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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nationalspieler Ginter fordert Gehaltsobergrenze für Fußballer
Weltmeister Matthias Ginter befürwortet eine Gehaltsobergrenze für Profi-Fußballer und spricht über seinen Zwiespalt vor der Weltmeisterschaft in Russland.
Auf den ersten Blick wirkt Matthias Ginter eher unscheinbar. Dabei ist der Fußball-Weltmeister einer der meinungsstärksten Nationalspieler. t-online.de und der Sportbuzzer trafen den Innenverteidiger von Borussia Mönchengladbach vor dem Testspiel gegen Brasilien am Dienstag (20.45 Uhr, live in der ARD) in Berlin.
t-online.de: Wenn morgen WM wäre, wäre Matthias Ginter…
Matthias Ginter (24): …hoffentlich in einem Hotel in Russland und würde mich gut vorbereiten (lacht). Ich bin jetzt dabei, also ist es natürlich das große Ziel, auch zur WM zu kommen.
Wie sehen Sie Ihre Chancen?
Die Einsätze beim Confed Cup und die Länderspiele danach haben mir sehr geholfen. Ich glaube, dass meine Leistungen gut waren – und letztlich geht es darum. Auch im Verein versuche ich mich weiterzuentwickeln und alles in meiner Macht stehende zu tun, um dem Bundestrainer die Entscheidung so leicht wie möglich zu machen.
In manchen Ländern wird ein WM-Boykott diskutiert, wegen der politischen Situation in Russland. Kann man ruhigen Gewissens dort auflaufen?
Da bin ich im Zwiespalt. Auf einer Seite sollte man schon Zeichen setzen für Frieden und Freiheit. Auf der anderen Seite ist Fußball ein Brückenbauer, weil er viele Religionen und Herkunftsländer bei einer WM zusammenbringt. Und dadurch Dialog entsteht, Toleranz wächst. Die Frage ist, was ein Boykott wirklich bringen würde. Wenn wir nicht zur WM fahren, heißt das ja auch nicht, dass sich die politischen Konflikte wirklich verbessern. Wenn ich könnte, würde ich den Weltfrieden einer WM-Teilnahme jedenfalls vorziehen (lacht).
Sie sind Weltmeister, Pokalsieger, Confed-Cup-Sieger. Trotzdem werden Sie bei einer Aufzählung der besten deutschen Verteidiger häufig vergessen. Werden Sie unterschätzt?
Das lag meiner Meinung nach auch an meiner Rolle in Dortmund (Ginter wechselte 2017 zu Gladbach, d. Red.). Weil ich häufig die Position wechseln musste, haben mich viele nicht als Stammspieler wahrgenommen, auch wenn die Zahlen das Gegenteil beweisen. Sportlich war es für mich von großem Vorteil, auf verschiedenen Positionen Erfahrung zu sammeln, aber in der Öffentlichkeit konnte ich vielleicht nicht richtig zugeordnet werden.
Am Dienstag treffen Sie mit der Nationalelf zum ersten Mal seit dem 7:1 im WM-Halbfinale 2014 auf Brasilien. Sie waren als Ersatzspieler dabei. Welche Erinnerungen haben Sie?
Ich habe ja mit der deutschen Olympia-Auswahl im Finale 2016 noch einmal gegen Brasilien gespielt. Da hat man gemerkt: Der Stachel sitzt immer noch tief. Damals im Sommer 2014 war es einfach ein unwirkliches Spiel. Man hat vor dem Anpfiff gespürt, dass das ganze Land gegen einen war. Wir Spieler und die deutschen Fans waren regelrecht eingekesselt. Bei der Nationalhymne war die Stimmung dann einzigartig, sehr laut, sehr intensiv, aber innerhalb von fünfzehn Minuten herrschte Totenstille. Brasilien ist auf dem Platz auseinandergefallen, da hat man im Stadion schon gemerkt: Das ist kein normales Fußballspiel mehr, sondern für das ganze Land denkwürdig und einzigartig.
Sie haben in der "Welt am Sonntag" gesagt: "Fußballer verdienen zu viel Geld". Wie gehen Sie mit Ihrem Geld um?
