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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Miro Klose warnt FC Bayern "Davor habe ich Angst"
Vor dem wegweisenden Duell seiner beiden Ex-Klubs Lazio und Bayern macht sich Miroslav Klose große Sorgen um den Rekordmeister. Er vermisst das Selbstverständnis und formuliert eine große Angst.
Miroslav Klose spielte in seiner Karriere sowohl für den FC Bayern als auch für Lazio Rom. Das Duell seiner beiden Ex-Klubs im Achtelfinale der Champions League (am Dienstag ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online) verfolgt er deshalb natürlich mit besonderem Interesse. Beim überraschenden 0:1 der Münchner beim Hinspiel vor knapp drei Wochen war Klose mit in Rom vor Ort und wurde dort vor der Partie von den Fans gefeiert.
Auch das Rückspiel wird er wieder direkt am Spielfeldrand verfolgen und als TV-Experte begleiten. Für die Bayern ist das K.-o.-Duell das wichtigste Spiel dieser Saison, von dessen Ausgang sehr viel abhängen wird. Im Interview mit t-online blickt Klose darauf voraus. Er spricht die Probleme der Münchner schonungslos an und verrät, wovor er jetzt sogar große Angst hat.
t-online: Herr Klose, auf dem Weg zum Hinspiel in Rom, das der FC Bayern mit 0:1 verlor, saßen Sie im Flugzeug neben Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen. Haben Sie ihn denn nicht eindringlich genug vor Lazio gewarnt?
Miroslav Klose: (grinst) Das hätte nichts gebracht. Bis das dann zu den Spielern und dem Trainer durchdringt, hätte er ja noch ein paar Schreibtische weitergehen müssen. Ich wusste aber natürlich, was da auf Bayern in Rom zukommt, auch mit dem Gewicht, was die Fans ausmachen, weil ich ja fünf Jahre da gespielt habe. Gerade im eigenen Stadion konnten sie frei aufspielen. Es musste trotzdem schon vieles perfekt für Lazio laufen, damit so ein Ergebnis zustande kommt. Aber in der Phase, in der sich Bayern gerade befindet, habe ich es auch nicht für unmöglich gehalten.
Was meinen Sie damit genau?
Bayern ist leider in so einer Phase, in der alles mühsam ist, in der sie gegen irgendetwas ankämpfen müssen. Das Selbstverständnis ist ihnen ein bisschen abhandengekommen, als Bayern München irgendwo hinzufahren und zu wissen: Wenn wir unsere Hausaufgaben machen, gehen wir als Sieger vom Platz. Das war in den vergangenen Spielen leider nicht mehr so.
Wie haben Sie persönlich Ihre Rückkehr nach Rom erlebt? Schon vor dem Spiel wurden Sie im Stadion gefeiert …
Ich bin ja regelmäßig da, habe in Rom viele Freunde. Das war immer fantastisch, die Leute und die Fans haben mich immer mit großer Offenheit empfangen. Ich komme immer sehr gerne dorthin zurück. Es ist eine tolle Stadt, ich mag die italienische Küche, die Sprache. Bei dem Duell vor drei Jahren war ich damals noch Co-Trainer bei Bayern, da konnte ich das alles noch nicht so als Fan miterleben. Jetzt war ich als TV-Experte dabei und konnte es wirklich genießen. Ich verfolge beide Mannschaften ja noch sehr intensiv.
Und welchem Ihrer beiden Ex-Klubs drücken Sie nun die Daumen?
Ich habe mich ja schon vorher dazu verlocken lassen, zu sagen, dass ich etwas mehr für Lazio bin. Weil ich dort fünf Jahre war und bei Bayern nur vier. Auf beide Spiele betrachtet, ist Bayern immer noch der klare Favorit. Aber die Chancen für Lazio haben sich nach dem Hinspiel jetzt schon erhöht. Es ist nicht unmöglich, dass sie weiterkommen und Bayern ausscheiden wird, auch wenn das eine Riesenüberraschung wäre.
Immer noch?
Der Anspruch des FC Bayern muss es schon sein, weiterzukommen. Es wird aber sehr spannend im Rückspiel. Denn Lazio hat schon Spieler, die richtig gefährlich für Bayern werden können.
Allen voran Ciro Immobile, oder?
Ja, er hat im Hinspiel das Elfmetertor geschossen, war aber ansonsten aufgrund seiner Verletzung noch nicht so auffällig. Jetzt hat er noch ein, zwei Spiele mehr in den Beinen. Es kann schon gut sein, dass er Bayern jetzt richtig gefährlich wird, mit seiner Präsenz und Torgefahr, die er ausstrahlt. Bei Dortmund und in der Bundesliga hat es damals nicht so funktioniert, wie er sich das vorgestellt hat, umso mehr in Italien. Das hat er vielleicht auch noch irgendwo im Hinterkopf, dass er es jetzt noch mal allen zeigen möchte.
