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Jérôme Boateng: Das schwierige Verhältnis zu Bruder Kevin-Prince


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Kevin-Prince und Jérôme
Es krachte schon einmal zwischen den Boateng-Brüdern


Aktualisiert am 13.09.2021Lesedauer: 4 Min.
Jérôme (l.) und Kevin-Prince Boateng: Die Brüder haben ein bewegtes Verhältnis zueinander.Vergrößern des Bildes
Jérôme (l.) und Kevin-Prince Boateng: Die Brüder haben ein bewegtes Verhältnis zueinander. (Quelle: Xinhua/imago-images-bilder)

In einem Interview distanziert sich Kevin-Prince Boateng deutlich von seinem wegen Körperverletzung verurteilten Bruder. Die Aussagen schlagen Wellen. Doch völlig überraschend ist die Eiszeit zwischen den beiden nicht.

Im Berliner Stadtteil Wedding prangt an einer Straßenecke ein überlebensgroßes Bild an einer Hauswand. Darauf zu sehen sind Kevin-Prince und Jérôme Boateng zusammen mit ihrem Bruder George, der es als Rapmusiker zu gewisser Bekanntheit brachte, während seine Brüder durch Fußball weltberühmt wurden. Über den drei Köpfen steht der Schriftzug "Gewachsen auf Beton". Der Slogan bezieht sich auf die Herkunft der Brüder, die viel Zeit auf der Straße verbrachten.

Doch die Einigkeit, die dieses Bild zeigt, gibt es nicht mehr. Kurz nach der Verurteilung von Jérôme Boateng wegen Körperverletzung stellte Kevin-Prince klar, dass das Verhältnis zerrüttet ist: "Ich habe mich schon vor längerer Zeit von Jérôme distanziert. Ich schätze und respektiere das deutsche Gesetz. Ich verachte Gewalt gegen Frauen. Ich identifiziere mich nicht mit den Taten meines Bruders und deswegen habe ich nichts mehr mit ihm zu tun." Diese Aussagen von Kevin-Prince Boateng in der "Bild" hallten nach.

Nach außen hin wirkten die Brüder wie eine Einheit, weil sie als Straßenjungs galten, die nicht der Norm entsprachen. Doch das engste Verhältnis hatten die beiden nie. Immer wieder sickerte in die Öffentlichkeit durch, dass sie sich in einigen Punkten uneinig sind.

Zu Bruder George aufgeschaut

Was einige nicht wissen: Kevin-Prince und Jérôme sind nur Halbbrüder und wuchsen in unterschiedlichen Stadtteilen Berlins auf. Sie haben den gleichen Vater, aber unterschiedliche Mütter. Kevin-Prince wuchs mit Bruder George, seiner Mutter und drei weiteren Geschwistern im Wedding auf. Sein Vater verließ die Familie bereits, als Kevin-Prince noch ein Kleinkind war.

Jérôme hingegen verbrachte seine Kindheit mit Vater, Mutter und Schwester im bürgerlichen Wilmersdorf. Er selbst sagte einst: "Kevin hatte es viel schwerer als ich. Im Wedding aufzuwachsen ist anders als in Wilmersdorf." Das Verhältnis der Halbbrüder war gut, aber nicht so eng wie beispielsweise das von Kevin-Prince zum viereinhalb Jahre älteren George, zu dem er aufschaute.

Auch heute noch ist die Beziehung eng. George begleitete Kevin-Prince beispielsweise bei seiner Vorstellung in Berlin und besuchte ihn beim Hertha-Training. Ein solches Verhältnis gibt es weder zwischen George und Jérôme noch zwischen Jérôme und Kevin-Prince.

Der Fall Ballack

Am 15. Mai 2010 wurde Kevin-Prince Boateng zum Staatsfeind Nummer eins in Deutschland. An diesem Tag foulte er Michael Ballack bei einem Spiel der Premier League so schwer, dass er die WM 2010 in Südafrika verletzt verpassen würde. Die öffentliche Reaktion von Bruder Jérôme? Er gab der "Bild" ein Interview und sagte dort, er habe Kevin-Prince empfohlen, sich zu entschuldigen.

