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Stefan Effenberg über Pokal-Blamagen: "Imageschaden ist irreparabel"


Meinung
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Dortmund-Dilemma
Jetzt wird es unglaubwürdig

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 20.01.2022Lesedauer: 6 Min.
Erling Haaland erzielte beim 1:2 gegen St. Pauli seinen 79. Treffer im 78. Spiel für Borussia Dortmund – geholfen hat das letztlich nicht.Vergrößern des Bildes
Erling Haaland erzielte beim 1:2 gegen St. Pauli seinen 79. Treffer im 78. Spiel für Borussia Dortmund – geholfen hat das letztlich nicht. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Überraschungen im Pokal haben Konsequenzen für Spieler und Verantwortliche. Für Gladbach und Dortmund ist nicht nur das Geld weg. Der Imageschaden ist irreparabel.

Borussia Dortmund? Rausgeflogen. Gladbach? Blamiert. Der FC Bayern und Leverkusen? Längst ausgeschieden. Im Pokal ist so viel Verrücktes passiert wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Verliert er durch die fehlenden Topvereine an Attraktivität? Auf keinen Fall.

Das Gegenteil ist richtig. Im Viertelfinale stehen acht Vereine, die das absolut verdient haben, darunter vier Zweitligisten. Mit RB Leipzig gibt es zwar noch einen Favoriten. Nach dem, was diese Woche geschehen ist, kann allerdings auch im weiteren Verlauf des Wettbewerbs alles passieren.

Die Liga spielt keine Rolle

In welcher Liga ein Verein spielt oder wie die letzten Ergebnisse waren? Das spielt im Pokal überhaupt keine Rolle. Gladbach hat in der Liga vor zwei Wochen den FC Bayern besiegt. Nun hat im Pokal Hannover die Borussia rausgehauen. Köln spielt eine exzellente Saison. Jetzt hat der HSV den FC eliminiert. Dortmund schien sich in der Liga gefangen zu haben und eine Serie starten zu können.

Nun überrumpelte St. Pauli den Bundesliga-Zweiten. Hertha BSC wollte endlich mal im Finale im heimischen Olympiastadion dabei sein. Leider ließ Union diesen Traum zerplatzen und machte sich selbst damit zur neuen Nummer eins in der Hauptstadt.

Ich hatte ein Angebot des HSV

Das macht es unglaublich spannend. Und bedeutet für die unterklassigen Klubs und kleineren Bundesligisten nicht nur viel Geld – sondern womöglich auch einen kräftigen Schub für den weiteren Saisonverlauf. Wer weiß? Vielleicht erleben wir am Ende der Saison endgültig die Wiederauferstehung des Hamburger Fußballs, wenn St. Pauli und der HSV als Erster und Zweiter aufsteigen.

Ich würde mich als Hamburger persönlich sehr darüber freuen – zumal ich einer der wenigen bin, der in Hamburg beiden Vereinen die Daumen drückt. Ich bin mit 17 neutral aus Hamburg weggegangen nach Mönchengladbach – und später neutral zurückgekehrt. Und auch während meiner Karriere hatte ich nur einmal Berührungspunkte.

Als ich 2002 den FC Bayern verlassen habe, hatte ich ein Angebot von Wolfsburg und eines vom HSV. Der konnte allerdings sportlich und finanziell schon damals nicht wirklich mithalten, deshalb bin ich zum VfL gegangen.

Ärgern sich die Spieler heute auch noch so massiv?

Der Pokal hat für mich ganz deutlich gezeigt, warum der FC Bayern in Deutschland der Konkurrenz so weit enteilt ist und sich daran auch nichts ändern wird. Die möglichen Verfolger schaffen es nicht einmal, konstant ihre Spiele gegen kleinere Klubs zu gewinnen. Weder in der Liga noch im Pokal, wo sie teilweise an Zweitligisten scheitern. Wie sollen sie dann Bayern gefährlich werden?

Natürlich ist das verdammt schwierig – gerade im Pokal gegen die hochmotivierten Underdogs. Das habe ich selbst erlebt und mich nach einer vertanen Chance teilweise unglaublich geärgert. Mich hätte man bis zum nächsten Spiel nicht ansprechen dürfen, weil ich tagelang angefressen war und nachgedacht habe. Ich denke, das ging früher einigen so, ob Matthias Sammer oder Oliver Kahn.

