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DFB-Legende Inka Grings im Interview: Weibliche Anmut? "Unvorstellbar!"


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Inka Grings
Weibliche Anmut? "Unvorstellbar, dass jemals so gedacht wurde"

  • Noah Platschko
InterviewVon Noah Platschko

Aktualisiert am 31.10.2020Lesedauer: 7 Min.
Inka Grings: Die heute 41-Jährige spielte von 1996 bis 2012 in der Nationalmannschaft.Vergrößern des Bildes
Inka Grings: Die heute 41-Jährige spielte von 1996 bis 2012 in der Nationalmannschaft. (Quelle: Eibner/imago-images-bilder)
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Von 1996 bis 2012 spielte Inka Grings für die Deutsche Nationalmannschaft. Im t-online-Interview blickt sie zurück auf die Zeit beim DFB, den Frauenfußball und die Rückstände unserer Gesellschaft.

Der 31. Oktober 2020 ist ein besonderes Datum im deutschen Profifußball. Heute vor 50 Jahren wurde der Frauenfußball erstmals in die DFB-Satzung aufgenommen. Dieser Tag ist damit die Geburtsstunde, auch wenn Frauenfußball natürlich schon lange zuvor gespielt wurde – nur eben unerlaubt.

Die Aufhebung des Verbots markierte einen Meilenstein in der Geschichte des Frauenfußballs. Doch bis heute kämpfen die Frauen um Anerkennung, Gleichberechtigung und Akzeptanz.

Eine, die die Entwicklung des Verbands von 1996 bis 2012 als Nationalspielerin aus nächster Nähe mitverfolgte, ist Inka Grings. Im Interview mit t-online nimmt die heute 41-Jährige kein Blatt vor den Mund, und sagt: "Die Wertschätzung gegenüber dem Frauenfußball ist in Deutschland nicht überall vorhanden."

Frau Grings, "Im Kampf um den Ball schwindet die weibliche Anmut." So begründete der DFB 1955 sein Verbot für den Frauenfußball. Was schwebt Ihnen durch den Kopf, wenn Sie so etwas lesen?

Inka Grings (41): In erster Linie muss ich darüber schmunzeln, weil man sich sowas heutzutage gar nicht mehr vorstellen kann. Ich denke auch, dass der ein oder andere, der damals solche Sprüche gebracht hat, heute anders darüber denkt. Sowas zu lesen ist skurril. Es ist unvorstellbar, dass jemals so gedacht wurde.

Sie waren selbst von 1996 bis 2012 Nationalspielerin. Was hat sich seit ihrer Zeit als Spielerin beim DFB verändert?

Ich durfte zu einer Zeit Teil der Nationalmannschaft sein, die wirklich sehr spannend war. In Summe muss man sagen, dass es sehr lange gedauert hat, bis beim DFB die Anerkennung für das da war, was man als Frau in der Nationalmannschaft geleistet hat. Ich denke da beispielsweise an die damalige Nationaltrainerin Tina Theune. Was sie alles selbst auswerten musste, mit begrenztem Material, unter erschwerten Bedingungen. Verglichen mit heute, wo ein weitaus größerer Stab zur Verfügung steht, ist das schon interessant zu verfolgen. Sie hat damals Pionierarbeit geleistet.

Bayern-Kapitänin Lina Magull sprach jüngst im Deutschlandfunk von "klaren Prioritäten für den Männerfußball" beim DFB. Der Verband steht aber in der Verantwortung und muss als Vorreiter agieren. Wird er dieser Rolle gerecht?

Ich finde, der DFB hat in den vergangenen Jahren viel in den Frauenfußball investiert. Ja, er muss als Vorreiter agieren, aber die Vereine stehen ebenso in der Verantwortung. Wenn im Klub drei Personen den Job machen, der eigentlich für vier oder fünf Personen vorgesehen ist, dann ist das problematisch und dauerhaft nicht tragbar. In die öffentliche Vermarktung muss viel mehr investiert werden. Da tut sich enorm wenig. Aber das ist noch nicht alles.

Was monieren Sie konkret?