Über seine erste Begegnung nach dem Foul mit Ballack sagte er: "Ich habe mich nicht wohlgefühlt. Aber Michael hat gesagt, dass ich ja nichts dafür kann." Angesichts dessen, dass Kevin-Prince immer wieder in Interviews betont, wie wichtig ihm Loyalität sei, war seine enttäuschte Reaktion wenig überraschend. Sarkastisch schrieb er Jérôme eine SMS mit den Worten: "Tolles Interview, Bruda." In einer weiteren wurde er ernster: "Jeder hat seine eigene Familie – du deine, ich meine."

Dieser Satz verletzte Jérôme, der daraufhin eine klare Entscheidung traf, wie er der "Hamburger Morgenpost" verriet: "Das ging mir zu weit. Deshalb ist es mir jetzt auch egal, was er macht. Es interessiert mich nicht mehr. Ich will keinen Kontakt zu ihm."

Kevin-Prince erklärte seine SMS-Nachrichten im "Spiegel"-Interview einige Jahre später mit den Worten: "Man hätte es auch anders lösen können, aber wir waren jung, und ich war enttäuscht."

Die Reaktion von seinem anderen Bruder George gefiel ihm wahrscheinlich besser. Der rappte auf seinem ersten Album im Song "BOA-Clan": "Und findest du auch Ballack hat es verdient?"

Im Interview mit der "Welt" erklärte der heute 38-Jährige die Liedzeile mit den Worten: "Für mich hat er es verdient. So sehe ich das. Und das werde ich auch mit sechzig noch so sehen. Mein Bruder hat ihn aus dem Spiel heraus getackelt. Zuvor hatte Ballack versucht, ihm eine zu klatschen, eine Ohrfeige zu geben. Darüber hat keiner geredet, nur über das Foul von Kevin. Ballack kann jetzt ruhig wieder sauer sein und auch wieder versuchen, mich anzuzeigen, das ist mir so egal."

Der Vater im Deutschlandtrikot

Bei jener WM 2010 trafen Kevin-Prince und Jérôme aufeinander. Im Gruppenspiel zwischen Ghana und Deutschland standen beide auf dem Platz – als Gegner. Während sich Jérôme für die Nationalelf seines Geburtslandes entschied, wählte Kevin-Prince die Heimat seines Vaters.

Doch sein Vater kam im Deutschland-Outfit zum Spiel. Eine Entscheidung, die den älteren der beiden Brüder schwer verletzte. Er bezeichnete es als "eine verlogene Aktion meines Erzeugers – ein Vollblut-Ghanaer mit einer Deutschland-Jacke". Papa Boateng entschied sich für Jérôme, schon wieder.

Das Verhältnis zwischen Kevin-Prince und seinem Vater war ohnehin belastet, danach bezeichnete es der Fußballer als "zerstört". Inzwischen gab es eine Aussprache, doch auch 2018 resümierte er noch: "Dass etwas zerbrochen ist, ist klar." Warum sich der Vater damals für die Deutschland-Jacke entschied, erfuhr Kevin-Prince nie.

Dem "Spiegel" sagte der heutige Hertha-Spieler: "Ich habe mir selbst eine Erklärung dafür gegeben, und damit ist es erledigt." Welche das sei, wollte er aber nicht verraten.

Der verurteilte Jérôme

Noch vor anderthalb Jahren war das Verhältnis zwischen den Brüdern in Ordnung, frühere Differenzen waren zumindest aus dem Weg geräumt. Kevin-Prince sprach sogar bei Sport1 davon, eines Tages mit Jérôme bei Hertha BSC zusammen spielen zu wollen. "Aber wenn ich bei der Hertha wäre, würde ich meinen Bruder mal anrufen und sagen: Komm, lass noch mal zusammen kicken."

Als er nun im Sommer 2021 tatsächlich zu Hertha wechselte, gab es diesen Anruf nicht. Denn Kontakt existierte zwischen den beiden da schon nicht mehr. Ein Bekannter der Familie sagte nun der "Bild": "Kevin hat schon vor Monaten den Kontakt zu Jérôme abgebrochen, aber bisher geschwiegen. Es ist doch so: Jérôme galt immer als der nette und süße Junge, während Kevin als Bad Boy dargestellt wurde. Dabei ist es genau umgekehrt."

Wer die Brüder aufmerksam in den vielen Jahren ihrer Karrieren verfolgte, wird von diesem Bruch nicht komplett überrascht sein.

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