Und ich frage mich natürlich: Geht es den heutigen Spielern auch noch so?

Es geht um das Lebenswerk von Max Eberl

Am brisantesten ist die Situation sicherlich bei den beiden Borussias – Dortmund und Mönchengladbach.

Ich war Anfang der Woche in Mönchengladbach und habe den Eindruck gewonnen, dass sich die Fans große, große Sorgen machen um ihren Verein. Und auch ich denke, dass die angebracht sind. Es geht hier um das Lebenswerk von Max Eberl. Der hat in den vergangenen 15 Jahren wahnsinnig viel aufgebaut, tolle Spieler verpflichtet und war drauf und dran, eine Ära einzuleiten.

Eingetreten ist Stand heute das Gegenteil. Gladbach ist extrem weit weg von den Zielen und Ansprüchen. Dafür gibt es sicherlich auch viele Gründe. Eberl und Trainer Adi Hütter haben sich sicher keinen Gefallen damit getan, Nationalspieler Matthias Ginter am vergangenen Wochenende auf die Bank zu setzen, ihm damit einen Abschied nahezulegen – dies aber öffentlich mit sportlichen Gründen zu erklären.

Gladbach-Spieler haben bei Bayern nichts zu suchen

Das große Problem in Gladbach ist aber sicher ein anderes. Es waren in den vergangenen Wochen und Monaten zu viele Spieler mit ihren Gedanken nicht mehr zu hundert Prozent bei der Borussia. Sie haben sich mit ihrer Zukunft auseinandergesetzt, mit auslaufenden Verträgen, angeblichem Interesse von Topklubs. Sie haben Gladbach als Sprungbrett gesehen nach ganz oben. Und das ist die Wurzel allen Übels.

Wenn Dir Dein Berater Flausen in den Kopf gesetzt hast, bekommst Du die nicht einfach wieder raus. Dann hast Du im Hinterkopf: Wenn das hier nicht so erfolgreich wird, dann werde ich wohl den Verein wechseln. Genauso spielen sie derzeit auch Fußball.

Besonders heiß ist angeblich gerade ein Wechsel des defensiven Mittelfeldspielers Denis Zakaria zum FC Bayern. Ich muss sagen: Ein Spieler aus dieser Gladbacher Mannschaft hat bei Bayern nichts zu suchen. Das ist ein anderes Level, an dem sich schon andere die Zähne ausgebissen haben – vom ehemaligen Supertalent Renato Sanches bis zu Marcel Sabitzer aktuell. Der ein oder andere bei Gladbach überschätzt sich offenbar.

Nur einer bringt konstant die nötige Leistung

Der Einzige, der bei Gladbach das ausstrahlt und konstant auf den Platz bringt, was es braucht, ist Torwart Yann Sommer. Wille, Einstellung, Ehrgeiz, Leidenschaft und Identifikation – hier stimmt wirklich alles.

Selbst von Kapitän Lars Stindl erwarte ich, dass er sich selbst hinterfragt und nach Spielen nicht immer wieder das Gleiche erzählt. Warum bekommen die Spieler nicht das auf den Platz, was sie sich vornehmen? Er muss bei sich anfangen und sich selbst diese Frage stellen.

Was tun, um diese Saison zu retten und irgendwie die Qualifikation für den internationalen Wettbewerb zu schaffen? Gladbach muss aus den nächsten vier Bundesligaspielen neun oder zehn Punkte holen. Und das geht nicht mit einer Leistung wie zuletzt.

Mit wem kann Hütter noch rechnen?

Trotzdem sage ich klipp und klar: Ich würde an Hütter festhalten. Vor der Frage nach dem Trainer stehen für mich mindestens neun andere – und die betreffen die Mannschaft und die Spieler.

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Hütter hat seine Spieler nach dem Aus sehr deutlich kritisiert – und hat auch jedes Recht dazu. Spieler machen es sich teilweise zu leicht und gehen vielleicht auch zu entspannt mit so einer Blamage um.

