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Zum journalistischen Leitbild von t-online.t-online.de-WM-Check Heute geht es los: Das sind die Stars der Gruppe A
Mit dem Eröffnungsspiel zwischen Russland und Saudi-Arabien beginnt die WM 2018. Torwart-Globetrotter Lutz Pfannenstiel kennt beide Teams gut – und stellt sie und ihre Gruppengegner vor.
Bei der Weltmeisterschaft in Russland wird es international. 32 Mannschaften von sechs Kontinenten wetteifern um den Titel. Dabei kann man schnell den Überblick verlieren. Lutz Pfannenstiel war als Profi auf allen Erdteilen aktiv – und kennt die internationale Fußballwelt wie kaum ein Zweiter. Für t-online.de nimmt der Torwart-Globetrotter alle WM-Starter unter die Lupe. Heute: Gruppe A.
Russland
Die Erwartungshaltung im Land ist groß. Das Vorrunden-Aus beim Confed Cup hat aber gezeigt, dass von den Russen keine Wunderdinge zu erwarten sind. Die Mannschaft ist sehr erfahren, allerdings fehlen hungrige Talente.
Da fast alle Akteure in Russland spielen, hat Trainer Stanislaw Tschertschessow einen guten Überblick. Tschertschessow, der in den 90er Jahren bei Dynamo Dresden im Tor stand, setzt auf ein 3-5-2. Dabei ist ihm defensive Ordnung sehr wichtig. Er wirkt oft sehr ernst, teilweise sogar grimmig, ist aber ein ganz netter Kerl. Als Tschertschessow in Innsbruck gespielt hat, stand er mir in einem Freundschaftsspiel mit Haka Valkeakoski gegenüber. Er hatte wie immer seine lange Trainingshose an – auch bei 36 Grad. Sein zweites Markenzeichen: Ein beeindruckender Schnauzer, den er noch heute trägt.
Einen absoluten Superstar wie früher Andrei Arschawin haben die Russen nicht mehr. Zu erwähnen ist Alexander Golowin (ZSKA Moskau), der im Mittelfeld die Fäden zieht. Mit Giorgi Jikia und Wiktor Wassin bricht verletzungsbedingt die gesetzte Innenverteidigung weg. Eigentlich sollte der Ex-Schalker Roman Neustädter einspringen, aber er wurde – wie Konstantin Rausch – kurz vor der WM aus dem Kader gestrichen. Das ist schon verwunderlich. Eigentlich hätte es für die Truppe locker reichen müssen.
Der Star
Igor Akinfejew (ZSKA Moskau) ist der absolute Chef im Team. Er war mit 17 Jahren Nationaltorwart, hat mittlerweile über 100 Länderspiele bestritten und ist seit Jahren mit Abstand der beste Keeper der russischen Liga. Bei großen Turnieren schießt Akinfejew aber immer wieder einen Bock.
Prognose
Russland schafft es mit Ach und Krach in die K.o.-Phase. Da wird dann aber Schluss sein.
Saudi-Arabien
Das Team lebt von der Harmonie. Die wurde allerdings in den letzten Monaten massiv gestört. Nachdem Ex-BVB-Coach Bert van Marwijk nicht zu einer Vertragsverlängerung bewegt werden konnte, übernahm im September Ex-Argentinien-Trainer Edgardo Bauza. Er hielt sich nur zwei Monate und wurde von Juan Antonio Pizzi beerbt. Pizzi ist ein erfahrener Trainer, der 2016 mit Chile die Copa America holte.
Die meisten Spieler sind über 30 Jahre alt und in der heimischen Liga bei den Spitzenklubs Al-Hilal, Al-Nasr und Al-Ahli aktiv. Auch wenn viele eher auf Drittliganiveau agieren, verdienen sie dort Millionen. Um Auslandserfahrung zu sammeln, wurden Akteure wie Fahad Al-Muwallad (UD Levante) oder Salem Al-Dawsari (FC Villarreal) im Zuge einer Kooperation nach Spanien ausgeliehen. Das Problem: Sie spielen dort nicht. Technisch sind die Saudis alle sehr beschlagen, in Sachen Fitness, Robustheit und Disziplin allerdings klar schwächer als ihre Gruppengegner. Außerdem fehlt es an einem wirklich guten Torwart. Auch wenn mit dem ehemaligen FC-Bayern-Torwarttrainer Frans Hoek einer der besten seines Fachs an Bord ist. Vom saudischen Torwartniveau konnte ich mich im vergangenen Oktober persönlich überzeugen, als ich als Trainer-Ausbilder dort war.
