienischen Serie A. Beim anschließenden Neuaufbau lief es lange gut – bis die Vereinsführung bei der ersten Krise ungeduldig wurde und den 49-Jährigen freistellte.

Im Interview spricht Blessin über seine Freistellung und äußert sich zu einem seiner Ex-Spieler, der gegen ihn nachtrat. Zudem verrät der geborene Stuttgarter, wie und wo er sich seine Zukunft vorstellt.

t-online: Herr Blessin, Sie wurden Anfang Dezember als Trainer in Genua entlassen. Würden Sie rückblickend sagen, dass es eine turbulente Zeit in Genua war?

Alexander Blessin: Die Zeit in Genua war sehr intensiv. Ich muss ehrlich sagen, das war damals eine Nacht-und-Nebel-Aktion, als die Anfrage kam. Da musste man sich schnell entscheiden und die Vereine mussten sich einigen. Und dann bin ich schon aus Oostende von der Nordsee ans Mittelmeer abgedüst.

Wie sind Sie Ihre Aufgabe in Genua angegangen?

Da hat man wenig Zeit gehabt, um sich vorzubereiten. Das erste Spiel war gegen Udine. Ich wusste zu dem Zeitpunkt natürlich, dass man nur 16 Spiele hat, in denen acht Punkte aufgeholt werden müssen. Aber wenn man die Möglichkeit hat, in der Serie A zu trainieren, war das natürlich schon auch höchst interessant. CFC Genua ist der traditionsreichste Klub in Italien. Auf dem Weg, den nächsten Schritt zu machen, habe ich mir das ganz gut vorstellen können.

Wie haben Sie Ihren Start in Genua erlebt?

Wir haben gleich einen Rekord aufgestellt, die ersten sieben Spiele Unentschieden gespielt, das hat in Italien noch keiner geschafft. Es war zwar schön, dass wir jedes Mal gepunktet haben, aber wenn man acht Punkte aufholen muss, ist es schwierig, mit Unentschieden große Sprünge zu machen. Wir haben relativ schnell die Abwehr stabilisiert und in diesen 16 Spielen die drittbeste Abwehr aufgestellt.

Gegen Juve haben Sie ja sogar gewonnen.

Das war natürlich ein Highlight-Spiel. Wir haben 0:1 zurückgelegen, ein fantastisches Spiel gemacht, kurz vor Schluss das 1:1 und in der Nachspielzeit das 2:1 erzielt. Das hat noch mal Kräfte freigesetzt. Letztlich haben drei Punkte gefehlt, um drinzubleiben.

Führten die insgesamt guten Leistungen dazu, dass Sie trotz des Abstiegs als Trainer weitermachen durften?

Wenn man dann absteigt, stellt sich immer die Frage: Was will der Verein? Und wie geht man die neue Saison an? Es war relativ klar, dass wir zusammen weiterarbeiten. Ein Abstieg ist natürlich nie toll. Die Frage ist nur, was man daraus macht. Es ist nicht einfach, sofort wieder aufzusteigen. Dessen waren wir uns bewusst. Es war auch klar: Es wird ein anderer Fußball sein. Ein Teil bleibt, ein Teil kommt dazu. Meine Philosophie, für die ich stehe und mit der ich auch schon in Oostende erfolgreich war, musste ich anpassen. In der Liga gibt es viele tiefstehende Gegner und viele Tore durch Standards. In der Voranalyse haben wir herausgefunden, dass wir einen anderen Kader zusammenstellen müssen und unsere Spieler adaptieren müssen.


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Man stellt mit der Unterschrift die Entlassungspapiere aus.


Alexander Blessin


Dann lief es lange gut. Nach elf Spieltagen standen Sie mit 22 Punkten auf Aufstiegsplatz zwei. Im Anschluss konnten Sie aber nur einen Punkt aus vier Spielen sammeln. Wie haben Sie Ihre Entlassung wahrgenommen?

