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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mit 100-Punkte-Plan? Dieses Problem muss Bayern sofort lösen
Ausgerechnet vor den wegweisenden Spielen dieser Saison hat der FC Bayern plötzlich ein großes Problem. Das bringt Cheftrainer Vincent Kompany in Bedrängnis.
Vincent Kompany kam am Donnerstag bei der Abschlusspressekonferenz vor dem Heimspiel am Freitag (ab 20.30 im Liveticker bei t-online) gegen Bremen ziemlich in Erklärungsnot. Warum? Dafür waren in erster Linie technische Probleme verantwortlich. Denn ausgerechnet, während der Chefcoach des FC Bayern die kritischen Fragen zur extrem anfälligen Abwehr seiner Mannschaft und den Herausforderungen der kommenden Wochen beantwortete, fiel sein Pultmikrofon aus.
Kompany löste die Situation souverän. Er nahm einfach ein rotes Handmikrofon mit dem Bayern-Logo darauf in die Hand und sagte seine Antworten dann dort hinein. Und auch als er ein paar Minuten später den Hinweis bekam, dass das Standmikrofon vor ihm jetzt wieder funktionieren würde, reagierte er gelassen. "Kein Problem, dann nehme ich einfach beide", sagte er und lachte.
Bayern kassiert zehn Gegentore in fünf Spielen
Kompany wirkte locker und gelöst, trotzdem kam der Belgier aber auch inhaltlich ein wenig in Bedrängnis. Der Hauptgrund dafür waren die zehn Gegentore, die seine Mannschaft in den vergangenen fünf Pflichtspielen kassiert hat. Und allen voran die gleich drei Gegentreffer, die die Bayern am Samstag nach einer 4:0-Führung noch gegen Aufsteiger Holstein Kiel hinnehmen mussten. Im Gegensatz zu dem 0:3 vor zwei Wochen in Rotterdam reichte es gegen Kiel trotzdem noch zum Sieg.
Deshalb müsse man da schon unterscheiden, so Kompany. "Gegen Kiel führst du 4:0, in anderen Spielen ist es sehr eng", sagte er. Ein großes Problem ist die Gegentorflut trotzdem in beiden Fällen für ihn. Sie ist schließlich das Ergebnis seiner riskanten, stark konteranfälligen Offensivtaktik und individuellen Fehlern seiner Abwehrspieler, die sich zuletzt wieder häuften. Eine fatale Mischung.
Hoeneß: "Der Februar wird der Monat der Entscheidung"
Spätestens mit Blick auf nächste Woche gilt das für ihn, Bayerns Abwehrprobleme dringend zu lösen. Nach Bremen folgen nämlich die wichtigen Spiele im Play-off der Champions League gegen Celtic Glasgow (12. und 18. Februar) sowie in der Liga gegen Bayer Leverkusen (15. Februar), Eintracht Frankfurt (23. Februar) und den VfB Stuttgart (28. Februar) direkt aufeinander.
Was das für den Rekordmeister bedeutet, fasste Ehrenpräsident Uli Hoeneß zu Beginn erst am Dienstag noch einmal zusammen. "Keine Frage, der Februar wird der Monat der Entscheidung", sagte Hoeneß im Interview mit t-online.
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Auch ihm sind die vielen Gegentreffer negativ aufgefallen. Wenn er Kompany demnächst mal sehe, kündigte Hoeneß deshalb an, werde er ihn mal fragen, "warum wir so viele leichte Tore kriegen". Ob dieses Gespräch mit dem Ehrenpräsidenten mittlerweile stattgefunden hat, verriet Kompany nicht.
Das steckt hinter Kompanys 100-Punkte-Plan
Dafür aber, wie er die Sache nun angehen will. "Ich hatte das Glück, dass ich diese 100-Punkte-Saison als Spieler in England mitgemacht habe, direkt danach eine mit 98 Punkten", sagte der ehemalige Kapitän des englischen Premier-League-Klubs Manchester City, mit dem ihm diese Fabelsaisons gelungen waren.
