Nach 2:1 gegen Serbien "Geniale Dummköpfe": Schweizer Torjubel sorgt für Wirbel
Kaliningrad (dpa) - Das WM-Achtelfinale ist für die Schweiz zum Greifen nahe, doch der provozierende Torjubel von Granit Xhaka und Xherdan Shaqiri beim Sieg gegen Serbien stößt auf Kritik und Unverständnis.
Für noch größeren Wirbel sorgten Äußerungen von Serbiens Trainer Mladen Krstajic, mit denen er den deutschen Schiedsrichter Felix Brych heftig attackierte. "Ich würde ihn nach Den Haag schicken, damit man ihm den Prozess macht, so wie man uns den Prozess gemacht hat", sagte der ehemalige Bundesliga-Profi von Werder Bremen und Schalke 04 nach Angaben des nationalen Fußball-Verbandes (FSS) am Samstag vor serbischen Journalisten. Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hatte in den letzten Jahren zahlreiche Serben wegen schwerster Verbrechen während der Kriege beim Auseinanderbrechen Jugoslawiens (1991-1999) verurteilt. In Serbien wird von vielen behauptet, das internationale Gericht habe besonders die Serben bestraft, während nur wenige Kroaten, Albaner und Muslime für die Schandtaten in den Bürgerkriegen zur Rechenschaft gezogen worden seien.
Die Aussagen könnten für Krstajic ebenso Folgen haben wie der unnötige Jubel für Xhaka und Shaqiri. Denn am späten Samstagabend gab der Weltverband FIFA bekannt, dass er jeweils Disziplinarverfahren gegen die beiden Profis und eine Voruntersuchung gegen Krstajic gestartet hat.
Grund für den Unmut der Serben war, dass Brych dem Team in der 66. Minute bei einem Zweikampf von Mitrovic mit Stephan Lichtsteiner und Fabian Schär zu Unrecht einen Elfmeter verwehrt haben solle. In den sozialen Medien schrieb Krstajic: "Augenscheinlich sind leider nur die Serben zu selektiver Gerechtigkeit verurteilt: Früher das verfluchte Haag und heute im Fußball der Videoassistent." Der 44-Jährige hofft, dass sich der Fußball-Weltverband damit beschäftigt. Doch nach Lage der Dinge könnten wohl eher Krstajics Aussagen die FIFA auf den Plan rufen.
Auch serbische Medien kritisierten Brych heftig. "Der brutale Diebstahl von Brych", titelte die Zeitung "Sportski zurnal". Das Boulevardblatt "Alo" schrieb: "Der Deutsche hat uns bestohlen. Der Unparteiische massakrierte unsere Mannschaft und ermöglichte unserem Gegner, eine Niederlage in einen Sieg umzuwandeln."
Im Vergleich zu Krstajics Aussagen war der umstritte Jubel der Schweizer Xhaka und Shaqiri nur eine Lappalie. Beide Profis haben kosovarische Wurzeln und formten nach ihren Treffern in der 52. und 90. Minute mit den Händen den doppelköpfigen Adler, der die Flagge Albaniens ziert. Serbien erkennt den Kosovo nach wie vor nicht als eigenständiges Land an, was die politische Dimension des umstrittenen Jubels unterstreicht. "Geniale Dummköpfe", kommentierte das Schweizer Boulevardblatt "Blick" - und beschrieb damit die große sportliche Klasse des Duos und die kopflose Provokation gleichermaßen.
Selbst der Schweizer Trainer Vladimir Petkovic konnte seinen Unmut über die Aktion der ehemaligen Bundesligaprofis nicht verbergen. "Man soll Sport und Politik nicht vermischen. Der ganze Verband, das ganze Land vertritt schon seit Jahren die Meinung, dass wir das nicht brauchen", sagte der Schweizer Coach nach dem hart erkämpften 2:1 (0:1)-Erfolg gegen die Serben.
Xhaka und Shaqiri, die von serbischen und russischen Fans im vollen Kaliningrad-Stadion ausgepfiffen wurden, begründeten ihren Jubel mit der hitzigen Atmosphäre, der Bedeutung des Spiels und ihren großen Emotionen. Nach der frühen Führung der lange überlegenen Serben von Aleksandar Mitrovic (5. Minute) drehten Xhaka und Shaqiri die Partie nach einem Kraftakt. "Es ging hier nicht um Politik, sondern um Fußball", versicherte der frühere Bayern-Profi Shaqiri, und mochte nicht weiter über den Doppel-Adler-Jubel reden. "Im Fußball sind immer Emotionen. Ich war einfach froh, dass ich so ein wichtiges Tor geschossen habe."
Auch der frühere Gladbacher Profi Xhaka versuchte, das Thema herunterzuspielen, räumte aber ein: "Für mich war es ein ganz spezielles Spiel. Tausende Leute, Familie aus der Schweiz, aus Albanien, aus dem Kosovo haben zugesehen", so der 25-Jährige vom FC Arsenal. Sieg und Tor widmete er "meiner Familie, die mich immer unterstützt". Der Jubel sei keine Botschaft an den Gegner gewesen: "Das waren Emotionen pur!" Xhakas Vater war in den 80er Jahren bei Protesten im Kosovo gegen die Zentralregierung festgenommen worden und saß drei Jahre in einem serbischen Gefängnis, ehe er in die Schweiz flüchtete.
Der Schweizer Verband erwartet derweil keine Sanktionen gegen das Duo. "Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie gesperrt werden", sagte Generalsekretär Alex Miescher im Trainingscamp der Schweizer in Togliatti. Bislang habe sich der Weltverband auch noch nicht gemeldet.
Ungeachtet dessen genügt der Schweiz (4 Punkte) im letzten Spiel der Gruppe E ein Remis gegen Costa Rica für den Einzug ins Achtelfinale. Serbien (3) braucht einen Sieg gegen Brasilien (4). Krstajic gibt die Hoffnung nicht auf: "Brasilien war schon vor der WM Gruppen- und sogar Titelfavorit. Aber es ist nichts unmöglich."