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Zum journalistischen Leitbild von t-online.DFB-Team vor Ungarn gewarnt Vorsicht vor diesem 70-Millionen-Mann
Dominik Szoboszlai ist der alles überragende Spieler bei Ungarn. Der Ex-Leipziger sorgte zuletzt in der Premier League für Furore. Deutschland sollte gewarnt sein.
Ein solches "taktisches Missverständnis" wie beim 1:3 gegen die Schweiz möchte Ungarns Nationaltrainer gewiss nicht noch einmal sehen. Nach der Pleite in Köln war der 59-jährige Italiener, der auf den Tag genau seit sechs Jahren die Verantwortung für die Magyarok trägt, frustriert mit der Leistung einiger seiner Spieler, aber auch mit seiner eigenen Performance. Zumindest nahm Marco Rossi eine Teilschuld auf sich und ließ zugleich die Öffentlichkeit wissen, dass er jeden für das Spiel gegen Deutschland "dazu herausfordert, einen ungarischen Forint auf uns zu wetten".
Angesichts des Spielverlaufs gegen die Schweizer Nati wäre es in der Tat verwegen, den Ungarn nennenswerte Chancen gegen ein vor Selbstbewusstsein strotzendes DFB-Team einzuräumen. Zumal der Auftakt recht untypisch für das ungarische Team war, hat es sich doch in der jüngeren Vergangenheit zu einer offensiv-denkenden Einheit entwickelt. Als Rossi seinen Posten im Jahr 2018 antrat, war der Italiener noch recht traditionell auf defensive Stabilität geeicht: hinten die Räume dichtmachen und davor auf die Konterstärke von ein paar Offensivkönnern hoffen. Mittlerweile hat sich das ungarische Spielsystem doch ein Stück weit verändert.
70-Millionen-Wechsel von Leipzig nach Liverpool
Diese Veränderung hat auch mit Dominik Szoboszlai zu tun. Der in Székesfehérvár geborene Mittelfeldakteur schaffte nach einigen Anlaufschwierigkeit seinen Durchbruch bei RB Leipzig, ein 70-Millionen-Euro-Wechsel zu Liverpool folgte, wo Szoboszlai an der Seite des argentinischen Weltmeisters Alexis Mac Allister so richtig durchgestartet ist. Folglich wollte Rossi seinen Star nicht nur als Konterspieler nutzen und zugleich das eine oder andere Offensivtalent wie beispielsweise Freiburgs Roland Sallai besser zur Geltung bringen.
Pl. | Mannschaft | Sp. | S | U | N | Tore | Diff. | Pkt. | Form → | ||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Deutschland | 3 | 2 | 1 | 0 | 8:2 | +6 | 7 | |||
2 | Schweiz | 3 | 1 | 2 | 0 | 5:3 | +2 | 5 | |||
3 | Ungarn | 3 | 1 | 0 | 2 | 2:5 | -3 | 3 | |||
4 | Schottland | 3 | 0 | 1 | 2 | 2:7 | -5 | 1 |
Deshalb transformierte Rossi das Spielsystem des Nationalteams. Er stützte sich dabei ein Stück weit auf Prinzipien des sogenannten "Relationism". Dieser ist anders als das von Pep Guardiola und vielen anderen geprägten Positionsspielen nicht nur auf der Besetzung bestimmter Spielfeldzonen basiert, sondern dafür sorgen möchte, dass Verbindungen zwischen Spielern bestehen, damit sie bei eigenem Ballbesitz entsprechend ins Kombinationsspiel kommen. Teilweise wird diese Fußball-Philosophie etwas überhöht diskutiert, aber gewisse Prinzipien lassen sich bei einigen Trainern erkennen. Wie eben bei Rossi.
So kann Deutschland Ungarn knacken
Als Folge spielt sein Team an guten Tagen ein flexibles Angriffsspiel mit Szoboszlai als universeller Schaltzentrale, denn der Liverpool-Star ist sowohl am Spielaufbau als auch am Finalisieren von Angriffen beteiligt. Zuweilen wirkt es so, als würde er zu viele Aufgaben übernehmen, aber Szoboszlai steht nun einmal mit seiner individuellen Ausnahmeklasse über dem Rest des Teams – bei allem Respekt vor Sallai oder auch Union Berlins András Schäfer. Für gegnerische Teams geht es entsprechend darum, Szoboszlai so gut wie möglich aus dem Spiel zu nehmen und das Kombinationsspiel um ihn herum zu unterbinden.
Nimmt man Ungarn den Ballbesitz weg, wie es den Schweizern gelang, bleibt ein recht durchschnittliches Team zurück, das Schwierigkeiten hat, variable Angriffe zu verteidigen. Deutschland könnte ähnlich wie die Schweiz mit positionellen Rochaden für Verwirrung in der ungarischen Defensive sorgen. İlkay Gündoğan hat schon gegen Schottland mit ballfernen Läufen für Raum im offensiven Zentrum gesorgt.
Am Mittwochabend wird es für den DFB-Kapitän darum gehen, dass er über halbrechts wenigstens einen Gegenspieler, wahrscheinlich Hoffenheims Attila Szalai, an sich bindet und diesen entweder nach außen oder ins Mittelfeld rauszieht. Schon würden sich Freiräume für Jamal Musiala oder Florian Wirtz – je nachdem, wer gerade über die rechte Seite anläuft – ergeben. Kai Havertz könnte mit seinen Rückfallbewegungen ins Mittelfeld Ähnliches auf der halblinken Seite schaffen.
Deutschland hat aufgrund seiner offensiven Viererreihe genügend Kreativität und Flexibilität, um Ungarns Defensive auszuhebeln. Man würde Rossis Team ein Stück weit mit seinen eigenen Waffen schlagen.
- Eigene Beobachtungen und Einschätzungen