Wenn es nach den Fans geht, müssen Eberl und Hütter genau jetzt damit anfangen, Spieler auszusortieren und auf die zu setzen, die wirklich bereit sind, sich zu hundert Prozent und über die Saison hinaus auf Gladbach zu konzentrieren. Man muss befürchten, dass dann nicht mehr viele übrig bleiben. Aber in der Tendenz gebe ich ihnen recht. Hütter muss sich ganz genau anschauen, mit wem er rechnen kann.

Beim BVB ist es immer das gleiche Muster

Grundsätzlich ist das sogar die einzige Möglichkeit, um diese Krise zu bewältigen.

Fakt ist: Diese Niederlage, dieses Ding, tut richtig weh. So groß ist die Chance auf einen Pokalsieg vielleicht in 15 Jahren erst wieder.

So lange wird Borussia Dortmund nicht warten müssen. Der BVB hat gerade in der vergangenen Saison den Pokal gewonnen. Dennoch läuft auch Dortmund den Zielen und Ansprüchen hinterher und hat sich mindestens genauso blamiert bei St. Pauli (1:2).

Hier ist es immer das gleiche Muster. Dortmund gewinnt zwei Spiele, scheint auf dem richtigen Weg. Dann gibt es eine herbe Enttäuschung. Und anschließend stellen sie fest, dass sie nicht wirklich gelernt haben aus der letzten Enttäuschung. Und dann wird es natürlich unglaubwürdig.

Die größte Lehre aus dem Pokal

Die Parallelen zu Gladbach sind zahlreich. Die größte ist allerdings diese – und das ist wohl die größte Lehre aus den Achtelfinalspielen des Pokals: Die Zukunft diverser Spieler ist ungeklärt und die Gedanken sind entsprechend nicht zu hundert Prozent auf dem Platz. So kannst Du als Topverein offensichtlich keinen Titel holen. Und es kann nicht der Anspruch von Dortmund sein, alle vier, fünf Jahre den Pokal zu gewinnen.

Anhand dieses Themas lässt sich auch gut aufzeigen, warum Bayern keine vergleichbaren Probleme hat. Auch hier gibt es immer mal ein paar offene Fragen und Diskussionen, wie derzeit um Robert Lewandowski.

Die meisten Spieler und insbesondere die Leistungsträger hat der Klub jedoch frühzeitig und langfristig an sich gebunden. Zuletzt hat nach Joshua Kimmich und Leon Goretzka auch Kingsley Coman unterschrieben – Serge Gnabry, Manuel Neuer und auch Lewandowski werden folgen, da bin ich mir ziemlich sicher.

Haaland-Entscheidung drängt nun noch mehr

In Dortmund betrifft das Zukunftsthema natürlich in erster Linie Topstürmer Erling Haaland mit seiner 75 Millionen Euro schweren Ausstiegsklausel und dem Interesse diverser europäischer Topklubs. Dazu zähle ich aber auch das 18-jährige Riesentalent Jude Bellingham, bei dem es eine Frage der Zeit ist, bis er geht.

Und dann sind da noch die zahlreichen Verträge, die in diesem Sommer auslaufen – insbesondere aber 2023. Das betrifft Kapitän Marco Reus genauso wie Abwehrchef Mats Hummels, Manuel Akanji, Raphael Guerreiro oder Mahmoud Dahoud.

Im Fall Haaland bedeutet das beispielsweise, dass die Entscheidung über seine Zukunft nun noch mehr drängt – damit Dortmund zumindest noch versuchen kann, die Europa League zu gewinnen.

Dieser Imageschaden ist nicht zu reparieren

Gladbach und Dortmund stecken im Dilemma. Natürlich geht das Geld flöten, das sie mit einem Weiterkommen generiert hätten. Schlimmer ist aber der Imageschaden. Der ist nicht zu reparieren.

Auch Hertha BSC gehört zu diesen Vereinen in der Krise. Auch hier ist klar: So kannst du nicht weitermachen. Und das bedeutet für die Sportdirektoren und Manager Michael Zorc, Max Eberl und Fredi Bobic, dass sie sich ihre Kader ganz genau angucken und jetzt schon die Planung für das nächste Jahr vorantreiben müssen. Mit Spielern, auf die sie wirklich zählen können.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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