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Stefan Effenberg: Die gute Seite des BVB-Abschieds von Erling Haaland


Meinung
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BVB-Umbruch
Die gute Seite des Haaland-Abschieds

  • Florian Wichert
MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 24.09.2021Lesedauer: 9 Min.
Sein Marktwert liegt bei 130 Millionen Euro, seine Ausstiegsklausel deutlich niedriger: Dortmunds Superstürmer Erling Haaland, der wohl nicht über die Saison hinaus zu halten sein wird.Vergrößern des Bildes
Sein Marktwert liegt bei 130 Millionen Euro, seine Ausstiegsklausel deutlich niedriger: Dortmunds Superstürmer Erling Haaland, der wohl nicht über die Saison hinaus zu halten sein wird. (Quelle: Chai v.d. Laage/imago-images-bilder)
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Wie Borussia Dortmund den Superstürmer ersetzen kann und sich für die Zukunft aufstellen muss – und warum Manchester United keine Rücksicht auf Ronaldo nehmen braucht.

Dortmund-Trainer Marco Rose kehrt zurück in das Stadion seines ehemaligen Vereins Borussia Mönchengladbach – das ist das große Thema rund um das Spitzenspiel am Samstag (ab 18.30 Uhr im Liveticker bei t-online) und den sechsten Bundesligaspieltag.

Rose hat seine Werte über Bord geworfen

Von Fan-Hölle und "verarschten Fans" ist da schon die Rede. Und ja, der Empfang wird sicherlich äußerst frostig.

Bei den Fans in Gladbach ist natürlich hängen geblieben, dass Rose seinen Wechsel nach Dortmund im Februar verkündet hat – und somit vor der heißen Phase der Saison. In dieser hat er dann die Qualifikation für den Europacup verpasst und sich letztlich selbst an den Rand einer vorzeitigen Entlassung gebracht. Sympathien hat er komplett verspielt, weil er in der Saison zuvor noch über Identifikation, Kontinuität und Titelträume gesprochen hatte, um diese Werte dann ganz offensichtlich für sich selbst über Bord zu werfen.

Rose darf sich von den zu erwartenden Pfiffen und dem Unmut natürlich nicht ablenken lassen, zumal das Duell der Borussen ohnehin genug Sprengstoff und Rivalität birgt. Ich erinnere mich sehr gern an die Spiele zurück, in denen ich im Gladbach-Trikot dabei war – sowohl die in Dortmund als auch an ein besonderes Spiel auf dem Bökelberg. Dort haben wir 1996/97 am siebten Spieltag eine Gala geboten und 5:1 gewonnen, nachdem der BVB im Jahr zuvor Meister geworden war.

Meister? Jetzt oder nie!

Auch in diesem Jahr ist die Chance auf die Deutsche Meisterschaft da. Dortmund ist der einzige Verein, der Bayern den Titel streitig machen kann – und dies auch wird, wenn es Rose gelingt, seiner Mannschaft defensive Stabilität zu vermitteln. Das ist der allerwichtigste von zwei Punkten, an denen der BVB arbeiten muss.

Dortmund muss konstant das bisher gute Niveau halten, auch mal abgezockt spielen und auf ein Feuerwerk verzichten. Es ist nicht anzunehmen, dass sie in jedem Spiel drei, vier Tore schießen und die Probleme in der Abwehr so lösen können. Zu einer guten Defensivarbeit gehört, dass mit ganz wenigen Ausnahmen alle mitarbeiten müssen, nicht nur die vier Verteidiger.

Der zweite Punkt: Dortmund hat in dieser Saison sechs von elf Gegentoren nach Standards kassiert. Das ergibt 55 Prozent und ist der höchste Wert von allen Bundesligisten. In der vergangenen Saison waren es insgesamt 18 von 46 Gegentoren nach Standards. Auch das war Liga-Höchstwert und bedeutet:

Die zwei größten Probleme sind nicht neu!

Die Chance auf den Titel ist dennoch so groß wie seit zehn Jahren nicht mehr, das habe ich bereits vor der Saison prophezeit. Heute sage ich, dass die Chance vielleicht auch auf Jahre hinaus die größte sein wird. Motto: jetzt oder nie. Ganz einfach, weil Topstürmer Erling Haaland wohl in der kommenden Saison nicht mehr da ist. Er hat in 67 Spielen 68 Tore für die Borussia erzielt. In der Bundesliga klingelt es dank ihm alle 83 Minuten. Das ist eine unfassbare Quote.

