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Zum journalistischen Leitbild von t-online.EM-Showdown im Wembley Englands Angst vor fliegenden Ameisen und Italien
Ganz England hofft auf Gareth Southgate und seine Mannschaft. Der erste EM-Titel soll endlich her, um die Zeit als Europas Lachnummer zu beenden. Doch neben der Vorfreude wächst auch die Nervosität.
Vor einem wichtigen Länderspiel der englischen Nationalmannschaft lohnt sich ein Blick in die "Yellow Press", der britischen Boulevardpresse. Wilde Schlagzeilen, bunte Themen und große Emotionen sind hier angesagt.
So auch am Samstag vor dem EM-Finale gegen Italien. Zwischen den Forderungen nach einem Ritterschlag für Trainer Gareth Southgate und den gemeinsamen Urlaubsplänen einiger Nationalspieler nach Las Vegas sticht eine Meldung hervor: "Englands EM-Finale gegen Italien könnte von fliegenden Ameisen heimgesucht werden", titelt die "Sun".
Nicht weniger als eine Invasion
Worum es geht? Das Met Office, der meteorologische Dienst für das Vereinigte Königreich, hatte auf dem Radar fliegende Ameisen entdeckt. Normalerweise werden Insekten von den Geräten automatisch rausgefiltert, bei den großen Schwärmen war das jedoch nicht möglich.
Millionen von fliegenden Ameisen schwirren also am Sonntag durch London und könnten auch auf dem Spielfeld des Wembley-Stadions unterwegs sein. Die "Sun" spricht von einer Invasion, Insektenkundler Prof. Adam Hart sieht es bei "Sky News" etwas lockerer und scherzt: "Es kann sein, dass am Sonntag mehr als drei Löwen auf dem englischen Trikot zu sehen sein werden."
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Italien plötzlich beliebt
An fliegende Ameisen auf dem Trikot verschwenden die englischen Spieler ohnehin keine Gedanken. Ihr Fokus liegt auf dem Gegner aus Italien, denn der wird Problem genug sein für Harry Kane und Co.
Während England mit dem eher biederen und defensiven Fußball für wenig internationale Begeisterung sorgte, zauberte sich die "Squadra Azzurra" in die Herzen vieler Fußballfans. Technisch versiert, vielseitig und leidenschaftlich ist das Spiel der Mannschaft von Trainer Roberto Mancini. Fans aus ganz Europa wünschen sich seit EM-Beginn nichts sehnlicher als Manuel Locatelli oder Federico Chiesa als Neuzugang für ihren Herzensklub.
Und im Finale sind die sonst so unbeliebten Italiener plötzlich die Sympathieträger. Das Ausbuhen gegnerischer Nationalhymnen durch britische Fans, der umstrittene Strafstoß im Halbfinale gegen Dänemark und die Laserpointer-Attacke gegen Torwart Kasper Schmeichel lassen Italien gut aussehen.
Englands Nachbar im Norden geht sogar noch einen Schritt weiter. Die schottische Zeitung "The National" machte auf der Titelseite Italiens Trainer Roberto Mancini zu William Wallace und erinnerte an die Zeit seit der WM 1966: "Rette uns, Roberto, du bist unsere letzte Hoffnung. Wir können nicht weitere 55 Jahre ertragen, in denen sie damit prahlen."
Sportliche Gegensätze
Mancinis Gegenüber, Gareth Southgate, wird im Kampf um den EM-Titel wieder auf seine stabile Defensive setzen. Noch kein einziges Gegentor kassierte England aus dem Spiel heraus. Nur ein Freistoßtor vom Dänen Mikkel Daamsgard musste Torwart Jordan Pickford hinnehmen. Der 50-Jährige Southgate hat im englischen Team ein starkes Pressing installiert, gepaart mit einer guten defensiven Raumaufteilung und taktischer Disziplin, die es den Gegnern schwer macht. Nur selten verliert England die Ordnung.
Doch wenn es ein Team gibt, das jegliche Unaufmerksamkeiten des Gegners bestrafen kann, dann ist es Italien. Mancini hat ein variables System geschaffen, das sich an den Gegner anpasst. Wenn Dominanz gefordert ist, wie gegen die Türkei oder Belgien, spielt Italien abwartend und spielt sich passsicher den Ball zu, bis eine Lücke entsteht.
Wenn aber ein Gegner wie Spanien auftaucht, der selbst das Spiel kontrollieren will, setzt Italien auf Konter. Egal ob mit oder ohne Dominanz, Italien ist torgefährlich. Mit zwölf Toren stellt die "Squadra Azzurra" nach Spanien (13) die zweitbeste Offensive dieser EM. Abhängigkeiten von einzelnen Spielern gibt es nicht. Gleich fünf Akteure trafen zweimal.
Italien ist schwer auszurechnen und will das auch bleiben. Wenn England auf die taktischen Anpassungen des Gegners keine Antwort findet, werden fliegende Ameisen das kleinste Problem im Wembley-Stadion sein.