Sie sprachen die schwierige Phase, in der sich der FC Bayern momentan befindet, bereits an. Die Trennung von Thomas Tuchel im Sommer ist nun bereits beschlossen. Welchen Eindruck hat die Mannschaft in den Spielen danach auf Sie gemacht?
Gegen Leipzig hatte Bayern schon wieder eine andere Präsenz auf dem Platz, eine gewisse Dominanz. Das 2:1 war wichtig, um die Möglichkeit auf die Meisterschaft zumindest noch am Leben zu halten. Trotzdem ist es nicht vergleichbar mit dem FC Bayern von vor ein, zwei Jahren. Man spürt, sie sind verwundbar, sie haben ihr Selbstverständnis irgendwie verloren. Das war jetzt auch in Freiburg wieder so. Da muss man aufpassen. Man hört und liest viel, dass im ganzen Verein jetzt Veränderungen passieren sollen. Ein neuer Trainer wird kommen, auch bei der Mannschaft soll es eine Neuausrichtung geben. Da habe ich ein bisschen Angst vor.
15. Spieltag
Freitag, 20.12.
Samstag, 21.12.
Warum?
Dass das nicht Stück für Stück passiert, sondern ein totaler Umbruch folgt und dadurch ein bisschen die Identität verloren gehen könnte. Das ist aber nur mein Eindruck als Außenstehender. Als solcher hat man das Gefühl, dass da irgendwas im Magen sitzt.
Das Achtelfinalrückspiel gegen Lazio ist das wichtigste Saisonspiel für Bayern, von dem jetzt sehr viel abhängt …
Bayern ist eigentlich immer am stärksten, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen. Von 100 Spielen haben sie in diesen Situationen 99 gewonnen. Und jedem war genau das irgendwo klar. Aber dieses Selbstverständnis ist eben nicht mehr da. Und das spürt man auch, die Gegner bekommen zu viele Chancen gegen Bayern. Sie lassen zu viel zu. Die Gegner sehen, dass sie verwundbar sind, und denken sich: Hey, da geht was gegen Bayern. Momentan hat man das Gefühl, die Gegner können sehr oft 30 Meter vorm Bayern-Tor machen, was sie wollen. Das gab es nie. Man muss aber schon auch berücksichtigen, wie viele Verletzte sie haben. Viele Spieler spielen deshalb nicht auf ihren Stammpositionen, es müssen junge Spieler ran, die das auch hervorragend machen, wie zum Beispiel Aleksandar Pavlovic. Ich hoffe trotz allem, dass Bayern jetzt sein wahres Gesicht zeigt.
Im Pokal ist Bayern schon ausgeschieden, in der Meisterschaft zehn Punkte hinter Leverkusen. Die Champions League ist fast schon die letzte Titelchance. Wie realistisch ist die?
Ich glaube, beides, also sowohl die Champions League als auch die deutsche Meisterschaft, wird sehr schwierig umzusetzen sein. Ich glaube nicht, dass Leverkusen noch viele Punkte liegen lassen und sich das noch nehmen lassen wird. Und nach dem Spiel in Rom würde ich momentan auch nicht sagen, dass Bayern Titelfavorit in der Champions League ist. Da sehe ich ManCity und noch andere Mannschaften vorne.
Was würde eine titellose Saison für den Rekordmeister bedeuten?
Ob es am Ende doch noch ein Titel wird oder nicht – dann war es trotzdem eine durchwachsene Saison, und deshalb wird sowieso etwas passieren. Es sind, unter anderem mit Max Eberl, ja schon neue Leute dazugekommen und es wird weitere Veränderungen geben – auf jeden Fall auch innerhalb der Mannschaft. In erster Linie kommt ein neuer Trainer. Ich habe grundsätzlich ein bisschen ein Problem damit, dass Trainer allzu schnell ausgetauscht werden. Als Trainer bekommt man keine Zeit, erst recht nicht bei Bayern München. Dort muss man nicht einfach nur gewinnen, sondern auch mit Dominanz und Überzeugung auftreten – und zwar übers gesamte Jahr. Da darf das Pendel nicht so ausschlagen, wie es das momentan tut.
Unter anderem Xabi Alonso und Zinédine Zidane werden als Kandidaten gehandelt. Was muss der neue Bayern-Trainer jetzt mitbringen?
Er wird vor allem eins brauchen: Zeit. Das kann nicht alles in zwei Wochen funktionieren, wenn an so vielen Stellschrauben gedreht wird. Xabi Alonso macht es in Leverkusen vor. Er wäre ein Glücksgriff, wenn Bayern ihn bekommen würde. Aber auch er muss die Zeit bekommen, um seine Ideen an die Spieler zu vermitteln.
