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Zum journalistischen Leitbild von t-online.DFB-Stürmer über WM-Auswahl Brandt: "Dieser Druck kann einen lähmen"
Im Interview mit t-online.de und Sportbuzzer spricht Leverkusens Überflieger Julian Brandt über seine Rolle als Anti-Star und sagt, warum er sich große Chancen auf einen Platz im WM-Kader ausrechnet.
Kleine Gemeinde, große Stars. Im bescheidenen Eppan (Südtirol) bereitet sich der deutsche Kader auf die WM vor. Unter ihnen der 22-jährige Julian Brandt. Am Hotelpool spricht Leverkusens Stürmer im gemeinsamen Interview von t-online.de und Sportbuzzer über seine Lebenseinstellung, Leverkusen und die kommende WM.
Herr Brandt, Nils Petersen hat kürzlich verraten, dass er bei der Nominierung drei Anrufe in Abwesenheit von Joachim Löw hatte – wie viele waren es bei Ihnen?
Julian Brandt (22): (lacht) Da ich ja 2016 schon dabei war, wusste ich ungefähr, wann so ein Anruf kommt und hatte das Handy eigentlich die ganze Zeit bei mir. Aber es war dann schon sehr spät am Abend, so gegen 23 Uhr und ich hatte Glück, dass ich noch nicht eingeschlafen war.
Hatten Sie nach der starken Saison mit zwölf Toren und sieben Vorlagen mit einer Nominierung gerechnet oder kam es eher überraschend?
Ich glaube dadurch, dass auch viele Konkurrenten auf meiner Position eine starke Saison gespielt haben, konnte ich mir auf keinen Fall sicher sein. Aber ich wusste, dass ich in den letzten zwei Jahren eigentlich immer dabei war und dadurch gewisse Vorteile hatte.
Wenn man sich Ihre Karriere anschaut, stellt man fest, dass noch nie etwas schief ging: Sie haben alle Jugendmannschaften des DFB durchlaufen, sich auch auf Vereinsebene immer weiter entwickelt. Wäre da nicht der Schritt zu Bayern der logische gewesen?
Wahrscheinlich stellt man sich so eine Musterkarriere vor, das kann schon sein. Dazu hatte ich das Glück, auch noch für Olympia und den Confed-Cup nominiert zu werden und dadurch früh sehr viel internationale Erfahrung zu sammeln. Ich glaube schon, dass mir das jetzt hilft. Auch, weil man viele Jungs und die ganzen Abläufe beim DFB schon kennt, schon einige Turniere gespielt hat.
Sie haben nicht auf Bayern geantwortet…
Es gab viele Vereine, zu denen ich hätte gehen können. Ich habe mir vieles angehört und wirklich Gedanken gemacht. Aber ich fühle mich momentan einfach total wohl in Leverkusen, auch mit Heiko Herrlich. Es macht mir tierisch Spaß, mit den Jungs zu zocken und deshalb habe ich mich entschieden, nochmal zu verlängern.
Sie haben keine Tattoos, keine Rasta-Frisur, werden von Ihrem Vater beraten – sind Sie ein Anti-Star?
Meine Mutter würde mich umbringen, wenn ich mich tätowieren lassen würde und ich bin auch nicht der Hauttyp dafür. Sie sagt: Heute ist man ja eher ein Unikat, wenn man kein Tattoo hat und da hat sie recht. Rastalocken würden mir glaube ich nicht so gut stehen. Und Gucci-Klamotten auch nicht. Ich mache mich aber nicht bewusst zum Anti-Star, sondern tue das, was ich für richtig halte. Und wenn ich mir irgendwann mal mein Lieblingsauto kaufen will, dann werde ich das auch tun – egal, was die Leute dann denken.
Würden Sie im Falle des WM-Titels doch über ein Tattoo nachdenken?
Nach einem WM-Titel kommt man wahrscheinlich auf viele dumme Gedanken. Ich weiß nicht, ob man da in der Nacht nicht plötzlich doch beim Tätowierer landet (lacht). Aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg.
Joachim Löw hat kürzlich angedeutet, dass es nach der WM einen Umbruch geben könnte. Sehen Sie sich als Anführer einer neuen Generation?
Es kann nur ein Vorteil sein für die Jüngeren, die jetzt schon dabei sind – davon gibt es ja einige. Und es kommen noch weitere nach, da muss niemandem bange sein. Nach der WM 2014 haben einige Weltmeister aufgehört, das kann natürlich wieder so sein. Ein Umbruch wird sicher irgendwann kommen und dann wollen wir dabei sein, klar.
Es geht jetzt um die letzten Plätze. Nicht wenige sagen: Sané ist schneller, Müller und Draxler international erfahrener, Reus torgefährlicher. Was entgegnen Sie?
Das ist sicher alles nicht ganz falsch, aber es gibt auch genügend Dinge, die für mich sprechen – vor allem meine Flexibilität. Ich denke, dass ich dem Bundestrainer verschiedene Optionen anbieten kann – egal, was er gerade braucht. Ich habe auch schon als Joker funktioniert und mittlerweile bin ich vor dem Tor auch nicht mehr ganz blind (lacht). Ich denke, dass ich schon einen Eindruck hinterlassen habe.
Wie sehen Sie Ihre Chancen?
Ich bin wirklich relativ entspannt. Aber wenn man schon im vorläufigen Kader steht, will man natürlich auch mit nach Russland. Sollte es aus welchen Gründen auch immer, werde ich es sportlich nehmen und den Jungs die Daumen drücken. Ich bin aber der Überzeugung, dass jetzt alles von mir und meiner Leistung abhängt.
Sollte es klappen, schauen Ihnen 80 Mio. Deutsche auf die Füße. Wie geht man als 22-Jähriger damit um?
Es macht einen natürlich stolz, wenn man als einer von 23 Deutschen unser Land repräsentieren darf – das ist Wahnsinn. Deshalb sollte man sich darüber nicht zu viele Gedanken machen, da es schon einen ziemlichen Druck erzeugt, der einen auch lähmen kann.
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