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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Dortmunds Problem Der Elefant im Raum
Es gibt viele Baustellen beim BVB. Da wären die Zukunft Erling Haalands, die löchrige Defensive und die schwankenden Leistungen der Mannschaft. Doch ein weiteres Problem drängt sich seit Monaten auf.
Das spielfreie Wochenende kam dem BVB eigentlich ganz gelegen. Das Team von Trainer Marco Rose hatte sich zwar schon auf Gegner Mainz 05 eingestellt, doch die Absage aufgrund der vielen Corona-Fälle für die Partie am vergangenen Sonntag bei den "Nullfünfern" war für die Borussen kein schwerer Schlag. Denn die Liste der fehlenden Spieler ist weiterhin lang.
Schon in Augsburg fehlten den Dortmundern neben Langzeitverletzten wie Mateu Morey oder Marcel Schmelzer mehrere wichtige Akteure. Manuel Akanji, Thomas Meunier, Dan-Axel Zagadou, Giovanni Reyna, Marco Reus und Erling Haaland standen Trainer Marco Rose alle nicht zur Verfügung. Auch gegen Mainz hätte der Großteil von ihnen zuschauen müssen. Marco Reus wäre wieder ein Kandidat gewesen, der Rest wohl kaum.
Dass die Zahl der Ausfälle so hoch ist, ist in dieser Saison beim BVB nicht ungewöhnlich. Erling Haaland beispielsweise verpasste bereits 16 Partien, blieb selten längere Zeit am Stück gesund. Mehrere Muskelverletzungen stoppten den Torjäger. Und er ist kein Einzelfall. Andere Spieler fallen ebenfalls immer wieder aus – oft mit Problemen an der Muskulatur. So klagte Abwehrchef Mats Hummels nach dem Europa-League-Aus gegen die Rangers aus Glasgow: "Wir haben die ganze Zeit 100.000 Verletzte."
Es ist seit Monaten der Elefant im Raum: Dortmund hat ein Problem, das sich durch die ganze Saison zieht. Bereits im Oktober vorigen Jahres sah BVB-Berater Matthias Sammer die körperlichen Unterschiede zwischen der Borussia und Ajax als Ursache für die 0:4-Klatsche in Amsterdam. "Ich glaube, dass bis auf Akanji jeder dort auf dem Platz schon mal angeschlagen war diese Saison. (...) Ajax konnte marschieren, als gäbe es kein Morgen. (...) Du kannst jetzt sagen: Ich laufe einen Marathon ohne Trainingspensum. Aber das schaffst du nicht", sagte er im Rahmen der Champions-League-Partie bei Streamingsender Amazon Prime Video.
Rose findet keine Stammformation
Dass es dem BVB damals schon an Frische mangelte und nur wenige Spieler bei 100 Prozent waren, hätte die Alarmglocken schrillen lassen müssen. Und auch in der Folge entspannte sich die Situation nie wirklich. Corona-Ausfälle kamen dazu, sodass Trainer Rose kaum eine Stammformation finden und sich einspielen lassen konnte. Deshalb agierte beispielsweise Mitte Dezember 2021 in Berlin eine Innenverteidigung aus Marin Pongracic (Innenverteidiger Nummer vier) und Axel Witsel (defensives Mittelfeld) gegen Hertha, weil die ersten drei Innenverteidiger fehlten. Die nicht vorhandene Chemie zwischen Pongracic und Witsel war von Beginn an zu sehen. Das Ergebnis: eine 2:3-Niederlage.
Dieses Spiel war nur ein Beispiel von mehreren Partien, in denen der BVB kein klares Gesicht zeigte. Viel zu oft passten die Zuteilungen bei Standards nicht oder die Abstimmung bei der Konterabsicherung ließ zu wünschen übrig.
Schlusslicht Dortmund – Spitzenreiter Union
Nach Recherchen des Portals "fussballverletzungen.com" hatte Dortmund die mit Abstand meisten Ausfalltage aller Bundesligisten in der Hinrunde. Fast 48 Tage fehlten die Spieler im Schnitt. Die zweitmeisten Fehltage hatten die Akteure des VfB Stuttgart mit beinah 42.
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Selbst wenn man die drei Langzeitverletzten Soumaila Coulibaly, Marcel Schmelzer und Mateu Morey rausgerechnet hätte, wäre Dortmund noch unter den drei Klubs mit den meisten Verletzungen. Das Problem ist nicht von der Hand zu weisen.
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Fakt ist: Die Mehrfachbelastung der Dortmunder mit DFB-Pokal, Champions League und Bundesliga-Alltag spielte eine Rolle. Aber davon waren auch andere Teams betroffen, die allesamt besser abschnitten. Union Berlin führte das Ranking sogar mit den wenigsten Ausfalltagen an. Eintracht Frankfurt landete auf Rang fünf, der VfL Wolfsburg auf Platz neun.
Pech – oder doch nicht?
Experten, Fans und Trainer sprechen in diesen Fällen gerne von "Verletzungspech". In einigen Fällen trifft das gewiss zu. Aber dass es sich bei Verletzungen immer um eine Frage von Glück handelt, ist ein Trugschluss. Verletzungen resultieren in der Regel entweder aus Unfällen, wie beispielsweise einem Foul oder einem Zusammenprall, oder aus Überlastungen und falscher Steuerung jener Belastung. Denn müde oder überanstrengte Spieler verlieren an Körperspannung, was in Sachen Verletzungsprävention ein hohes Risiko ist.
Laut dem "Sportreport 2020" der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (kurz: VBG) ereignet sich mehr als jede fünfte Verletzung eines Spielers zwischen der 31. und 45. Minute eines Fußballspiels. In der Schlussviertelstunde der zweiten Hälfte gab es demnach ebenfalls signifikant viele Auffälligkeiten. Besonders Oberschenkelverletzungen, die häufigste Verletzungsart im Fußball, entstehen in diesem Zeitraum. "Ursache hierfür könnte Ermüdung beziehungsweise Überbelastung der Muskulatur sein", heißt es in dem Report. Auch beim BVB treten viele jener Oberschenkelverletzungen auf.
Offenbar hat Rose mit seinem Mitarbeiterstab und der medizinischen Abteilung hier noch nicht die richtige Formel gefunden. Dabei ist sich der 45-Jährige eigentlich der Wichtigkeit dieses Themas bewusst. Den aktuellen Dortmunder Athletiktrainer Patrick Eibenberger brachte er selbst aus Gladbach mit. Ihn kennt Rose schon aus Salzburger Zeiten.
Trotzdem ist die Lage in Dortmund kritisch. Und für den Saisonendspurt in der Bundesliga sollten Rose und sein Team das Problem dringend in den Griff bekommen. Doch noch wichtiger wird die Analyse nach dieser Spielzeit. Denn wenn der BVB wieder in die Champions League einziehen sollte, braucht der Klub dringend ein Umdenken, um im kommenden Jahr mehr Frische und weniger Ausfälle zu haben.
- Eigene Beobachtungen
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