Der Star
Einen wirklichen Star gibt es in der sehr homogenen Truppe nicht. Am auffälligsten ist Al-Muwallad, ein schneller, flinker Rechtsaußen – der auf dem Platz an einen Brasilianer erinnert. Taktisch ist er aber nicht gut ausgebildet, weshalb er bei Levante in der abgelaufenen Saison nur zwei Spiele gemacht hat.
Prognose
Für die Saudis ist die Qualifikation bereits ein Erfolg. In dieser Gruppe sind sie krasser Außenseiter. Sollen sie wirklich weiterkommen, wäre das eine Sensation.
Uruguay
Die Uruguayer sind eine der unbequemsten Mannschaften weltweit. Auf den zweimaligen Weltmeister (1930 und 1950) zu treffen heißt für jeden: Es wird wehtun! Besonders in der Defensive spielen sie einen sehr altmodischen, italienischen Stil und sind unwahrscheinlich gut organisiert. Da kann man die Abstände der Verteidiger mit dem Lineal ausmessen.
Stellvertretend dafür ist Abwehrchef Diego Godin (Atletico Madrid). Er ist der ultimative Uru: unbequem, kopfballstark, mit gutem Stellungspiel – und wenn es sein muss, haut er seinen Gegenspieler in zwei Teile. Einzig die beiden Weltklassestürmer Edinson Cavani (Paris Saint-Germain) und Luis Suarez (FC Barcelona) stechen deutlich heraus. Zusammen erzielten sie in der Qualifikation 15 von 32 Treffern.
Das Duo sorgt für die wenigen Überraschungsmomente. Denn Trainer Oscar Tabarez, der bereits seit 2006 im Amt ist, setzt auf ein relativ starres taktisches Korsett. Aus einer sehr defensiven Grundhaltung wird meistens aus einem 4-4-2-System blitzschnell umgeschaltet. 2010 wurde man so sensationell Dritter. Der Stamm von damals ist geblieben, weshalb das Team sich blind versteht. Allerdings sind viele Akteure jenseits der 30 und nicht mehr die Schnellsten.
Der Star
Mit Cavani und Suarez gibt es zwei Ausnahmespieler. Letzterer ist leistungsmäßig noch einen Tick besser, allerdings auch eine tickende Zeitbombe. Das hat nicht nur seine Biss-Attacke gegen Italiens Giorgio Chiellini bei der WM 2010 gezeigt.
Prognose
Als stärkste Mannschaft der Gruppe wird Uruguay in die K.o.-Runde einziehen. Weil sie insgesamt zu leicht auszurechnen sind, ist aber spätestens im Viertelfinale Schluss.
Ägypten
Alles geht über Mohamed Salah vom FC Liverpool, einem der momentan besten Spieler der Welt. Nach seiner Schulterverletzung im Champions-League-Finale hofft ganz Ägypten, dass er zur WM zurück in Topform ist. An Salahs Seite stehen mit Mittelfeldmann Mohamed Elneny (FC Arsenal) und Verteidiger Ahmed Hegazy (West Bromwich Albion) sehr erfahrene Akteure. Mit Hector Cuper haben die Pharaonen auch einen sehr erfahrenen Trainer, der ein 4-2-3-1 mit defensivem Fokus spielen lässt.
Immer noch dabei ist Essam El Hadary, wie ich Baujahr 1973. Wir kennen aus noch aus der Zeit der Jugendnationalmannschaften. Bei einem Testspiel 1989 habe ich ihm meine Handschuhe geschenkt, weil er sehr schlechtes Material hatte. Da stand damals schon mein Name drauf – das konnte er gar nicht glauben. 2010 beim Afrika-Cup, als ich Nationaltrainer in Namibia war, haben wir uns wiedergetroffen – und direkt erkannt. Seitdem verbindet uns eine Freundschaft. Mit 158 Länderspielen ist er quasi eine Art afrikanischer Buffon und mit 45 Jahren ältester WM-Teilnehmer der Geschichte.
Der Star
Das gesamte Spiel ist auf Mohamed Salah zugeschnitten. Ich kenne ihn, seit er mit 16 Jahren beim U17-Afrika-Cup gespielt hat. Schon damals war Salah viel besser als alle anderen – aber auch ein Chancentod. Der hatte gefühlt zehn Chancen pro Spiel, machte aber nur ein Tor. Das hat sich nun geändert. 44 Tore in 52 Pflichtspielen in dieser Saison sprechen für sich.
Prognose
Alles steht und fällt mit Salah. Sollte er rechtzeitig fit und in Topform sein, ist der Sprung ins Achtelfinale möglich. Dazu müsste allerdings viel zusammenkommen.