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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Fan-Wut gegen Gündogan Bizarre Szenen beim WM-Test
Gewonnen? Na und! Der Ärger über das Foto der Nationalspieler Gündogan und Özil mit dem türkischen Präsidenten hat den Sieg gegen Saudi-Arabien überschattet. Im Stadion kam es zu bizarren Szenen.
Eigentlich, so berichtete es Mats Hummels nach dem Spiel, habe beim Testspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Saudi Arabien (2:1) eine positive Atmosphäre geherrscht. Das Publikum habe mitgefiebert, gelungene Aktionen gefeiert. Doch dann war plötzlich alles anders.
In der 57. Minute kam Ilkay Gündogan ins Spiel. Der Mittelfeldspieler von Manchester City ist gemeinsam mit seinem am Freitag verletzt fehlenden Mitspieler Mesut Özil aktuell der Buhmann im deutschen Fußball. Er hatte sich im türkischen Wahlkampf mit dem Präsidenten Recep Tayyip Erdogan fotografieren lassen, der die Meinungsfreiheit in seinem Land immer weiter einschränkt und zahlreiche Kritiker und politische Gegner verhaften ließ.
Pfeifkonzert bei Gündogans Einwechslung
Schon beim Testspiel in Österreich (1:2) waren Gündogan und Özil ausgepfiffen worden, doch die Szenen in der Leverkusener Arena waren krasser. Bei seiner Einwechslung: ein gellendes Pfeifkonzert. Bei jedem Ballkontakt ertönte es wieder. Selbst als Gündogan nicht einmal zwei Minuten nach seiner Einwechslung die große Chance auf ein Tor für Deutschland hatte, gab es Pfiffe. Er vergab kläglich. Ein Foul an dem flinken Mittelfeldspieler wurde bejubelt. Gündogan niederzumachen war vielen Fans auf einmal wichtiger als der sportliche Erfolg.
Bundestrainer Jogi Löw forderte die Fans auf, für seinen Schützling zu klatschen – viele folgten dem Aufruf, besonders auf der Haupttribüne. Gegen das Pfeifkonzert kamen sie aber nur selten an. Es war eine bizarre Szene, weil die Anhänger der deutschen Mannschaft plötzlich gespalten waren wie nie zuvor. Die einen pfiffen und pöbelten, die anderen sprangen demonstrativ auf und klatschten. Mittendrin: Ilkay Gündogan.
Gündogan: "Dankbar, für dieses Land zu spielen"
Gündogan selbst legte nach den Pfiffen gegen ihn ein öffentliches Bekenntnis zu seinem Heimatland ab. "Letztes Spiel vor der Weltmeisterschaft und immer noch dankbar, für dieses Land zu spielen", twitterte der Mittelfeldspieler am Samstag.
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Der 27-Jährige hatte sich in den vergangenen Wochen mehrfach der Kritik gestellt, zuerst veröffentlichte er ein ausführliches Statement auf seinen Social-Media-Kanälen, indem er das Foto als Geste der Höflichkeit und Zeichen des Respekts gegenüber der Heimat seiner Eltern rechtfertigte. Schon zu diesem Zeitpunkt bekannte er sich klar zu Deutschland und der deutschen Fußball-Nationalelf.
Neuer und Gomez machen sich für Gündogan stark
Nach dem Spiel machten sich auch seine Teamkollegen für ihn stark. Kapitän Manuel Neuer sagte: „Solche Pfiffe schaden der Mannschaft.“ Und Stürmer Mario Gomez fügte hinzu: „Jeder im Stadion will, dass wir Weltmeister werden. Da sollte man nicht kurz vorher einzelne Spieler niedermachen.“
Am deutlichsten wurde Bundestrainer Jogi Löw. Er berichte: „Ich habe Ilkay in der Kabine gesehen, er ist schon geknickt.“ Und: „Das hat mich schon geschmerzt. Wenn ein Nationalspieler ausgepfiffen wird von der Einwechslung über alle Aktionen bis zum Ende, dann gefällt mir das natürlich nicht. Ich kann es auch schwer nachvollziehen.“
Ballmagnet Gündogan schien sich zu verstecken
Ähnlich äußerte er sich nach einem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Berlin sowie in einigen Interviews im Trainingslager der Nationalelf in Südtirol. Mehr Kredit bei den Fans scheint ihm das nicht eingebracht zu haben. Es dürfte Mesut Özil, ebenfalls mit auf dem Foto, in seiner Meinung bestärken, sich auch weiterhin nicht zu äußern.
Gündogan ist normalerweise ein Ballmagnet. Einer, der die Bälle fordert und seine Mitspieler manchmal mit mehr als 100 Pässen in einem Spiel in Szene setzt. Diesmal schien er sich zu verstecken, ihm unterliefen ungewöhnliche technische Fehler. Ganz so als spürte er die Blicke einer ganzen Nation auf sich.
Nach dem Spiel schlich Gündogan durch die Mixed Zone aus dem Stadion, alleine, vorbei an den Reportern. Ein nahezu bedeutungsloses Testspiel gegen Saudi-Arabien war eins der schwersten seiner Karriere.
- eigene Beobachtungen