Ich denke zum Beispiel daran, wie wenig ehemalige Spielerinnen nach ihrer Karriere in die Vereinsarbeit mit einbezogen werden und dort tätig sind. Ich wurde in 16 Jahren in Duisburg beispielsweise nie gefragt, ob ich mir einen Anschlussvertrag im Klub vorstellen kann. Ehemalige Spielerinnen zu involvieren, wie eine Kim Kulig in Frankfurt zum Beispiel als Trainerin der zweiten Mannschaft: mehr Identifikation geht doch nicht.

Auch diese Entwicklung im Frauenfußball erkenne ich nicht. Bei den Männern wird dieser Faktor immer mehr berücksichtigt und erkannt. Warum das Rad neu erfinden? Ich breche mir keinen Zacken aus der Krone, wenn ich mir bei anderen Vereinen oder Verbänden gute Beispiele abgucke und adaptiere.

Die bereits angesprochene Lina Magull begrüßt die Fusion von Frauen- mit Männervereinen, wie sie bei Eintracht Frankfurt vollzogen wurde. Wie stehen Sie zu dem Thema?

Ich bin zu 100 Prozent bei ihr. Das geht nur so. Die ganzen Möglichkeiten, die ein Männerklub zu bieten hat, steigern die Attraktivität des Klubs und der Liga enorm. Solche Partnerschaften sind fantastische Signale für den Frauenfußball, weil dadurch auch die Qualität und das Niveau innerhalb des Vereins zunimmt.

Schauen Sie trotzdem neidisch ins Ausland, wo solche Kooperationen schon seit Jahren besser und professioneller ablaufen?

Natürlich denke ich mir manchmal, dass in dem ein oder anderen europäischen Land der Wille zu investieren größer ist. Es wird in vielen Bereichen professioneller gearbeitet, insbesondere in England. Im Mentalbereich, im Athletikbereich, auch auf der Trainerposition. Man muss bereit sein, zu investieren, denn gute Qualität kostet. Punkt. Und da kann und muss Deutschland aufholen.

Welche Schlüsse haben Sie aus der WM im vergangenen Jahr gezogen, bei der die Nationalmannschaft im Viertelfinale ausschied?

Wenn du nicht bereit bist, einen anderen, professionellen Weg zu gehen, wirst du langfristig international keine Chance haben. Mit Martina Voss-Tecklenburg hat der DFB eine Person gefunden, die genau diesen Weg geht.

War die WM in Summe ein ernüchterndes Eingeständnis?

Das Turnier hat kaum jemand wahrgenommen. Wie wenig deutsche Zuschauer, auch im Vergleich zu den Niederländern, im Stadion waren, das war erschreckend. Da sind andere Länder viel weiter als wir, weil sie dem Sport eine andere Wertschätzung entgegenbringen.

Seit Jahren heißt es, dass sich “was ändern muss”. De facto ändert sich aber nichts oder nur sehr wenig und langsam. Drehen wir uns im Kreis?

Man darf sich nicht belügen und muss klar festhalten: Die Wertschätzung gegenüber dem Frauenfußball ist in Deutschland nicht überall vorhanden. Spiele zu attraktiven Sendezeiten zu zeigen, sie groß anzukündigen: das hat mit Wertschätzung zu tun. Um es charmant zu sagen: Es ist alles noch ausbaufähig.

Warum ist das so?

Ich weiß es nicht. Wenn nicht jetzt, wann dann, heißt es immer. Ich glaube, die Probleme liegen tiefer. Der Mensch ist so gepolt, dass er sich sagt: Warum was tun, wenn doch alles ok ist. Er ist dann bereit, etwas zu verändern, wenn er unter Druck steht. Da trennt sich die Spreu vom Weizen, wer über den Tellerrand schaut und wer nicht. Wer innovativ ist, mutig ist und sich informiert und austauscht mit Vereinen und Verbänden, mit Kollegen und Kolleginnen, der wird weiterkommen, sich entwickeln und erfolgreich arbeiten.

Wen nehmen Sie da in die Pflicht?

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Verband, Vereine, aber auch die Medienschaffenden. Die übertragenden Sender wie ARD, ZDF oder auch Eurosport. Du musst von dem Produkt überzeugt sein, das du vermarktest. Und da sehe ich nicht, dass es mit absoluter Überzeugung verkauft wird. Es kann doch nicht sein, um mal ein Beispiel zu nennen, dass man in Köln lebt, aber nichts davon mitbekommt, dass das DFB-Pokalfinale der Frauen stattfindet. Das ist doch irrsinnig. Aber ich appelliere auch an die Gesellschaft.

