Mehr als 150 Journalistinnen und Journalisten berichten rund um die Uhr für Sie über das Geschehen in Deutschland und der Welt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.FC Bayern in Manchester So hat man Tuchel noch nie erlebt
Nach dem Bundesliga-Debakel in Frankfurt gelingt den Bayern in Manchester die Wiedergutmachung. England-Rückkehrer Kane steht im Mittelpunkt und lässt den Rekordmeister wieder von Großem träumen.
Aus Manchester berichtet Julian Buhl
Dick eingepackt mit Handschuhen und langen Trainingsshirts absolvierten die Spieler, die beim 1:0-Sieg der Bayern gegen Manchester United nur kurz oder gar nicht zum Einsatz gekommen waren, noch ein paar Sprints übers Spielfeld.
Der Bayern-Fanblock war – im Gegensatz zu den ansonsten bereits komplett leeren Zuschauertribünen des Old-Trafford-Stadions – noch voll besetzt. Also feuerten die Fans Thomas Müller, Mathys Tel und Co. bei ihren Sprints an und jubelten jedes Mal, wenn sie auf ihrer Seite des Stadions ankamen.
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen X-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren X-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Auch Harry Kane verfolgte das launige Nachspiel zumindest aus den Augenwinkeln. Nach seiner gelungenen ersten Rückkehr mit dem FC Bayern in sein Heimatland stand der im Sommer aus Tottenham nach München gewechselte Starstürmer freilich auch noch lange nach der Partie im Mittelpunkt. In etlichen TV-Interviews beantwortete er am Spielfeldrand geduldig die Fragen.
Kane: "Mehr Leidenschaft, mehr Feuer, mehr Energie"
Die einstelligen Temperaturen und der leichte Nieselregen schienen ihn dabei nicht weiter zu stören. Der 30-Jährige war offenbar noch immer auf Betriebstemperatur und stand im kurzärmeligen Trikot auf dem Rasen. "Wir haben vor dem Spiel darüber gesprochen, dass wir hier mehr Leidenschaft, mehr Feuer, mehr Energie zeigen müssen", sagte Kane bei Amazon Prime und strahlte all das auch nach Spielende weiter aus.
Das hatte er bereits in den vorangegangenen 90 Minuten auf dem Platz getan, auch wenn er dabei ohne eigenen Treffer geblieben war. Auch seinetwegen war den Bayern die Wiedergutmachung nach der ebenso überraschenden wie deutlichen 1:5-Niederlage am Samstag in Frankfurt gelungen.
Schon nach 20 Sekunden tauchte er zum ersten Mal gefährlich im Strafraum auf, ließ seinen ersten Torschuss wenig später folgen (10. Minute). Er arbeitete viel nach hinten. Und er stellte Uniteds Alejandro Garnacho energisch zur Rede, nachdem der Kingsley Coman in die Werbebande geschleudert hatte (24.).
Coman kündigte Kanes Vorlage an
Auch beim Tor der Bayern hatte Kane Coman perfekt assistiert und den Ball gedankenschnell zu ihm durchgesteckt (71.). Das hatte der Siegtorschütze bereits zuvor quasi angekündigt und bei "Sky Sport" in den höchsten Tönen von genau dieser besonderen Qualität seines Mitspielers geschwärmt.
Kane habe schon viele Tore für Bayern geschossen, "aber er gibt auch verrückte, schöne Pässe". Kane sei "nicht so egoistisch" wie die meisten Mittelstürmer, mit denen er bislang zusammengespielt habe, sagte Coman, der Robert Lewandowski und Karim Benzema als prominenteste Beispiele nannte. "Der Unterschied ist, dass er mehr ein Teamplayer ist."
Auch Teamkollege Leroy Sané nannte Kane einen "Wahnsinns-Spieler und es macht Riesenspaß, mit ihm zusammenzuspielen. Wir ergänzen uns sehr gut, das ist fast ein blindes Verständnis." Kane spiele "wirklich sehr oft auch den letzten oder vorletzten Pass, das macht er überragend". In 20 Pflichtspielen hat Kane nicht nur schon 22 Tore erzielt, sondern auch 8 Treffer direkt vorbereitet.
Bayern träumt vom Champions-League-Titel
Auch dank ihm meldeten sich die Bayern nach dem Debakel in Frankfurt in Manchester eindrucksvoll zurück. Dort blieben sie auch im 40. Gruppenspiel der Champions League ungeschlagen und gewannen dabei ihr neuntes Auswärtsspiel in Folge. Gleich zwei ausgebaute Rekorde, die das bayerische Selbstbewusstsein nach der Schmach von Frankfurt sofort wieder ins Extrem steigerten.
