Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Transfer-Theater um Lewandowski Soll er doch
Robert Lewandowski möchte den FC Bayern trotz laufenden Vertrags verlassen und setzt den Rekordmeister immer mehr unter Druck – glaubt er zumindest. Dabei haben die Münchner schon jetzt gewonnen.
Acht Jahre beim FC Bayern München. 374 Spiele. 344 Tore. Ein Champions-League-Sieg, acht deutsche Meisterschaften, drei Siege im DFB-Pokal, zwei Auszeichnungen zum Weltfußballer. Das ist die atemberaubende Bilanz von Robert Lewandowski im Trikot des deutschen Rekordmeisters.
Und wenn es nach dem Angreifer selbst geht, kommt da nichts mehr hinzu. Kein Spiel, kein Tor, kein Titel. "Meine Geschichte beim FC Bayern ist vorbei", erklärte Lewandowski auf einer Pressekonferenz der polnischen Nationalmannschaft am Montag. "Eine weitere Zusammenarbeit kann ich mir nicht vorstellen."
Dem Vernehmen nach vor allem aus gekränktem Stolz will "Lewy" die Münchner verlassen, noch vor Ablauf seines Vertrags, der bis 30. Juni 2023 läuft. Ein Angebot zur Verlängerung habe er nicht erhalten, beklagte Lewandowski zuletzt, und überhaupt sei ihm Berichten zufolge das Verhalten der Klubführung in den vergangenen Monaten übelst aufgestoßen. Millionenfach mehr Wertschätzung soll ihm hingegen der vor wenigen Monaten noch kurz vor dem Bankrott stehende FC Barcelona geboten haben. Er hoffe nun, erklärte der Angreifer weiter, die Bayern würden ihn nicht behalten, "nur weil sie es können. Ein Transfer ist für alle Seiten die beste Lösung."
Die Bayern haben jedes Recht, Lewandowski zu halten
Und genau hier erliegt Robert Lewandowski einem fatalen Irrtum – es ist der größte Fehlschuss seiner Karriere. Denn der FC Bayern kann seinen abwanderungswilligen Stürmer eben doch behalten – und das nicht nur, weil er vertraglich jedes Recht dazu hat. Auch, weil die Bayern ihn behalten sollten. Mehr noch: Weil die Bayern ihn behalten müssen.
Die Münchner haben nun eine einmalige Chance, ein Exempel zu statuieren. Jetzt kann die Waagschale wieder ausgeglichener in Richtung der Vereine austariert werden – und die jüngst immer überdimensioniertere Macht der Spieler und ihrer mitunter windigen Berater wäre auf ein gesundes Maß zurechtgestutzt. Fußballklubs wurden zuletzt immer mehr zu Spielbällen ihrer Interessen, detailliert ausgearbeitetes – und rechtlich bindendes – Vertragswerk zum doppellagigen Gebrauch für andere Zwecke degradiert. Wer keine Lust mehr hat, der zwingt sich eben zum Klub seiner finanziellen Träume, allen "Der bleibt!"-Bekundungen zum Trotz – siehe zuvor bei den BVB-Stars Ousmane Dembéle 2017 und Pierre-Emerick Aubameyang 2018. In Dortmund bekommen sie in Erinnerung an deren schwer erträgliche Schmierentheater noch heute Magenschmerzen.
Erreichen darf Lewandowski nichts
Wichtig ist nur: Die Bayern müssen jetzt standhaft bleiben. Schon in den vergangenen Wochen voller medialer Wasserstandsmeldungen zum Verbleib des nach eigenem Bekunden arg vernachlässigten Superstars erklärte das Bayern-Management wiederholt, auf Erfüllung des aktuellen Arbeitspapiers zu bestehen. Vorstandschef Oliver Kahn, Präsident Herbert Hainer, Sportvorstand Hasan Salihamidzic wurden und werden vom eifrigen Sportboulevard gefühlt täglich erneut dazu gedrängt, in jedes ihnen entgegengestreckte Mikrofon zu erklären, dass Lewandowski auf keinen Fall gehen wird, ungeachtet jeder Äußerungen aus dem Lager des Spielers. Und haben sich damit selbst in eine Einbahnstraße manövriert, aus der es kein Zurück gibt. Und das ist richtig so.
Denn genau dabei muss es bleiben. Die Bayern sind mit ihrer Gemütsruhe schon jetzt die Gewinner dieses unwürdigen Transfertheaters – und Lewandowski schon jetzt der große Verlierer. Und mit jedem weiteren Wort, jedem weiteren Satz des Polen oder seines Beraters wirkt das Drängen auf einen Wechsel nicht nur verzweifelter, das Kräfteverhältnis verschiebt sich auch weiter in Richtung der Münchner. Soll Lewandowski doch klagen und sticheln, so viel er will – erreichen darf und wird er damit nichts, höchstens, dass sich am Ende auch noch die Fans der "Roten" geschlossen gegen ihn wenden.
Trotz aller Tore und Höchstleistungen ist auch ein Robert Lewandowski nicht unersetzbar, das sollte der Seite des Stürmers mit jeder weiteren Meldung über mögliche Neuzugänge für die Offensive der Bayern klarer werden. Zwei Möglichkeiten bleiben ihm: Den Streit auf die Spitze zu treiben und sich 2022/23 erst mal auf die Tribüne zu setzen. Auf kurze Sicht ein sportlicher Albtraum für die Mannschaft von Trainer Julian Nagelsmann, der aber bewältigt werden muss – auf lange Sicht ohnehin unvermeidlich, der siebenmalige Bundesliga-Torschützenkönig wird im August 34 Jahre alt. Oder: Robert Lewandowski besinnt sich kurz vor Saisonstart und gibt wie schon in den acht Jahren zuvor als echter Profi alles für den Verein, bei dem er zum Weltstar geworden ist.
Die Bayern hätten in jedem Fall die einmalige Chance genutzt. Für sich und für den Fußball.