Ohne Haaland wird es in den kommenden Jahren mit der Meisterschaft schwieriger.

Hummels wird ein, zwei Jahre dranhängen

Damit der BVB aber zumindest in den nächsten sechs, sieben Jahren in der Champions League garantiert vertreten ist, muss er jetzt die richtigen Hebel drücken – und neben der Frage nach der Zukunft von Haaland weitere beantworten. In Bezug auf die Kaderplanung meine ich damit: die Leistungsträger halten und dafür in Kauf nehmen, dass die Gehälter womöglich steigen – man dafür aber weniger teure Spieler mit einer hohen Ablöse anderswo loseisen muss.

Ganz oben auf der Agenda der Bosse: Dortmund muss dringend versuchen, die Verträge von Abwehrchef Mats Hummels, Mittelfeldspieler Axel Witsel und Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou zu verlängern, die bereits am Saisonende auslaufen. Bei Witsel und Zagadou ist sicherlich die Frage, was sie künftig reizt. Bei Hummels gehe ich dagegen ganz fest davon aus, dass er bleiben und noch ein, zwei Jahre dranhängen wird. Ich halte es nicht nur für möglich, sondern auch für sinnvoll, wenn er seine Karriere in Dortmund beendet und vielleicht anschließend weiter in den Verein eingebunden wird. Er hat viel erlebt, Höhen und Tiefen mitgemacht und bringt eine hohe Fußballkompetenz mit, die dem Verein sicher helfen wird.

Auch Marco Reus sollte bleiben

Sebastian Kehl wird in der kommenden Saison die volle Verantwortung als Nachfolger von Michael Zorc und als Sportdirektor antreten. Es wäre eine Möglichkeit, Hummels nach dem Karriereende als Lizenzspielerleiter zum neuen Kehl zu machen. Mit Edin Terzic als Technischer Direktor, Matthias Sammer als Berater und Hummels wäre der Klub hervorragend aufgestellt und würde der Philosophie weiter folgen, so viel Fußballkompetenz wie möglich in der Sportlichen Leitung zu vereinen.

Vorher müssen sich die Dortmunder Verantwortlichen natürlich auch frühzeitig mit den Verträgen beschäftigen, die 2023 auslaufen. Auch bei Raphael Guerreiro, Mahmoud Dahoud, Manuel Akanji, Ansgar Knauff und insbesondere Youssouffa Moukoko ergibt eine frühzeitige Verlängerung absolut Sinn. Mindestens genauso wichtig: Marco Reus über 2023 hinaus verlängern.

Bei einigen Spielern sehe ich Fragezeichen

Er ist dann zwar schon 34 Jahre alt und hat unzählige Verletzungen in den Knochen. Auf der anderen Seite ist er das Gesicht dieser BVB-Mannschaft. Er wird vielleicht nicht alle Spiele absolvieren, die hat er aber ohnehin selten gemacht. Es wird einfach darauf ankommen, dass er sich Pausen nimmt – und vielleicht darüber nachdenkt, was ihm wirklich wichtig ist. In diesem Jahr hat er eine Entscheidung getroffen – gegen eine EM-Teilnahme und für die Vorbereitung im Verein. Aus meiner Sicht vollkommen zu Recht.

Möchte Reus nun noch mal in der Nationalmannschaft angreifen und die WM 2022 in Katar spielen oder ist ihm auch künftig der Verein wichtiger? In dem Fall würde es sicher helfen, wenn er aus der Nationalmannschaft zurücktritt. Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das ein kluger und wichtiger Schritt ist.

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Fragezeichen sehe ich persönlich eher bei ein paar BVB-Spielern, die noch bis 2024 an den Verein gebunden sind: Nico Schulz, Emre Can und Julian Brandt. Can ist derzeit verletzt. Er wird es wahrscheinlich auch nicht einfach haben, anschließend in die erste Mannschaft und auf Spielzeit zu kommen. Schulz gilt schon länger als Verkaufskandidat. Und Brandt muss endlich konstante Leistungen auf Strecke bringen. Gegen Leverkusen (4:3) hat er ein Weltklasse-Tor geschossen – ansonsten aber oftmals unter ferner liefen performt. Es muss ja nicht Weltklasse sein. Wenn er von fünf Spielen vier gute und ein sehr gutes macht, ist ihm und dem BVB mehr geholfen. Ich glaube, dass Marco Rose durchaus auf Brandt setzt. Der muss das Vertrauen aber auch zurückgeben.

