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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Lucas Moura Das ist der Mann, der für das Wunder von Amsterdam sorgte
Harry Kane, Dele Alli, Heung-min Son. Die Stars bei Tottenham sind klar. Doch gegen Ajax wurde ein anderer zum Helden: Lucas Moura. Dabei ist er das Scheinwerferlicht nicht gewohnt.
Umgerechnet mehr als 1,6 Milliarden Euro investierten die Premier-League-Klubs im vergangenen Sommer in neue Spieler. Tottenham Hotspur? Nicht einen Cent. Auch im Winter gab es keinen Neuzugang für Trainer Mauricio Pochettino.
Der letzte Einkauf der Spurs datiert vom 31.01.2018 und heißt Lucas Moura. 28,4 Millionen Euro kostete er damals, als er von Paris Saint-Germain nach Nord-London wechselte. Sein Trainer in Frankreich, Unai Emery, hatte ihn aussortiert. Mit großem Selbstvertrauen kam Lucas Moura nicht nach England.
Um Tische und Stühle gedribbelt
Und auch bei Tottenham bekam er zu Beginn nicht viel Spielpraxis. In der Rückrunde lief er nur sechsmal in der Premier League auf, stand dabei aber nur zweimal in der Startelf. Es sah so aus, als würde er auch in London nicht zu dem werden, der er werden sollte. Denn Lucas hatte ursprünglich eine große Karriere vor sich.
Aufgewachsen ist er in Sao Paulo, einer Metropole im Osten Brasiliens. "Als ich ein Kind war, habe ich zuhause trainiert und um Tische und Stühle gedribbelt. Ich habe Tage in unserem Hinterhof mit meinem Bruder und meinem Cousin verbracht", erzählte er der "FourFourTwo". Seine Qualitäten im Dribbling fielen auch den Scouts vom FC Sao Paulo auf. Beim größten Verein der Region unterschrieb er seinen ersten Profivertrag.
"In Brasilien kannte jeder sein Potenzial"
Lucas galt als einer, der ein ganz großer werden sollte. Nicht wenig sagten, dass er besser werden würde als Neymar. Mit 20 Jahren schaffte er dann den Sprung nach Europa. Knapp 40 Millionen Euro zahlte Paris Saint-Germain für Lucas, der ein bisschen Anlaufzeit brauchte. Schnell wurde er zu einer wichtigen Figur in Frankreich, erkämpfte sich im WM-Jahr einen Stammplatz bei PSG.
Doch der Schock saß tief, als Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari ihn 2014 nicht für die Heim-WM nominierte. Damit hatte Lucas, der sich in Europa einen Namen gemacht hatte, nicht gerechnet. Die als so groß erwartete Karriere von Lucas Moura bekam ihren ersten Knick. "Er war nur noch in der zweiten Reihe hinter Spielern wie Neymar, Coutinho oder Willian. In Brasilien kannte jeder sein Potenzial, aber auf seiner Position gab es einfach zu viel Konkurrenz", berichtet der brasilianische Journalist Bernardo Cruz t-online.de.
Der Weg zurück
Von nun an kämpfte Lucas um die Anerkennung in seiner Heimat und besonders in der Nationalmannschaft, von der er dachte, dass er sie eigentlich hätte. In der Folgesaison ließen seine Leistungen etwas nach, dazu kam die erste längere Verletzung. Fast zwei Monate fehlte er Paris und war nach seiner Genesung kein unangefochtener Stammspieler mehr. Nicht nur in der "Selecao", auch im Verein ging es etwas bergab.
Doch Lucas kämpfte sich zurück und war 2015/16 wieder gesetzt in Paris. Dazu feierte er auch nach rund zwei Jahren Pause wieder sein Comeback in der Nationalmannschaft. Viele Länderspiele sollten nicht mehr hinzukommen. Seit 2015 sind es vier an der Zahl. Der längste Einsatz ging über 45 Minuten. In der vergangenen Saison verlor er dann auch bei PSG seinen Stammplatz.
Die Nacht von Amsterdam
"Er hatte immer wieder mit kleineren Verletzungen zu kämpfen. Das war schlimm für ihn", erklärt Cruz und ergänzt: "Er verlor an Tempo, seiner größten Stärke." Lucas brauchte einen Wechsel und ging zu Tottenham. Bei den Spurs ist er in dieser Saison wichtiger denn je. Denn während Harry Kane verletzt fehlte, war es oft Lucas, der im Sturmzentrum spielte. Er fand zu alter Form und alter Geschwindigkeit zurück und war ein Fixpunkt im Spiel der Spurs.
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Wie wichtig der 26-Jährige sein kann, zeigte das Rückspiel im Champions-League-Halbfinale. Mit seinem Hattrick in der zweiten Halbzeit in Amsterdam führte er Tottenham im Alleingang ins Finale. Von seinem Trainer gab es das größte Lob: "Ich habe immer gesagt, dass meine Spieler Helden sind. Jetzt sind sie Superhelden", sagte Mauricio Pochettino: "Und Lucas Moura ein Supersuperheld." Mittelfeldspieler Christian Eriksen erklärte: "Ich hoffe, sie bauen ihm eine Statue in England."
Tränen nach dem Spiel
Wie groß die Last ist, die von seinen Schultern fiel, konnte man nicht nur bei seinem Torjubel nach dem dritten Tor sehen. Nach dem Spiel zeigten ihm Journalisten ein Video mit dem brasilianischen Kommentar seines dritten Treffers. Lucas brach in Tränen aus.
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Endlich. Endlich hatte er auf der großen Bühne, vor den Augen aller Menschen, zeigen können, was er kann. Bei den Weltmeisterschaften 2014 und 2018 wurde es ihm verwehrt. Zumindest für diese eine Nacht war er Brasiliens größter Held. Beim Finale in Madrid kann er es schaffen, dass es nicht die einzige war.
- Eigene Recherchen
- Interview bei "FourFourTwo" (engl.)