Wäre eine titellose Saison für Harry Kane besonders tragisch?
Für wie viele Jahre hat er bei Bayern unterschrieben?
Für insgesamt vier, bis Sommer 2027.
Dann garantiere ich ihm noch einen Titel (lacht). Auch in diesem Jahr ist theoretisch ja noch ein Titel möglich. Und wenn nicht, wird er den in den nächsten Jahren auf jeden Fall mit Bayern gewinnen. Wie er spielt, was er leistet, wie viele Tore er schießt – das ist schon ganz großes Kino, was er da abreißt. Ich habe ihm 20 bis 25 prognostiziert. Aber der lacht mich ja aus.
In der Bundesliga steht Kane bei 27 Toren, insgesamt bei 31 in 31 Pflichtspielen.
Ich schaue ihm einfach gerne zu. Bayern braucht einen Stürmer wie ihn oder zuvor Robert Lewandowski, der dir eine gewisse Anzahl an Toren garantiert.
Trauen Sie Kane (27 Tore) auch zu, den Torrekord von Lewandowski (41 Tore) in den verbleibenden 11 Spielen direkt wieder zu knacken?
Möglich ist es. Aber so wirklich vorstellen kann ich mir das nicht. Jetzt kommt die knackige Phase der Saison, die Spiele werden ein bisschen enger, es geht um sehr viel. Und Bayern befindet sich ja auch nicht in der allerbesten Verfassung.
Als Sie Bayern 2021 als Co-Trainer verließen, formulierten Sie gewisse Bedenken, was die Entwicklung des Klubs angeht. Sie sagten, dass es Sie nachdenklich mache, wie miteinander kommuniziert werde, betonten die Bedeutung von gegenseitigem Respekt. Hat sich das – aus der Distanz betrachtet – mittlerweile wieder verbessert?
Mir ging es in erster Linie darum, dass man – unten beim Nachwuchs oder oben bei den Profis – Leute holt, die dann, vor allem am Campus, auch auf dem Trainingsplatz stehen wollen. Und nicht noch ein Aufpasser und noch einen Beobachter, die dann alle schauen, ob der Trainer auch alles richtig macht. Keiner will mehr als Trainer auf den Platz, die harte Arbeit machen. Es wird nicht jedes Talent durch die Decke gehen und in der Bundesliga auftauchen. Aber die Kommunikation mit den Jungs, eine Beziehung zu ihnen aufbauen, ist das A und O. Das war für mich damals wichtig, genau wie zum Beispiel für Sebastian Hoeneß, Danny Schwarz oder Martin Demichelis. Unser gemeinsames Ziel war es, unsere Spieler besser zu machen. Und wie bei Jamal Musiala profitieren Bayern München und auch der deutsche Fußball heute davon. Diese Einstellung und Kommunikation darf nicht verloren gehen.
Sie waren Ende des Jahres Trainerkandidat beim 1. FC Kaiserslautern. Dimitrios Grammozis, den der FCK im Dezember dann verpflichtete, wurde mittlerweile schon wieder entlassen und durch Friedhelm Funkel ersetzt. Kam der Job für Sie nun nicht mehr infrage?
Das war kein Thema mehr, weil sich niemand mehr bei mir gemeldet hat. Da wurde viel geschrieben. Ich habe damals aber nur in einem Interview gesagt, dass ich eben auch ein Kandidat war.
Sie fiebern sicher trotzdem mit Funkel und dem FCK mit, dass es noch mit dem Klassenerhalt klappt, oder?
Natürlich. Ich habe fünf Jahre dort gespielt und verfolge das deshalb weiter sehr interessiert. Ich weiß, wie die Fans ticken, wie wichtig der FCK für die Region ist. Das sieht man ja auch an den Zuschauerzahlen. Deshalb ist es unheimlich wichtig, dass der FCK in der zweiten Liga bleibt. Ich drücke auf jeden Fall die Daumen.
Wie sehen Ihre Zukunftspläne jetzt aus? Wann und wo werden wir Sie wieder als Trainer sehen, wäre auch Italien eine Option für Sie?
Definitiv. Da kann ich aber leider nicht in die Glaskugel schauen. Als Spieler konnte ich mehr selbst bestimmen. Als Trainer ist das ein bisschen anders. Da kann ich noch so viele Hausaufgaben machen, Spiele verfolgen, hospitieren. Den ersten Schritt muss der Verein machen und auf mich zukommen. Das ist im Moment leider noch nicht so passiert, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich bin aber davon überzeugt, dass das in naher Zukunft der Fall sein wird. Schauen wir mal, was im Sommer passiert. Ich bin guter Dinge, frei und bereit. Ich könnte sofort loslegen.
- Telefonisches Interview mit Miroslav Klose