Ist unsere Gesellschaft rückständig?

Nicht unbedingt rückständig. Das hieße ja, dass wir mal "weiter" waren in unserem Denken. Ich finde eher, dass es immer noch ein "Kampf der Überzeugung und der Intelligenz" ist. Im 21. Jahrhundert befassen wir uns immer noch damit, dass es bei Mann und Frau trotz gleichen Alters, gleicher Ausbildung oder des gleichen Berufs bis zu 40% Gehaltsunterschied gibt. Dass wir eine Frauenquote anwenden müssen und Frauen, die für eine bestimmte Position infrage kommen und dafür geeignet sind, eine Chance erhalten.

Unsere Gesellschaft ist lange noch nicht so tolerant und freundlich, wie einige denken. Aber ich bin davon überzeugt, dass sich die Generationen verändern – es viele Menschen gibt, die sehr lautstark kämpfen –, wir uns als Gesellschaft weiterentwickeln und den Menschen mit seinen Qualifikationen, mit seiner Persönlichkeit sehen und nicht das Geschlecht im Vordergrund. Ich glaube an das Gute. Uns geht es eigentlich gut. Ich bin dankbar, in Deutschland zu leben. Aber was die Gleichberechtigung angeht, sind wir im Vergleich zu anderen Ländern ganz weit unten in der Tabelle.

Gab es für Sie ein einschneidendes Erlebnis, das das offengelegt hat?

Ich habe mir über dieses Thema eigentlich nie Gedanken gemacht. Der Sport war der Sport. Aber als ich meinen Trainerschein gemacht habe und mir einer dumm kam, habe ich mich schon gefragt: Krasse Sache, wer glaubst du eigentlich, wer du bist? Da habe ich ihm klar meine Meinung gesagt – danach war gut.

Weil Sie das Thema Trainer ansprechen: In der Frauen-Bundesliga trainieren derzeit fast nur Männer.

Mit Nora Häuptle vom SC Sand gibt es derzeit nur eine Trainerin. Vielleicht muss man auch hier über eine Frauenquote nachdenken, aber auch, wie Frauen in dem Bereich gefördert werden könnten. Oftmals wirst du so erzogen, dass ein Beruf oder Studium normal und für selbstverständlich gehalten wird. Aber auch da wiederhole ich mich: Auch da sind Trainerinnen und Trainer, Vereine und auch der Verband mit in der Verpflichtung. Darauf zu achten, wen ich vor mir habe, und zu bewerten, welche Fähigkeiten eine Spielerin mitbringt. Zu erkennen, ob sie vielleicht eine tolle Trainerin werden kann, weil sie Qualitäten an den Tag legt, die man fördern sollte.

Um zum Schluss nochmal zum Thema DFB zu kommen: Welches Erlebnis aus der Zeit bei der Nationalmannschaft ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

Ich war einfach unfassbar stolz, für die Nationalmannschaft zu spielen. Für mich ist und war das das Größte. Mit den besten Spielerinnen zu trainieren und zusammenzuspielen war immer die geilste Zeit! Dazu die großartigen Reisen und Turniere. Wer im Leistungssport tätig ist, muss das klare Ziel Nationalmannschaft haben. Wenn du auf dem Platz stehst und die Nationalhymne hörst, das macht dich stolz. Ich war es immer.

Bei den Herren spielten zuletzt Spieler, die in ihren Klubs nur auf der Bank saßen.

Die Situation ist derzeit coronabedingt sicher eine andere. Auch bei dem Spiel gegen die Türkei war es noch schwieriger, da zeitgleich die U21 unterwegs war, aus der man Perspektivspieler hätte einsetzen können. Nichtsdestotrotz ist es für mich nicht nachvollziehbar, Spieler auflaufen zu lassen, die auf Vereinsebene keine Rolle spielen – aus welchen Gründen auch immer. Ich gönne wirklich jedem Spieler dieses Erlebnis, denn es ist einmalig und die Jungs haben mit Sicherheit alles gegeben. Aber ob sich Joachim Löw und der DFB damit einen Gefallen getan haben, weiß ich nicht.

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