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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Effenberg über Bayern gegen BVB Es droht das Worst-Case-Szenario
Das entscheidende Duell um die Meisterschaft ist das des FC Bayern mit Dortmund nicht. Trotzdem geht es für beide um viel, vor allem für den BVB, wie Effenberg glaubt.
Am Samstag ist es wieder so weit: Der FC Bayern empfängt Borussia Dortmund zur nächsten Auflage des Bundesliga-Klassikers (ab 18.30 Uhr im t-online-Liveticker), der die Fans und Zuschauer in der Vergangenheit über Generationen hinweg immer wieder begeistert hat. Das Duell der beiden großen nationalen Rivalen wird am 27. Spieltag ausgetragen und sollte mitten in der entscheidenden Saisonphase damit eigentlich vorentscheidenden Charakter im Kampf um die Meisterschaft haben.
Die Vorentscheidung um den Titel ist nun allerdings längst gefallen. Weil beide Mannschaften weit hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben sind. Und stattdessen Bayer Leverkusen (70 Punkte) die Tabelle souverän anführt – zehn Punkte vor den zweitplatzierten Bayern (60) und sogar 20 vor dem BVB (50). Ein ungewohntes Bild. Schließlich hieß der Meister in den vergangenen 14 Jahren immer entweder Dortmund (2011, 2012) oder Bayern.
Dass das Duell der beiden Rivalen nun schon längst nicht mehr das entscheidende im Kampf um die Meisterschaft sei, betonte auch t-online-Kolumnist Stefan Effenberg. "Eine enorme Bedeutung hat die Partie aber nach wie vor für beide Teams, vor allem für die Dortmunder", sagte Effenberg.
Effenberg: "Darum geht es für Bayern gegen Dortmund"
Warum? "Der BVB hat den Champions-League-Platz noch längst nicht sicher und muss noch hart darum kämpfen", so Effenberg. Aber auch für Bayern gehe es darum, zu performen. Jetzt komme laut dem ehemaligen Kapitän des Rekordmeisters schließlich "die schönste Phase für jeden Fußballer, wenn die Entscheidungen um die Titel fallen. Da will Bayern auch gegen Dortmund ein gutes Gefühl für die Champions League und das nahende Viertelfinale gegen Arsenal mitnehmen." Das Hinspiel findet am 9. April in London statt, das Rückspiel eine Woche später am 17. in München.
11. Spieltag
Das Kräftemessen zwischen Bayern und dem BVB habe zudem "ohnehin immer eine große Brisanz", so Effenberg. Auch Münchens neuer Sportvorstand sagte bei Sky: "Es geht für beide Teams um viel, dieses Mal nicht um die Meisterschaft. Trotzdem bleibt das Spiel elektrisierend."
"Dortmund hat den größeren Druck, auch mit Blick auf ihr hartes Restprogramm", ist sich Effenberg sicher. Die Borussia muss nämlich nach dem Auswärtsspiel in München auch noch gegen Stuttgart, Leverkusen und Leipzig, also alle Top-Fünf-Teams der Liga antreten. Leipzig liegt in der Tabelle nur einen Punkt hinter dem BVB, Stuttgart bereits sechs Zähler davor. Auch das Erreichen des Minimalziels Champions League ist also längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Das zu verpassen, wäre aus Dortmunder Sicht ein Worst-Case-Szenario. Die Meisterschaft ist für den Fast-Champion der vergangenen Saison ohnehin längst abgehakt und könnte schon nach diesem Spieltag auch rechnerisch endgültig nicht mehr erreichbar sein.
