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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hammer zum Auftakt Der Weltmeister kommt – Debakel vorprogrammiert?
Schlimmer hätte es das DFB-Team wohl nicht treffen können. Weltmeister Frankreich gibt sich in der Allianz Arena die Ehre. Eine unlösbare Aufgabe? Fest steht: Schwächen sind nur schwer auszumachen.
Wie groß ist wohl die Wahrscheinlichkeit in einer Gruppe mit dem amtierenden Weltmeister sowie Europameister zu landen? Und das als vorheriger WM-Titelträger?
Als im November 2019 die deutsche Gruppe mit Weltmeister Frankreich und Europameister Portugal ausgelost wurde, konnte man bei den DFB-Verantwortlichen große Ehrfurcht heraushören: "Das ist eine Hammer-Gruppe, klar. Jeder muss in der Gruppe ans Limit gehen, um eine Chance zu haben, in die K.o.-Runde zu kommen. Ich freue mich", sagte beispielsweise Bundestrainer Joachim Löw. Ähnlich äußerte sich der damalige DFB-Präsident Fritz Keller: "Mit diesen Spielen können wir gleich Fußballfieber in Deutschland entfachen. Das ist ein Hammer-Los."
Oliver Bierhoff: "Gehen nicht als Favorit in die Gruppe"
Nationalmannschaft-Manager Oliver Bierhoff dämpfte derweil die Erwartungshaltung. "Wir gehen sicherlich nicht als Favorit in die Gruppe", sagte der Europameister von 1996.
Neben Ungarn und Portugal markiert jedoch ganz klar Weltmeister Frankreich das unangenehmste Los. Ein Debakel zum Auftakt könnte die deutschen Chancen auf das Achtelfinale erheblich schmälern, auch wenn neben den beiden Gruppenersten die vier besten Gruppendritten die Zwischenrunde erreichen.
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"In Sachen Flexibilität, Variabilität und Individualität ist das ein ganz anderes Kaliber als Lettland", sagte der Bundestrainer noch vergangene Woche über das französische Team – und hat damit natürlich vollkommen recht.
Streit um Mbappé und Giroud
Jedoch ergaben sich auch beim individuell hervorragend besetzten Weltmeister Probleme, erste Risse im Mannschaftsgefüge tun sich angeblich auf. So soll sich Chelsea-Stürmer Olivier Giroud nach dem 3:0 am Dienstag gegen Bulgarien über das mangelhafte Zusammenspiel im Angriff beklagt – und damit vor allem Mbappé gemeint haben. Dieser habe anschließend zu dieser Kritik in einer Pressekonferenz Stellung beziehen wollen. Doch Nationaltrainer Didier Deschamps intervenierte, wollte die Situation nicht unnötig aufbauschen.
Wenn überhaupt kann sich das Starensemble wohl nur selbst aufhalten. Sucht man auf den einzelnen Positionen nach Schwachstellen, wird man maximal in der Abwehr fündig.
"2018 ist Frankreich Weltmeister geworden, weil die Mannschaft gut verteidigen konnten. Die Stammverteidiger haben eine ordentliche Saison hinter sich, waren aber nicht überragend", ordnet der französische Sportjournalist David Fioux von der "L'Équipe" die Lage im französischen Team ein. "Presnel Kimpembe hat zu viel gespielt, Raphael Varanes und Benjamin Pavards Leistungen waren sehr schwankend."
"Griezmann ist der Schlüssel des Offensivspiel"
Die Erwartungshaltung im Land ist derweil klar. Nach dem Finale im eigenen Land 2016 sowie dem WM-Titelgewinn 2018 wäre alles andere als das Erreichen des Endspiels eine Enttäuschung, auch wenn Verbandspräsident Noël Le Graët das Halbfinale als Minimalziel ausgab. Dabei helfen sollen auch zwei Schlüsselspieler: Antoine Griezmann, Deutschland-Schreck bei der EM 2016, sowie Champions-League-Sieger N'Golo Kanté.
Zwar spielen sie auf völlig unterschiedlichen Positionen, dennoch sind sie beide "Team-Spieler, die nicht nur an sich selbst denken", so Fioux. Bixente Lizarazu adelte Kanté kürzlich sogar als besten Mittelfeldspieler der Welt. "Und Griezmann ist der Schlüssel des Offensivspiels. Als Spielmacher ist er zwar nicht so schnell wie etwa Kylian Mbappé, dennoch gibt er der Mannschaft als Spielmacher die notwendige Robustheit und Gier" – vergleichbar mit Thomas Müller im deutschen Team. Ähnlich wie der Bayern-Stürmer agiert auch Griezmann etwas hinter den Angreifern um Mbappé und Rückkehrer Karim Benzema.
Bei der Frage nach dem System kommt man bei Frankreich immer wieder auf ein 4-4-2 mit Raute. So spielten die Franzosen bei ihren jeweiligen 3:0-Erfolgen in den Testspielen gegen Wales und Bulgarien.
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Möglich wäre allerdings auch ein 4-2-3-1-System, in dem die Franzosen vermehrt über die Flügel kommen würden. Insbesondere Bayerns Kingsley Coman würde das zugutekommen, da im klassischen 4-4-2 kein Platz in der Startelf für ihn ist.
Für die deutsche Elf wird insbesondere die Kompaktheit entscheidend sein. Löw forderte in den vergangenen Tests und Trainingseinheiten von seiner Mannschaft, die Abstände gering zu halten und die Räume gut zu besetzen, sprich: ein konsequentes Pressing bei französischem Ballbesitz durchzuführen und somit Angriffe des Star-Ensembles frühzeitig zu ersticken. Aber: Dass solch ein Pressing-Spiel bei unterdurchschnittlicher Ausführung auch nach hinten losgehen kann, spürte die deutsche Mannschaft beim 1:1 gegen Dänemark, als beim dänischen Konterangriff das Mittefeldzentrum völlig blank war und die einzige Chance des Gegners zum Ausgleich führte.
Und trotzdem ist klar: "Frankreich hat großen Respekt, vor allem vor den Bayern-Profis. Unter Hansi Flick waren sie wie eine Maschine, spielten insbesondere im vergangenen Jahr mit sehr hoher Intensität", bilanziert Fioux, der weiß: "Letztendlich hat Deutschland immer noch den Ruf einer Turniermannschaft, die extrem wehtun kann".
Vielleicht ja auch dem Weltmeister.
- Eigene Recherche
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- Twitterprofil der "@equipedefrance"
- Persönliches Gespräch mit David Fioux
- Pressekonferenzen des DFB