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Zum journalistischen Leitbild von t-online.57 Torbeteiligungen in zwei Jahren Volland in WM-Form, aber: "Mache mir keine großen Hoffnungen"
Kevin Volland hat mit einer beeindruckenden Leistung in der Europa League auf sich aufmerksam gemacht. Bei t-online spricht der Monaco-Torjäger über eine mögliche Nominierung für die WM in Katar.
Bereits nach fünf Minuten zappelte der Ball im Netz und Kevin Volland drehte zum Jubel ab. Das 1:0 gegen Roter Stern Belgrad war nur der Anfang eines sensationellen Abends für den Allgäuer Angreifer im Dienste des französischen Erstligisten AS Monaco: Drei Treffer steuerte der frühere Hoffenheimer und Leverkusener Bundesliga-Star zum 4:1-Erfolg des Klubs aus dem Fürstentum bei, schoss ihn so beinahe im Alleingang zum Erreichen der K.o.-Runde der Europa League.
Gute 36 Stunden nach diesem "Highlight-Spiel", wie er es selbst bezeichnet, sitzt Kevin Volland gut gelaunt vor der Videokamera im Trainingszentrum der AS Monaco. Mit t-online spricht der 30-Jährige exklusiv über die historische Dimension seines Dreierpacks und wie dieser ihn plötzlich ins Gespräch für einen Platz im deutschen WM-Kader gebracht hat. Schließlich ist Deutschland für das Turnier in Katar nach dem Ausfall von Timo Werner doch noch händeringend auf der Suche nach einem verlässlichen, torgefährlichen Angreifer ...
t-online: Herr Volland, nehmen Sie uns doch etwas mit in dieses Rückspiel gegen Roter Stern – wie kam es zum 4:1?
Kevin Volland (30): Belgrad hat eine gute Mannschaft, die aggressiv gegen den Ball agiert und uns im Hinspiel (1:0. Anm. d. Red.) alles abverlangt hat. Wir wussten aber auch, dass der Druck stärker bei ihnen liegt, weil sie unbedingt einen Sieg zum Weiterkommen brauchten, während uns unter bestimmten Umständen auch ein Unentschieden gereicht hätte. Und das hat sich auch bewahrheitet. Belgrad musste in die Offensive gehen, musste sich hinten öffnen und hat uns so viel Raum zur Entfaltung geboten. Wir haben das sehr konzentriert und strukturiert für uns genutzt und Roter Stern so kaum ins Spiel gelassen.
Seit dem legendären 8:3 gegen Deportivo La Coruna in der Champions-League-Saison 2003/2004 hat kein Monaco-Spieler mehr so viele Tore in einem einzelnen Spiel geschossen (damals traf Dado Prso vierfach, Anm. d. Red.). Werden Sie sich langsam dieser historischen Dimension bewusst?
So wichtig war der Dreierpack jetzt auch nicht (schmunzelt). Klar wurde ich bereits darauf angesprochen und auch der Vergleich zu Prso wurde gezogen, aber für mich ist viel wichtiger, dass wir den Sprung in die K.o.-Phase der Europa League geschafft haben. Ich hoffe, dass wir jetzt einen echten Highlight-Gegner zugelost bekommen und unsere Fans zwei unvergessliche Spiele im Sechzehntelfinale erleben. Denn seien wir ehrlich: Fußball ist Tagesgeschäft. Wenn ich das nächste Mal auf der Bank sitze, juckt der Dreierpack gegen Roter Stern keinen mehr.
2021 scheiterte Monaco im Europa-League-Achtelfinale am SC Braga. Was ist dieses Jahr anders?
Vergangene Saison kam vieles zusammen. Um den Jahreswechsel gab es einen Trainerwechsel, der eine Findungsphase mit sich brachte. Diese Verunsicherung nahmen wir auch in den beiden Partien gegen Braga mit auf den Platz. Das Ausscheiden damals sehe ich rückblickend jedoch als Wendepunkt. Danach starteten wir eine beeindruckende Serie in der Liga und schafften es am Ende noch auf Platz drei in der Ligue 1. Seitdem agieren wir deutlich stabiler, lassen uns auch durch einen frühen Rückstand nicht verunsichern, sondern glauben weiter an unsere eigenen Stärken.