Nach dem elften Spieltag kamen wir zusammen. Wir wollten uns nicht gegenseitig auf die Schulter klopfen, hatten auf gewissen Positionen Probleme. Mehrere Schlüsselspieler haben sich verletzt, das war schwierig zu kompensieren und brauchte Zeit, um wieder umzustellen. Wir mussten ständig durchwechseln, haben Spiele unglücklich verloren oder unentschieden gespielt. Dann bist du auf einmal in so einem Abwärtsstrudel und es geht darum, die Sinne zu schärfen und wieder am Selbstbewusstsein zu arbeiten. Wenn man weiß, wie kritisch dieses Umfeld ist, gerade in der italienischen Fraktion, ist es natürlich auch ganz schwierig, da weiterzuarbeiten.

Von wem fehlte Ihnen konkret die Unterstützung?

Als wir fünf Spiele nicht gewonnen haben, gab es sehr viel Unruhe. Der Präsident war der Einzige in der Gruppe, der schon in der Serie A kein Fürsprecher für mich war. Er wollte einen italienischen Trainer. Deshalb hat er ständig Druck ausgeübt und sich dazu veranlasst gefühlt, eine Veränderung vorzunehmen. Das Einfachste ist immer, erst einmal den Trainer zu entlassen. Wer sich mit diesem Job einlässt, der muss auch im Kopf haben, dass man mit der Vertragsunterschrift fast auch schon seine Entlassungspapiere ausstellt.

Es hat nach Ihrer Entlassung einigen Trubel gegeben. Dazu unschöne Aussagen des Torhüters Federico Marchetti. Wie beurteilen Sie das im Nachhinein?

Wenn ein Trainer es schafft, 70 bis 80 Prozent der Spieler zu erreichen, dann hat er schon gute Arbeit geleistet. Es gibt immer Spieler, wo es nicht so passt. Das war auch mit Marchetti so. Er war dritter Torwart, und mir hat seine Trainingseinstellung nicht gepasst. Er hat sich zu viel rausgenommen und nicht in den Dienst der Mannschaft gestellt. Ich habe von Mal zu Mal gemerkt, dass dieser Spieler gegen die Spielphilosophie schießt und dagegen aufmuckt. Er hat sie immer ein bisschen belächelt. Catenaccio (defensiv orientiert spielen, Anm. d. Red.) ist schon in der Struktur in Italien sehr verankert. Das heißt, alles, was neu ist, was meine Spielphilosophie betrifft, da gibt es natürlich viele kritische Personen, unter anderem eben auch Marchetti. Ich musste eine Entscheidung treffen. Deshalb wurde er schon letzte Saison in der Serie A freigestellt. Zu diesem Zeitpunkt brauchten wir Spieler, die unser Ziel vor Augen hatten. Er war sehr sauer und hat nachgetreten. Die Frage ist, ob man das machen muss. Ich habe nichts dazu gesagt, weil das nicht meine Art und Weise ist.


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Es gab schon ein, zwei Anfragen.


Alexander Blessin über seine Rückkehr in den Trainerjob


Wie lautet ihr Fazit für das Jahr in Genua?

Im Nachhinein habe ich für das Jahr ein gutes Gefühl. Es gab viele Emotionen, viel Arbeit, viel Intensität, da nimmt man viel mit. Ich habe neue Erfahrungen gesammelt, viel Positives, aber natürlich auch Sachen, aus denen man lernen kann. Ich komme jetzt zur Ruhe, tanke Kräfte und fokussiere mich auf die nächste Aufgabe, die hoffentlich irgendwann kommt.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Ich finde es sehr schwierig im Fußballgeschäft, einen Plan aufzustellen. Für mich war klar, dass ich vor Weihnachten den Akku auflade und mir danach Gedanken mache. Es gab schon ein, zwei lose Anfragen. Da habe ich bewusst erst mal abgeblockt. Da wird man sich nun vielleicht zusammensetzen und dann schaut man einfach, ob es passt.

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Wollen Sie in die Bundesliga – oder sind Sie auch weiterhin für Aufgaben im Ausland offen?

Ich würde mich da nicht festlegen. Ich habe Italienisch gelernt und bleibe da auch weiterhin dran. Das macht Spaß, und es wäre schade, das aufzugeben. Mir hat es auch in Oostende unglaublich viel gebracht, das war einfach gut. Es ist schön, immer den Horizont zu erweitern. Deswegen würde ich nie sagen, ich lege mich da fest oder ich will unbedingt dahin.

Von wo kamen die Anfragen denn?

Kein Kommentar (lacht).

Verwendete Quellen
  • Interview mit Alexander Blessin
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