Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Die Zukunft von BVB-Star Haaland Ein unmoralisches Angebot
Dortmunds Torjäger verdirbt mit brisanten Aussagen die gute Stimmung im Verein. Er fühlt sich unter Druck gesetzt, doch die Klubführung will das nicht verstehen. Ein Fehler?
Trotz seiner beiden Tore am Freitagabend beim 5:1 (3:0) über den SC Freiburg (hier erfahren Sie mehr zu der Partie) wirkte der Dortmunder Erling Haaland frustriert. Und als sich dann seine Teamkollegen nach Abpfiff von den wenigen Hundert Fans vor der Südtribüne feiern ließen, platzte es aus dem Torjäger beim Interview mit dem norwegischen TV-Sender Viaplay heraus. "Die letzten sechs Monate habe ich beschlossen, aus Respekt vor Dortmund nichts zu sagen. Nun hat der Klub begonnen, mich zu drängen, eine Entscheidung zu treffen. Aber alles, was ich will, ist Fußball spielen", klagte der 21-Jährige.
Damit machte der Ausnahmestürmer seinem Unmut über die Forderung der Vereinsspitze Luft, bis März seine Zukunft zu klären. "Sie wollen eine Antwort. Es ist also an der Zeit, die Dinge in Angriff zu nehmen", kommentierte Haaland mit fast drohendem Unterton. Aufgrund einer Ausstiegsklausel kann er den Bundesliga-Zweiten trotz eines bis 2024 datierten Vertrags in diesem Sommer für 75 Millionen Euro verlassen.
BVB-Boss Watzke reagiert prompt
In einer ersten Reaktion auf diese überraschenden Aussagen versuchte Hans-Joachim Watzke, die Wogen zu glätten: "Erling ist ein spontaner Mensch und noch ein junger Bursche, der darf das, das ist kein Problem. Aber er muss auch ein bisschen Verständnis für unsere Situation haben. Wenn er morgen wach wird, wird er das haben", sagte der BVB-Geschäftsführer der "Funke Mediengruppe".
Den Vorwurf Haalands, unter Druck gesetzt zu werden, hält Watzke für übertrieben: "Es gibt aktuell weder Gespräche noch Termine, daher kann ich das nicht nachvollziehen." Der Verein könne nicht bis Mai warten, "das wird ihm auch einleuchten. Dass man irgendwann mal über die Zukunft spricht, muss er als Profi auch verstehen."
Doch nun stellt sich die Frage:
Ist es richtig, dass der BVB seinen Spieler Erling Haaland zu einer Entscheidung drängt?
Ja, Druck ist zwingend nötig
Laut Ausstiegsklausel im Vertrag hat Haaland bis Mai Zeit, sich zu entscheiden – dem BVB gegenüber wäre das allerdings unfair und egoistisch. Denn für Dortmund geht es um zwei elementar wichtige Fragen, deren Beantwortung nicht bis Mai warten kann: Ist unser bester Spieler im Sommer weg? Haben wir 75 Millionen Euro zur Verfügung oder nicht? Da ist etwas Druck nicht nur erlaubt, sondern zwingend nötig. Zum einen haben dem Verein in den letzten Jahren schon genug Spieler auf der Nase herumgetanzt. Zum anderen ist doch längst klar, was passieren wird.
Haaland hat in 77 Spielen 78 Tore geschossen. Er scheint im Körper eines Außerirdischen zu stecken. Sein Marktwert liegt bei 150 Millionen Euro. Kurz gesagt: Haaland ist ein Weltstar und dem BVB längst über den Kopf gewachsen.
Ein Verbleib in Dortmund? Undenkbar! Zumal Haalands Berater Mino Raiola seit mindestens neun Monaten an einem Transfer zu einem Topklub schraubt. Damals startete er eine Tour durch Europa, um den Markt zu sondieren. Wenn er in dieser Zeit keinen Transfer auf den Weg gebracht hat, ist er wohl nicht so gut wie gedacht.
"Ich gehe." Es sind nur diese zwei Worte, die Haaland über die Lippen bringen muss. Das dürfte selbst für den wortkargen Stürmer nicht zu viel sein. Dortmund könnte endlich planen.
Nein, Watzke und Zorc müssen umdenken
Bei fast jedem anderen Fußballer muss man genauso handeln, wie es die Dortmunder Vereinsspitze aktuell tut. Denn als Management brauchst du Planungssicherheit. Nur einen wie Erling Haaland darfst du eben nicht zu einer Entscheidung drängen. Er ist die Lebensversicherung des Teams, besitzt eine Ausstiegsklausel und weiß, dass die europäischen Topklubs Schlange bei ihm stehen.
Was passiert, wenn man einen künftigen Weltstar wie ihn unter Druck setzt, konnte man am Freitag nach dem Spiel sehen: Der Norweger war angefressen. Sein Frust über das Verhalten seiner Bosse war so groß, dass ihn nicht einmal sein Doppelpack aufheitern konnte. So verspielt der BVB seine letzte Chance auf Haalands Verbleib.
Watzke, Zorc und Kehl müssen nun umdenken. Will man sich zumindest ein Fünkchen Hoffnung auf eine weitere Haaland-Saison in Dortmund bewahren, muss man etwas dafür tun, dass sich der Torjäger wieder zu 100 Prozent wohlfühlt. Dafür braucht es ein unmoralisches Angebot: Die Vereinsspitze sollte ihm alle Zeit der Welt geben, um sich über die eigene Zukunft Gedanken zu machen. Und sein Gehalt muss schon jetzt deutlich erhöht werden. Er muss spüren, wie besonders dieser Verein ist.
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