6. Runde
Dienstag, 10.12.
"Wir haben die Gruppenphase bravourös bestanden und gezeigt, dass wir einer der großen Klubs sind, die zurecht Ambitionen auf den Sieg in der Champions League haben", sagte Vorstandschef Jan-Christian Dreesen bei seiner Bankettrede im Festsaal des noblen Kimpton Clocktower Hotels vor der Mannschaft und den dorthin geladenen Fans und Sponsoren. Dort feierte der Bayern-Tross bei gebratenem Seebarsch und Putenbrust Ballotine den Sieg.
Tuchel feiert ausgelassen wie nie
Auch Trainer Thomas Tuchel konnte man dabei am Tisch der Bosse ausgelassen wie noch nie beobachten. Strahlend verteilte er ein Küsschen an seine mitgereiste Lebensgefährtin Natalie. "Es hat Spaß gemacht", sagte er zuvor bei Amazon Prime. "Das war vom Team-Level auf dem höchsten Niveau, unser bestes Spiel in der Gruppenphase."
Man habe laut Tuchel nun "die Pflicht erfüllt". Jetzt folgt die Kür, die in den vergangenen drei Jahren jeweils frühzeitig im Viertelfinale für Bayern endete. Vor der Achtelfinalauslosung am Montag im schweizerischen Nyon fühlen die Münchner sich jetzt offenbar bereit für den ganz großen Wurf.
"Wir haben genügend Qualität, um in diesem Wettbewerb weit zu kommen." So formulierte auch Kane beim britischen Sender TNT Sport Titelansprüche. "Das ist das Ziel, die Champions League zu gewinnen."
Kanes großer Wembley-Traum
Dass genau das sein großer "Traum" sei, hatte Kane bereits bei seiner Ankunft in München gesagt, "und in Wembley wäre es noch spezieller für mich." Seinem "Wohnzimmer", wie der langjährige Londoner und Kapitän der englischen Nationalmannschaft es nannte.
Im Theatre of Dreams, dem Theater der Träume, wie die altehrwürdige Arena in Manchester passenderweise auch genannt wird, ist er seinem ganz großen Traum nun auch räumlich zumindest schon mal etwas näher gekommen. "Manchester war echt 'ne Reise wert", sagte Dreesen. Rückkehr auf die Insel nicht ausgeschlossen – am liebsten im Juni.
"Wir streben mit aller Macht ins Wembley-Stadion", hatte Dreesen bereits Anfang November den Mitgliedern auf der Jahreshauptversammlung zugerufen. Kane könne Bayern auf dem Weg dorthin freilich sehr helfen, erklärte er damals im Gespräch mit t-online: "Das größte Ziel wäre es für ihn, dort dann im Finale zu stehen. Das muss man sich mal vorstellen, das wäre echt unglaublich."
Kapitän Manuel Neuer würde Kane dabei sicher nur allzu gern helfen und ihn begleiten. Mit unserer Mannschaft", sagte Neuer nach dem Sieg in Manchester, "können wir alles erreichen", auch "das große Ziel". "Harry steht mit seinen Toren für sich", so Neuer weiter, der Kane als Fixpunkt einer neuen bayerischen Erfolgsachse aufzählte.
Die wichtigere Wiedergutmachung steht noch aus
Die war in Frankfurt zuletzt allerdings komplett zusammengebrochen. Und wird schon am Sonntag, wenn mit dem VfB Stuttgart das momentan formstärkste Bundesligateam in München zu Gast sein wird, auf die nächste, harte Probe gestellt werden. Nach dem für die bereits zuvor fürs Achtelfinale qualifizierten Münchener sportlich bedeutungslosen Spiel in Manchester folgt damit für Bayern der zweite, deutlich wichtigere Teil ihrer Mission Wiedergutmachung.
Kane dürfte auch dabei ganz besonders motiviert sein. Schließlich hat er in seiner Karriere bislang noch keinen einzigen Titel gewonnen. Das Heimspiel gegen Stuttgart ist im Kampf um die Meisterschaft nun zumindest ein sehr wegweisendes. Und dieser Titeltraum soll – nach dem überraschenden Pokal-Aus der Bayern beim Drittligisten Saarbrücken – schließlich nicht auch noch frühzeitig platzen.
- Eigene Beobachtungen vor Ort in Manchester
- Mixed-Zone-Gespräch mit Manuel Neuer
- Aussagen von und Gespräch mit Jan-Christian Dreesen bei der Jahreshauptversammlung
- Aussagen von Harry Kane bei Amazon Prime und TNT Sport
- Aussagen von Kingsley Coman bei Sky Sport
- Aussagen von Leroy Sané in der "Sport Bild" vom 13. Dezember