Effenberg: "Bayern schielt noch auf die Meisterschaft"
Und wie sieht das bei den Bayern in Anbetracht der zehn Punkte Rückstand auf Leverkusen aus? "Sie werden schon noch mit einem Auge auf die Meisterschaft schielen", ist sich Effenberg sicher. "Sie werden das sicher nicht sagen und sich da bedeckt halten, aber eine kleine Hoffnung ist nach wie vor da." So und nicht anders kenne er seine Bayern und erinnerte an die Last-Minute-Meisterschaften 2000 und 2001, die er als Spieler selbst miterlebte, und das späte Happy End der Münchner im Meisterdrama im vergangenen Mai am letzten Spieltag in Köln. "Sie werden niemals irgendetwas abschenken, solange die Möglichkeit noch besteht."
Wie das noch funktionieren soll? "Jetzt ist der absolute Druck da, den Bayern kennt, Leverkusen in dem Sinne dagegen nicht", erklärte Effenberg. "Bayer hat jetzt die konkrete Chance auf drei Titel, sie können aber eben auch den ein oder anderen Titel verlieren." So wie eben vor 24 Jahren, als Leverkusen den sicher geglaubten Titel mit einer Niederlage in Unterhaching doch noch verspielte. Die Geburtsstunde des Mythos "Vizekusen", jener Fluch, den die "Werkself" nun endlich durchbrechen will.
Der BVB, der ohne Stammtorhüter Gregor Kobel und Angreifer Donyell Malen anreiste, würde dabei mit einem Sieg in München nur allzu gerne mithelfen. BVB-Chefcoach Edin Terzić sagte: "Wir kommen in die spannendste Phase der Saison. Wir dürfen uns unabhängig von der Stärke des Gegners keine Ausrutscher mehr erlauben." Hoffnung könnte den Dortmundern, die die vergangenen neun Ligaspiele in München verloren, die angespannte Personallage beim Rekordmeister machen.
Neuer verpasst BVB-Duell
Mit Manuel Neuer (Muskelfaserriss), Harry Kane (Sprunggelenkblessur) und Aleksandar Pavlović (Mandelentzündung) mussten gleich drei Münchner Leistungsträger vorzeitig angeschlagen von der Nationalelf abreisen. Mit Raphaël Guerreiro (Muskelfaserriss in der Wade) und Sacha Boey (Muskelbündelriss) verletzten sich zwei weitere Stars. Einzig Kane wird gegen den BVB nun zur Verfügung stehen, wie Chefcoach Thomas Tuchel bei seiner Abschlusspressekonferenz am Karfreitag verriet. Erstmals nach zwei Monaten und einer Knieverletzung kehrt auch Kingsley Coman in den Kader zurück.
"Es sind wichtige Spiele in der Bundesliga mit großer Rivalität und Historie", sagte Tuchel und sprach trotz der ungewohnten Tabellenkonstellation von einem "emotionalen und aufgeladenen Spiel, das wir unbedingt gewinnen wollen." Ein Klassiker eben, wie Tuchel das Spiel explizit nannte. Dessen Wichtigkeit steht für ihn außer Frage. "Wir gehen mit großen Schritten Richtung Saisonendspurt", sagte Tuchel. "Jetzt ist die Phase, in der wir zeigen müssen, was in uns steckt."
In der Champions League, wo es beide als einzige deutsche Mannschaften ins Viertelfinale geschafft haben, ist das Bayern (trifft auf Arsenal) und Dortmund (auf Atlético Madrid) in dieser Saison gelungen. Das Finale findet am 1. Juni in Wembley statt, wo sich die beiden Teams 2013, das Bayern mit 2:1 gewann, schon mal in einem deutschen Endspiel gegenüberstanden. Sich dort noch einmal zu begegnen? "Das wäre eine coole Sache", sagte Hans-Joachim Watzke nach der Auslosung bei Sky. Und definitiv elektrisierender als der am Samstag in München bevorstehende Klassiker.
- Telefongespräch mit Stefan Effenberg
- Aussagen von Thomas Tuchel bei der Pressekonferenz am 29. März
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und SID
- sport.sky.de: "De Zerbi, Nagelsmann, Goretzka: Das große Eberl-Interview"