Die Anzahl meiner Torbeteiligungen war in den vergangenen Jahren konstant auf einem hohen Level. Rein statistisch dränge ich mich da definitiv für eine Rolle in der Nationalmannschaft auf.
Kevin Volland
Für Sie persönlich begann die Saison schwierig: Zum Auftakt fehlten Sie wegen einer Gelbsperre, danach wurden Sie zweimal nicht berücksichtigt. Ausgerechnet bei Ihrem ersten Saisontor am vierten Spieltag zogen Sie sich eine Sprunggelenksverletzung zu, fielen wochenlang aus. War die Partie gegen Belgrad auch ein Fingerzeig, dass Sie wieder bei 100 Prozent sind?
Ich bin vor allem froh, dass ich wieder schmerzfrei bin. Denn zwar hat mich die Verletzung nur drei, vier Wochen aus der Mannschaft gerissen, aber die Nachwehen habe ich noch länger gespürt. Mit nun auch schon 30 Jahren benötigt mein Körper einfach ein, zwei Wochen mehr Regeneration als noch mit 22. Ein Vorteil des Alters ist derweil, dass ich viel mehr Ruhe in solchen Situationen bewahre. Ich habe diese Erfahrungen schon gesammelt, ich weiß, was ich draufhabe, wie ich der Mannschaft nach meiner Rückkehr helfen kann und, dass ich mich im Training aufdrängen werde.
Ihre Leistungsexplosion gegen Belgrad kommt zu einem interessanten Zeitpunkt. Am Donnerstag gibt Bundestrainer Hansi Flick seinen 26-Mann-Kader für die WM in Katar bekannt. Besonders nach der Verletzung Timo Werners wird die Besetzung des DFB-Sturms hitzig diskutiert. "Bild" und "Sport1" berichten jedoch, dass Sie gar nicht erst auf der 55er-Liste potenzieller WM-Fahrer stehen, die Flick vorab der Fifa melden musste...
Das stimmt nicht. Ich stehe im 55er-Kader, das kann ich an dieser Stelle bestätigen. Der WM-Kaderbekanntgabe blicke ich jedoch sehr entspannt entgegen. Ich bin das letzte Mal im November 2021 für Deutschland aufgelaufen, bin seitdem trotz guter Leistungen in Monaco nicht berücksichtigt worden …
Sie gehen also davon aus, dass Sie am Donnerstag nicht auf der Liste des Bundestrainers stehen werden?
Wenn ich nicht mit der Verletzung zu Saisonbeginn zu kämpfen gehabt und stattdessen konstant Topleistungen geliefert hätte, würde es vielleicht noch einmal anders aussehen, aber so kann ich meine Situation doch sehr realistisch einschätzen: Ich mache mir keine große Hoffnungen, bei der WM dabei zu sein.
Es ließe sich aber auch argumentieren, dass es fahrlässig ist, einen Angreifer, der in zwei Jahren 57 direkte Torbeteiligungen gesammelt hat, nicht einmal mit nach Katar zu nehmen.
Die Anzahl meiner Torbeteiligungen war in den vergangenen Jahren konstant auf einem hohen Level. Rein statistisch dränge ich mich da definitiv für eine Rolle in der Nationalmannschaft auf. Andererseits wurde ich selbst in meiner Leverkusener Zeit, in der ich regelmäßig Europapokal gespielt habe, nicht berücksichtigt. Das hat zwangsläufig dazu geführt, dass ich meinen Fokus voll auf den Klubfußball gelegt habe. Dort kann ich mich und meine Leistung in der täglichen Arbeit beeinflussen und beweisen. Alles andere – ob ich eine Option für den Bundestrainer darstelle und mich für eine Rolle im Kader aufdränge – liegt nicht in meiner Hand.
Ich hoffe, dass ich das Finale mit ein paar Kumpels und einem Bier schauen kann.
Kevin Volland
Sollten Sie nicht zur WM fahren, würde auf Sie eine mehrwöchige Wettkampfpause warten. Befürchten Sie, dass so Ihr aktueller Lauf ausgebremst werden könnte?
