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Experte zur Tragödie um Familie Ballack: "Jeder hat schon mal daran gedacht"


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Experte über Tragödie um Familie Ballack
"Jeder hat schon mal daran gedacht"

InterviewVon Robert Hiersemann

Aktualisiert am 06.08.2021Lesedauer: 3 Min.
Michael Ballack: Prägte über viele Jahre hinweg den deutschen Fußball.Vergrößern des Bildes
Michael Ballack: Prägte über viele Jahre hinweg den deutschen Fußball. (Quelle: DeFodi/imago-images-bilder)

Michael Ballack und seine Familie haben einen schweren Verlust erlitten. Einer der drei Söhne verstarb an den Folgen eines Unfalls. Worauf kommt es nun an?

Der ehemalige Fußball-Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack trauert um seinen Sohn Emilio. Der 18-Jährige verstarb nach einem Quad-Unfall in Portugal. Inzwischen gibt es viele Personen aus verschiedensten Bereichen und Gesellschaftsschichten, die ihr Mitgefühl zum Ausdruck gebracht haben. Und andere fragen sich vielleicht, wie man der Familie Ballack in dieser schrecklichen Situation helfen kann.

t-online hat mit Roland Kachler, einem Experten auf dem Gebiet der Trauerbewältigung, gesprochen. Worauf kommt es nun an und wie sollte sich die breite Öffentlichkeit in diesem Fall verhalten?

Herr Kachler, Sie sind Diplom-Psychologe und Experte auf dem Gebiet der Trauerbewältigung und haben selbst ein Kind verloren. Welche Erfahrungen haben Sie über die Jahre mit Eltern gemacht, denen es auch so ergangen ist?

Zunächst verfällt man in Schockstarre. Es ist wie ein Albtraum. Alles wirkt surreal, ganz fremd. Man spürt keinen Schmerz, keine Trauer. Das kommt erst später. Zunächst einmal will man dem eigenen Kind zum Beispiel am Sarg noch einmal so nahe wie möglich sein.

Wann kommt die Trauer?

Die ersten vier bis sechs Wochen hält der Schock an. Dann schlägt die Trauer mit voller Wucht zu. Das erste Jahr, so habe ich es zumindest erlebt, fragt man sich, wie und ob man mit dieser Situation weiterleben kann. Dann folgt der erste Todestag. Man ist immer noch fassungslos. Dann das zweite Jahr, in dem die Trauer noch einmal intensiver wird. Denn man realisiert immer klarer und schmerzlicher, was geschehen ist und dass es nun endgültig ist.

Kann Trauerbewältigung nach dem Tod des eigenen Kindes überhaupt gelingen?

Es ist einer der schlimmsten Schicksalsschläge, die ein Mensch erleiden kann. Das eigene Kind zu verlieren, bedeutet auch einen Teil von sich selbst zu verlieren. Und das Schreckliche daran ist, dass jeder Vater und jede Mutter schon mal daran gedacht hat, dass es einem selbst passieren kann. Und wenn es dann passiert, ist es nicht zu fassen.

Wie verändert solch eine Tragödie das Familienleben?

Die Trauer um das gemeinsame Kind führt zunächst einmal in den meisten Fällen enger zusammen. Aus der gemeinsamen Verlusterfahrung entwickelt sich ein Verantwortungsbewusstsein – gerade, wenn man noch weitere Kinder hat. Allerdings gibt es verschiedene Arten des Trauerns, und die können zu Problemen führen.

Wie meinen Sie das?

Männer trauern eher rational, wollen trotzdem stark sein, den Schmerz wegpacken. Frauen trauern auch nach außen sehr intensiv und emotional. Wichtig ist, dass beide Seiten die andere Art des Trauerns akzeptieren, sonst führt es zu Konflikten.

Das Mitgefühl der Öffentlichkeit ist in diesem Fall riesig. Fast jeder Deutsche kennt Michael Ballack. Wie sollte die Gesellschaft in diesem Fall reagieren, um die Familie Ballack zu unterstützen?

Für uns alle muss der Respekt und die Zurückhaltung in dieser Situation
zentral sein. Wir müssen gemeinsam die Familie Ballack vor Neugier und Sensationslust schützen. Wir alle, besonders die mediale Öffentlichkeit müssen der Familie diesen sensiblen Schutzraum des Trauerns geben.

Wie kann man sonst noch helfen?

Wir können innerlich mitfühlen und mitdenken. Die Kondolenz in Sozialen Medien wird häufig als unnötig abgetan. Dabei kann gerade diese einer trauernden Familie durchaus helfen. Denn man zeigt ganz persönlich und zugleich öffentlich, dass man mitfühlt.

Gibt es noch irgendetwas, was Sie Eltern, die solch einen tragischen Verlust erlitten haben, mitgeben können?

Es geht nicht nur um Trauer und Schmerz. Es geht auch um Liebe – und die darf und muss uns bleiben. Der klassische Trauer-Ansatz spricht vom Loslassen. Das wollen viele Eltern aber gar nicht. Das eigene Kind bleibt in der weitergehenden Liebe zu ihm bewahrt und es bleibt Teil der Familie. Dies habe ich aus meiner eigenen Erfahrung in meinen Büchern genauer beschrieben.

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