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Bundesliga: Für farbenblinde Fans sehen die Spiele aus wie Matsch


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Rot-Grün-Schwäche
Der elfte Mann sieht in der Bundesliga Farbmatsch


Aktualisiert am 22.05.2021Lesedauer: 5 Min.
Rot gegen Grün ergibt Farbmatsch: In der Bundesliga wird bisher kaum Rücksicht genommen auf Zuschauer mit Farbschwäche.Vergrößern des Bildes
Rot gegen Grün ergibt Farbmatsch: In der Bundesliga wird bisher kaum Rücksicht genommen auf Zuschauer mit Farbschwäche. (Quelle: imago-images-bilder)
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Fußball-Fans mit Rot-Grün-Schwäche nehmen das Spiel anders wahr. Ein Werder-Fan geht in die Offensive, die DFL will reagieren – und t-online zeigt, wie matschig der Sport für Betroffene wirken kann.

Das Problem von Markus Stahmann mit dem Fußball zeigte sich erstmals, als er fünf Jahre alt war und seine Eltern begeistert zum Himmel zeigten: "Der Regenbogen, schau doch mal, die Farben!" Der kleine Markus sah aber nur zwei Farben. Er hat eine Rot-Grün-Schwäche wie jeder elfte Mann. Die Bundesliga hat ihm in dieser Saison oft vor Augen geführt, dass sie das kaum schert.

Acht Mal in dieser Saison ist es dem Werder-Fan so ergangen, dass Werder Bremen in Grün gegen Gegner in Rot spielte – und er die Mannschaften im Farbbrei kaum auseinanderhalten konnte. "Du willst gemütlich ein Spiel auf dem Sofa schauen und bist danach platt, weil du dich extrem auf Details wie Hosen oder Stutzen konzentrieren musst", erzählt er t-online. "Wahrscheinlich bin ich einer der wenigen Fans außerhalb von Freiburg, der sofort sagen kann, dass die Freiburger weiß abgesetzte Ärmel haben."

Das Trikot mit diesen Ärmeln trugen die Freiburger nicht, als sie am 21. März gegen Augsburg spielten. Es wäre Rot gegen Grün gewesen, aber Freiburg-Trainer Christian Streich ordnete Gelb an: In seinem Kader stand ein Spieler, der eine Farbschwäche hat, verriet der Coach, ohne den Namen zu nennen. "Ich wollte nicht, dass er einem Gegner den Pass in die Füße spielt."

TV-Kommentator Fuss ist auch betroffen

Es war ein Aha-Moment für Stahmann, aber auch für den TV-Kommentator Wolff Fuss: "Da habe ich mir gedacht: 'I feel you'", erzählt Fuss im Podcast "Eine Halbzeit mit..." des Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Fuss gab dort preis, dass er selbst von einer Rot-Grün-Schwäche betroffen ist. Die kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein, bis zur einer Rot-Grün-Blindheit.

Fuss erklärt, er fühle sich eigentlich nicht beeinträchtigt. "Es gab einmal eine Situation, da habe ich die Konferenz kommentiert und gedacht: 'Was ist denn hier los?' Komplett grüne Wolfsburger gegen komplett rote Münchner." Das sei wirklich eine Herausforderung gewesen, weil er sich dann auch bei Abseitssituationen schwergetan habe.

Trainer-Ikone José Mourinho hat er sogar einmal einen Vogel gezeigt, als es um "zwei baugleiche Spieler bei Inter Mailand auf der linken Seite" ging: Mourinho hatte ihm erklärt, die seien leicht auseinanderzuhalten, der eine trage doch grün leuchtende Schuhe und der andere rot leuchtende. Fuss: "Es ist für mich nicht möglich gewesen, diese Farben zu unterscheiden."