Was seine Spieler jetzt daraus lernen sollen? "Du musst immer im Kopf haben, dass die ganze Saison wichtig ist, jede Phase, jeder Moment. Dann kannst du den maximalen Erfolg haben", sagte er. "Wir sind aber Menschen, sind nicht perfekt. Wir müssen immer versuchen, das, was nicht so gut läuft, zu verbessern."
Mit 51 Punkten nach 20 Spieltagen spielt Kompany übrigens bislang die beste Saison beim FC Bayern seit neun Jahren. Die 100-Punkte-Marke wird er mit Bayern trotzdem nicht erreichen können. Nach den verbleibenden 14 Spieltagen wären maximal 93 Punkte möglich. Zur Einordnung darf allerdings auch nicht unerwähnt bleiben, dass in der englischen Liga schon damals mit 20 Teams zwei mehr spielten als in der Bundesliga.
Angesprochen auf den Rekordkurs, auf dem er aktuell mit den Münchnern zumindest in der Liga trotzdem liegt, sagte Kompany: "Ich bin konsistent, wenn über negative Dinge berichtet wird, bleibe ich ruhig, genauso bei positiven."
Kompanys Version von Kahns "Weiter, immer weiter"
Kompany gab gleichzeitig aber trotzdem zu: "Es ist nicht nur ein Ziel, besser zu sein, als die Gegner morgen, sondern auch, um besser zu sein als unser Level und die besten FCB-Mannschaften der letzten Jahre. Der Fokus ist sehr hoch." Was der Rekordmeister in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten erreicht habe, sei "unfassbar", so Kompany. "Die allerbesten Jahre, das ist einzigartig in Europa sogar."
Deshalb wisse er, "dass wir auf keinem schlechten Weg sind, es aber auch noch genug zu arbeiten gibt", sagte Kompany: "Ich behalte immer die Ruhe und will es immer fortführen, so lange und weit wie möglich. Immer." Er formulierte damit seine eigene Version des Credos, das Ex-Bayern-Kapitän Oliver Kahn einst geprägt hatte: Weiter, immer weiter.
Kompany verteidigt seine Abwehr
Kompany hat auch, was seine Abwehr angeht, eine deutlich positivere Wahrnehmung, als das im Moment zumindest in der Öffentlichkeit der Fall ist. Der frühere Weltklasse-Innenverteidiger erinnerte an die sieben Pflichtspiele in Folge, die Bayern in der Hinrunde ohne ein einziges Gegentor geblieben war.
"Da haben wir schon gezeigt, dass wir das können", sagte Kompany und fügte lachend hinzu: "Es ging so viel um die Gegentore, dass ich fast schon vergessen habe, dass wir auch in den ersten beiden Saisonspielen keine Gegentore bekommen haben." Um wieder dahin zurückzukommen, brauche seine Mannschaft aber Energie. "Die bekommst du nicht, wenn du nur schaust, was nicht klappt. Du musst auch darauf schauen, was gut klappt, und das schützen, damit das bleibt", so Kompany.
"Wir haben Tore bekommen, das ist die Wahrheit", fuhr er fort. Aber: "Im Moment kann ich Ihnen in Deutschland ein paar Mannschaften nennen, die mehr Tore kassiert haben als wir. Nämlich alle." Kompany lachte. Mit 19 Gegentreffern stellt sein Team nämlich tatsächlich die zumindest mit drei Toren Abstand beste Abwehr der Bundesliga. Die zweitbeste Defensive stellen übrigens nicht die beiden direkten Verfolger Bayer Leverkusen, die jeweils schon 27 Gegentore kassiert haben. Sondern Aufsteiger St. Pauli (22), gefolgt von Mainz 05 (24).
All das ändert nicht daran, dass Kompany das Abwehrproblem der Bayern schnellstmöglich wieder in den Griff bekommen muss. Ansonsten wird er mit Sicherheit schon sehr bald erneut in Erklärungsnot geraten – und zwar nicht nur aufgrund technischer Schwierigkeiten.
- Eigene Recherche
- Reporter vor Ort bei der Pressekonferenz von Vincent Kompany und Christoph Freund am 6. Februar