Diese Spieler würden zum BVB passen

Die Leistungsträger halten – und dann punktuell verstärken, das muss nicht nur die Strategie des FC Bayern sein, der gerade einige Verträge verlängert hat. Das muss auch der Plan der Dortmunder sein.

Um entsprechend neue Qualität zuzufügen, würde eine Rückkehr von Nationalspieler Matthias Ginter zur nächsten Saison sehr gut passen, zumal der Gladbacher ablösefrei zu haben ist. Der bereits gehandelte Gladbach-Stürmer Marcus Thuram passt sicher ebenfalls sehr gut nach Dortmund, auch weil er Rose bereits aus der gemeinsamen Zeit kennt. Für die linke Seite kann ich mir Nationalspieler Robin Gosens sehr gut in Dortmund vorstellen. Auch wenn sein Herz eigentlich eher für Schalke schlägt: Er hat mehrfach gesagt, dass er von der Bundesliga träume. Schalke spielt nun mal nicht in der ersten Liga. Und sein Vertrag bei Atalanta Bergamo endet 2023 – er wäre also im kommenden Sommer wahrscheinlich für eine überschaubare Ablösesumme zu haben.

Die Kandidaten für die Haaland-Nachfolge

Und dann ist die große Frage, wer Erling Haaland ersetzt. In Florenz gibt es einen offensichtlich hochtalentierten Stürmer namens Dusan Vlahovic, der in sechs Saisonspielen bereits fünf Tore geschossen hat. Mit ihm sollte sich der BVB sicherlich beschäftigen. Genauso wie mit Nationalstürmer Timo Werner, der nach der Verpflichtung von Romelu Lukaku beim FC Chelsea einen extrem schweren Stand hat. Daran ändert auch sein Treffer zum 1:0 beim 4:3 nach Elfmeterschießen im englischen Liga-Cup gegen Aston Villa nichts.

Trotz dieser Lage spricht einiges für ihn: Timo Werner ist flexibel einsetzbar, schnell und hat in Leipzig gezeigt, dass er in der Bundesliga einer der besten Stürmer sein kann. Das hat er spätestens mit 28 Toren in der Saison 2019/20 nachgewiesen.

Bei Werner stellt sich – genau wie bei Leverkusens Florian Wirtz – die Frage der Finanzierbarkeit. Auch Wirtz würde fantastisch zur Dortmunder Spielweise passen, ein Wechsel zum BVB wäre wirklich ein hervorragender nächster Schritt.

Bei Werner würde es eher um das Gehalt gehen, bei einem Wirtz-Transfer um eine horrende Ablösesumme im Bereich von 80 bis 100 Mio. Euro, was für Dortmunder Verhältnisse utopisch klingt und vielleicht auch ist. Die Folgen der Pandemie für Dortmund sind allein im zuletzt abgeschlossenen Geschäftsjahr erkennbar. An dessen Ende steht ein Verlust von knapp 73 Mio. Euro.

Auf der anderen Seite hilft eine gerade angekündigte Kapitalerhöhung, die 86,5 Millionen Euro bringt. Und nachdem der Klub in den vergangenen Jahren immer wieder Geld durch Spielerverkäufe eingenommen hat, wird er auch im kommenden Sommer allein mindestens 75 Mio., bei Erfolg bis zu 90 Mio. durch den wahrscheinlichen Abgang von Haaland einnehmen.

Wo Haaland spielen könnte

Das ist die gute Seite am zu erwartenden Haaland-Abschied. Dortmund wird einen gewissen Spielraum haben. Und die Ausstiegsklausel ist nun mal da. Und macht es höchst unwahrscheinlich, dass der Norweger noch länger als bis zum kommenden Sommer bleibt. Auch wenn er für den FC Bayern nicht finanzierbar sein wird: In Europa und insbesondere in England gibt es zahlreiche Klubs, die das Geld gerne für ihn ausgeben. Ich komme auf vier Klubs, zu denen Haaland passt und die sich sicherlich bemühen werden. Außerhalb von England kommt für mich dabei nur einer in Frage. Die Klubs sind:

Manchester United: Neuzugang Cristiano Ronaldo spielt derzeit als Mittelstürmer. Auf Ronaldo darf Manchester allerdings keine Rücksicht nehmen und braucht es auch nicht. Zum einen hat der Superstar mit 36 Jahren nur einen Vertrag bis 2023 und seine Karriere ein Ablaufdatum. Haaland dagegen ist 21 Jahre jung und kann dem Verein die nächsten 10 Jahre vergolden.