Ich befinde mich mittlerweile in meiner 13. Profisaison – und wenn ich da etwas gelernt habe, ist es: Wenn dir jemand im November plötzlich ein paar Tage freigibt, solltest du die auch nutzen (schmunzelt). Wenn es also wie erwartet nichts mit der WM wird, werde ich mir meine Familie schnappen und mit ihr einen schönen Urlaub verbringen. Einfach mal die Festplatte löschen, den Kopf frei kriegen. Meine Saison hat ja bereits im August mit der Champions-League-Qualifikation begonnen, nach der WM startet zudem mit dem Coupe de France ein weiterer Wettbewerb. Da kommt eine Verschnaufpause gerade richtig – besonders, wenn man bedenkt, dass wir – im Gegensatz zur Bundesliga – schon am 28. Dezember wieder mit dem Spielbetrieb beginnen.
Zu Ihrer Anfangszeit in Monaco stand der Klub in Deutschland auch wegen des damaligen Trainers Niko Kovac unter erhöhter Beobachtung. Unter seinem Nachfolger Philippe Clement ist das anders. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Die Berichterstattung war zu Beginn schon extrem, was aber auch an dem Umstand lag, dass es für uns beide die erste Saison in Monaco war, zudem später mit Alex Nübel und Ismael Jakobs zwei weitere Spieler aus Deutschland zu uns stießen. Da ist das Interesse natürlich groß, wie wir uns außerhalb der Bundesliga schlagen. Dass dieses Interesse abflacht, je länger man im Ausland ist, ist aus meiner Sicht aber auch normal. Dann benötigt es einfach mal so ein Highlight-Spiel wie gegen Belgrad, um sich in der Heimat in Erinnerung zu rufen (schmunzelt).
In der laufenden Ligue-1-Saison belegt Monaco aktuell Platz sechs, hat nur drei Punkte Rückstand auf einen Champions-League-Rang. Heute geht es gegen Aufsteiger Toulouse (ab 15 Uhr im t-online-Liveticker), der sich jedoch als Tabellenelfter bisher beachtlich schlägt. Was sagt das über den Konkurrenzkampf in der Liga aus?
Die Liga ist sehr schwer zu bespielen als Mannschaft, die aktiv Fußball spielen möchte. Die meisten Gegner treten gegen uns in einer 5-4-1-Formation mit zwei tiefen Ketten an und lauern dann auf Konter über junge, schnelle Umschaltspieler. Damit tun wir uns hin und wieder schwer, besonders, wenn uns im eigenen Ballbesitzspiel die Geduld verlässt und wir den Gegner mit eigenen Fehlern zu eben jenen Umschaltsituationen einladen. Ein ähnliches Spiel erwarte ich auch morgen in Toulouse. Da darf es uns nicht darum gehen, uns mit Ruhm zu bekleckern, sondern einzig, drei Punkte einzufahren.
Im t-online-Interview Anfang 2021 sagten Sie, für Monaco muss das Erreichen des europäischen Wettbewerbs immer das Mindestziel sein. Heißt das eigentliche Ziel also Königsklasse – notfalls als Europa-League-Sieger?
Ich würde sagen, Frankfurt hat uns vorgemacht, wie es geht, oder? (lacht) Spaß beiseite: Wir wollen in der Europa League so weit kommen, wie es geht. Entscheidend für uns ist jedoch die Liga. Die vergangenen zwei Spielzeiten haben wir als Dritter abgeschlossen, da ist es nur natürlich, dass wir dieses Ergebnis wiederholen wollen. Spielen wir eine gute Rückrunde, halte ich die Vizemeisterschaft ebenfalls für möglich.
Zum Abschluss: Am 18. Dezember findet das WM-Finale in Lusail statt. Irgendwelche Termine an diesem Tag?
Da läuft bei uns in Monaco schon die Vorbereitung auf die Rückrunde. (lacht) Aber ich hoffe mal, dass wir da trainingsfrei haben und ich das Spiel mit ein paar Kumpels und einem Bier schauen kann.
Welches Bier wird da in der WM-Arena Volland gereicht?
Oberdorfer Helles, aus meinem Heimatort Marktoberdorf. Superlecker!
- Videogespräch mit Kevin Volland, 05.11.2022