Generell versuche ich, immer mal wieder etwas zurückzugeben, mit einer Spende oder meiner Stiftung, die sich in Freiburg und der Region für bedürftige Kinder einsetzt. Aber es ist natürlich nicht so, dass ich kein schönes Auto fahre oder kein schönes Zuhause habe.
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Was war das letzte, was Sie sich gegönnt haben?
Ein Hochzeitsanzug. Unsere standesamtliche Hochzeit ist im Sommer vor der WM. Meine Aussage war aber auch nicht auf das Ausgeben, sondern auf das Einnehmen bezogen.
Wie meinen Sie das?
Man sieht Menschen, die von morgens bis abends arbeiten, deren Jobs essenziell für die Gesellschaft sind – und da passt meiner Meinung nach das Verhältnis mit den Gehältern von Fußballern nicht. Das ist natürlich ein Stück weit schon immer so gewesen, hat aber in den letzten Jahren noch einmal zugenommen.
Sandro Wagner hat das Gegenteil gesagt. Er meinte, für den Druck, das Leben in der Öffentlichkeit und alles, was Fußballer leisten, seien die Gehälter noch zu niedrig. Diskutieren Sie in der Mannschaft über sowas?
Eher weniger. Natürlich arbeiten wir auch. Es ist ja nicht so, dass wir für unser Geld nichts tun würden. Wir geben auch tatsächlich viel auf, ein Stück unseres Privatlebens zum Beispiel. In der Jugend gab es nur Schule oder Fußball – und kaum Freizeit. Aber in anderen Jobs ist das nicht anders, und trotzdem verdienen andere Berufstätige nicht so viel. Ich verstehe jede andere Ansicht, aber meiner Meinung nach stimmt das Verhältnis eben nicht ganz.
Würden Sie als Führungsspieler in Gladbach einen jungen Kollegen zurechtweisen, wenn er nach seinem ersten Vertrag mit einem Luxus-Auto ankommt?
Wenn er danach weiter gut spielt, ist alles gut (lacht). Das muss jeder für sich selbst entscheiden. Die Glitzerschuhe, die Aubameyang In Dortmund zum Beispiel häufiger getragen hat, würden zu mir jetzt nicht passen (lacht). Aber Auba hat wichtige Tore erzielt und immer Leistung gebracht – das zählt. Wenn jemand sein erstes Bundesliga-Tor schießt und sich eine teure Uhr kauft, dann hat er sich eben für seine Leistung belohnt. Solange man sich nicht darauf ausruht, ist das kein Problem.
Neid auf andere ist ebenfalls ein großes Thema.
In den USA sind die Gehälter transparent und es gibt eine Gehaltsobergrenze. Ich glaube, das schmälert ein Stück weit den Neidfaktor. Natürlich ist es für den normalen Angestellten trotzdem schwierig zu verstehen, wenn ein Spieler 10 oder 20 Millionen im Jahr verdient.
Kann die Regel ein Vorbild für den deutschen Fußball sein?
Am Beispiel des US-Basketballs ist bewiesen, dass die Liga dann ein bisschen ausgeglichener wird. Das wäre eine Chance für kleinere Vereine wie den SC Freiburg zum Beispiel, der dann im Verhältnis vielleicht auch mehr investieren könnte.
Sie haben auch die Parallelwelt Fußball kritisiert. Beim DFB werden Sie rund um die Spiele abgeschottet und gleichzeitig wie Popstars abgefeiert. Ist Ihnen das unangenehm?
Man gewöhnt sich an die Blicke, an die Selfies, ans Autogrammeschreiben. Das ist manchmal natürlich unangenehm, beim Essen zum Beispiel. Aber ich war ja selbst einmal ein kleiner Junge, der die Nationalspieler verehrt hat. Deshalb habe ich kein Problem damit. Die Abschottung ist leider notwendig geworden, um die Sicherheit zu gewährleisten. Für mich ist es aber trotzdem wichtig, nicht zu Hause ein Kino zu haben, sondern mich auch so normal wie möglich in der Öffentlichkeit bewegen zu können.
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