Viel wichtiger: Ronaldo und Haaland können zusammen spielen. Schließlich hat CR7 auch bei Real Madrid gemeinsam mit Mittelstürmer Karim Benzema gespielt. So haben sie dreimal hintereinander die Champions League gewonnen. Den Titel, den auch Manchester United anstrebt.

Der FC Liverpool: Haaland ist ein wuchtiger Mittelstürmer und somit ein ganz anderer Typ als Sadio Mané, Mahomed Salah, Roberto Firmino und Diogo Jota. Er würde also sehr gut passen. Sofern Salah und Co. überhaupt bleiben und nicht doch noch mal den Verein wechseln wollen.

Manchester City: Hier müsste die Entscheidung zwischen Harry Kane und Haaland fallen, die dann doch ähnliche Spielertypen sind.

Paris St. Germain: Kylian Mbappé wird den Verein wohl verlassen. Mit Lionel Messi, Neymar oder Angel di Maria würde sich Haaland als Mittelstürmer womöglich gut ergänzen.

Chelsea hat gerade erst mehr als 100 Mio. Euro für Romelu Lukaku ausgegeben, bei Real Madrid ist Karim Benzema in überragender Form. Diese Klubs scheiden für mich deshalb aus.

Grundsätzlich ist für mich klar: Wenn ein Verein die Chance hat, Haaland zu verpflichten, muss er eigentlich zugreifen. Er ist viel weiter als es Robert Lewandowski in diesem Alter war. Er hat sich unfassbar rasant entwickelt und kann die Leute in einem ganzen Stadion von den Sitzen reißen. Er hat so eine Wucht, dass ihn fast jeder Klub dieser Welt gebrauchen kann.

Der Fall Bellingham ist anders gelagert

Was man nicht vergessen darf: Er ist auch charakterlich top. Man muss es ihm hoch anrechnen, dass er in diesem Jahr kein Fass aufgemacht hat in Bezug auf einen möglichen Wechsel. Er hat sich allen gegenüber perfekt verhalten. Ich bin deshalb auch überzeugt, dass die Fans ihm einen Wechsel verzeihen – und dankbar sein werden für die Zeit, die er in Dortmund verbracht hat.

Keine Chance bei Haaland aufgrund der Ausstiegsklausel – ganz anders liegt der Fall bei Jude Bellingham. Der ist neben Haaland der Gewinner der aktuellen Saison, hat ein paar wirklich überragende Spiele absolviert und längst das Interesse insbesondere der englischen Klubs geweckt.

Zwei Zeichen an Talente

Ihm würde ich im Gegensatz zu Haaland vehement von einem Wechsel abraten. Er ist beim BVB in einer hervorragenden Position und genießt das komplette Vertrauen. Ich hoffe, dass er gut beraten wird und noch zwei, drei Jahre in Dortmund bleibt. Das ganz große Geld kann er dann immer noch verdienen. In der jetzigen Phase seiner Karriere sollte es darum nicht gehen. Zumal sein Vertrag bis 2025 läuft.

Bellingham zu halten, wäre auch ein wichtiger Schritt für Dortmund, um auf das nächste Level zu kommen. Uli Hoeneß hatte den BVB im vergangenen Jahr für seine "unkluge" Transferpolitik kritisiert. Spieler würden als Verkaufsobjekte betrachtet und könnten daher nie die DNA des Vereins wirklich aufsaugen.

Natürlich ist es nicht so einfach möglich, von heute auf morgen seine Philosophie komplett zu ändern – aber zumindest wäre es ein Zeichen, Bellingham zu halten. Oder besser gesagt: ein weiteres Zeichen. Denn die Entwicklung von Supertalenten wie Haaland, Bellingham, Giovanni Reyna oder auch Moukoko ist bereits ein Zeichen an Europa in Form von allerbester Werbung für Dortmund im Kampf um weitere Talente.

Hier bekommen sie wirklich die Einsätze, die ihnen überall versprochen werden. Und hier werden sie wirklich innerhalb kürzester Zeit besser und haben sogar noch die Chance, sich regelmäßig in der Champions League zu zeigen. Das krasseste Beispiel ist Moukoko, der immer noch 16 Jahre jung ist – aber schon 22 Pflichtspiele bestreiten durfte. Davon zwei in der Champions League.

Sendehinweis: t-online-Kolumnist Stefan Effenberg ist am Sonntag als Experte im Fußball-Stammtisch "Doppelpass" auf Sport 1 zu Gast. Diskutiert wird unter anderem über Borussia Dortmund und die t-online-These von Stefan Effenberg.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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