Champions-League-Finale Liverpool wütend: Streit um Schuldfrage nach Einlasschaos
Paris (dpa) - Nach dem Chaos beim Einlass vor dem Finale der Champions League in Paris verschärfen sich die gegenseitigen Schuldzuweisungen.
Liverpools Bürgermeisterin kritisierte das Vorgehen der französischen Polizei mit Tränengas gegen britische Fans als "überaus widerlich", Frankreichs Sportministerin sieht hingegen die Verantwortung vor allem bei Anhängern des FC Liverpool. Die Aufarbeitung der Vorfälle rund um den 1:0-Sieg von Real Madrid im Königsklassen-Endspiel dürfte noch einige Zeit in Anspruch nehmen, auch die Europäische Fußball-Union UEFA ist gefordert.
Der Verband gab bekannt, dass die Vorkommnisse rund um den Zuschauereinlass von einem externen Experten-Team aufgearbeitet werden. Die UEFA hat einen unabhängigen Bericht in Auftrag gegeben, der unter Leitung des ehemaligen portugiesischen Bildungs- und Sportministers Tiago Brandão Rodrigues erstellt wird. Nach Abschluss und Veröffentlichung des Berichts würden nächste Schritte bewertet, so die UEFA.
"Bei der umfassenden Überprüfung werden Entscheidungsfindung, Verantwortung und Verhalten aller am Finale beteiligten Stellen untersucht", teilte der Verband mit. Um die Unabhängigkeit zu wahren, werde Brandão Rodrigues die Aufgabe unentgeltlich wahrnehmen.
Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin verteidigte derweil das Handeln der Polizei. "Die getroffenen Entscheidungen haben Tote verhindert", sagte er nach Beratungen mit Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra und weiteren Verantwortlichen. "Mit dem Aufheben der äußeren ersten Zugangskontrolle habe man verhindert, dass Menschen zerquetscht worden seien", erklärte Darmanin.
Anderson: Polizei "wirklich brutal"
Dagegen klagte Liverpools Bürgermeisterin Joanne Anderson, die selbst im Stade de France war, in der BBC, die Polizei sei "wirklich brutal" vorgegangen. Zudem sei die Organisation des Fußballspiels "chaotisch" gewesen. Die Liverpool-Anhänger müssten eine Entschuldigung erhalten. "Unsere Fans wurden in Bezug auf ihr Verhalten stereotypisiert. Ich werde immer wütender, je mehr Geschichten ich höre", sagte Anderson. "Fans müssen mit mehr Respekt behandelt werden."
Zuvor hatte die Bürgermeisterin (Labour-Partei) bereits angekündigt, sie werde bei der britischen Außenministerin Liz Truss Antworten der UEFA und beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron eine Untersuchung der Vorfälle einfordern. "Es ist eine Schande, den Fans die Schuld zu geben", twitterte Anderson.
Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra erklärte hingegen, 30.000 bis 40.000 Menschen seien ohne Ticket oder mit gefälschten Tickets zum Stade de France gedrängt und hätten dort für massive Sicherheitsprobleme gesorgt. Geklärt werden müsse noch, wo die gefälschten Tickets in derart hoher Zahl herkamen, sagte die Ministerin am Montag dem Sender RTL in Paris. Sie warf dem FC Liverpool zudem vor, sich anders als Real nicht gut um die Begleitung seiner Fans gekümmert und diese sich selber überlassen zu haben.
Einsatz von Tränengas
Die Ministerin bedauerte den Einsatz von Tränengas, von dem auch unbeteiligte Fans, Familien und Kinder betroffen waren. Aus dem Geschehen vom Samstagabend müssten alle Lehren gezogen werden, auch in Hinblick auf die Rugby-Weltmeisterschaft 2023 und die Olympischen Spiele 2024 in Frankreich.
Die Polizei in Paris registrierte rund um das Finale mehr als 100 Festnahmen und 230 Verletzte. Die UEFA erklärte das Chaos beim Einlass durch das hohe Aufkommen von Fans ohne gültige Tickets. Die Drehkreuze am Eingang für Liverpool-Fans seien blockiert gewesen, weil Tausende Anhänger mit gefälschten Tickets diese nicht passieren konnten. Die Polizei setzte Tränengas ein. Die Anstoßzeit wurde um mehr als eine halbe Stunde verschoben. Fanvertreter kritisieren eine einseitige Darstellung der UEFA.
"Die Fans sind hier die Opfer eines Versagens der Organisation und sicherlich nicht die Schuldigen", sagte Ronan Evain vom Fanbündnis Football Supporters Europe (FSE) der ARD-"Sportschau". "Sie tragen keine Verantwortung für das Fiasko."