"Der halbe Unterrang hat das Problem"

Fuss nimmt das mit Gleichmut, Werder-Fan Stahmann sieht es nicht so gelassen. Die Freiburger Entscheidung für den Trikotwechsel konnte er sehr gut verstehen – aber nicht, wieso das nur ein Thema ist, wenn ein Spieler betroffen ist. Er schrieb dem SC Freiburg: "Mir stellt sich die Frage, ob dieses Problem generell den Vereinen klar ist. Ich wäre sehr dankbar, wenn die Problematik etwas bewusster in den Fokus rückt, da man ja eigentlich recht einfach die Barriere aus dem Weg räumen könnte." Es kam keine Antwort.

In diesem Artikel können Sie mit einem Schieber Bilder so darstellen, wie sie Menschen mit Rot- oder Grün-Blindheit sehen. Dafür wurde ein Simulator genutzt, der die Farben entsprechend darstellt. Demonstriert werden hier Rot- und Grün-Blindheit. Es gibt aber auch die sehr seltene Blau-Gelb-Schwäche, sie trifft nur 0,005 Prozent der Menschen.

Für den langjährigen Dauerkartenbesitzer Stahmann ist das Farbdilemma augenfälliger geworden, seit er die Spiele alle nur im TV sehen kann. "Wahrscheinlich kommen im Stadion andere Sinne auch stärker zum Einsatz, man erlebt das unter dem Eindruck der Reaktionen anderer Fans." Bei TV-Übertragungen aus leeren Stadien ist nur das Auge gefragt.

Um die Dimensionen des Themas anschaulich zu machen, denkt er an die Zeiten voller Stadien: "Bei 42.000 Zuschauern in Bremen haben 4.000 auch das Problem, hochgerechnet ist das der halbe Unterrang". Viele redeten nicht darüber, weil darüber auch gespottet werde. "Bist du farbenblind?", ist immer noch als Beschimpfung gedacht. Viele Betroffene hätten sich damit schlichtweg abgefunden.

Rechnerisch in jedem Team Betroffene

Stahmanns Schätzung von 4.000 bei einem vollen Bremer Stadion ist übrigens etwas zu hoch gegriffen. Neun Prozent der Männer sind von Farbsehschwäche betroffen, aber weniger als ein Prozent der Frauen. Verantwortlich ist nämlich ein Gendefekt auf dem X-Chromosom. Davon haben Männer eines, Frauen aber zwei – und beide müssen betroffen sein, um eine Farbsehschwäche auszubilden.

Im Spielerkader jedes Bundesligavereins müsste es also rechnerisch Spieler mit der Farbsehschwäche geben. Bei Thomas Delaney von Borussia Dortmund wurde das bekannt, nachdem er von Werder Bremen zum BVB gewechselt war. Stahmann wäre "sonst nach dem Training mal zu ihm hingegangen und hätte ihm gesagt, dass das doch Zuschauer auch trifft".

Stahmann hat nun seinem Herzensverein Werder geschrieben, kurz nach dem Heimspiel gegen Rasenballsport Leipzig am 10. April. Der Schriftzug "Inklusion" hatte riesig von dort geprangt, wo sonst die treuesten Werder-Fans stehen. "Für mich als Betroffener mit einer Rot-Grün-Schwäche wirkt dies wie blanker Hohn", schrieb er seinem Verein.

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Im Pokalhalbfinale Werder gegen Rasenballsport drei Wochen später spielten wieder die Grünen gegen die Roten. Werder hatte sich bei ihm für die E-Mail bedankt, Bedauern über seinen Unmut ausgedrückt – und ihn an die DFL verwiesen. Die habe ein Vetorecht: "Hier könnten Sie also am besten Ihr Anliegen platzieren und um mehr Aufmerksamkeit bitten", hieß es in der Antwort des Bundesligisten, der zudem erklärte, er versuche natürlich so oft es geht, in seinen Vereinsfarben zu spielen.

DFL will Klubs hinweisen

Stahmann hat von der DFL keine Rückmeldung bekommen. Vielleicht ist aber der Ball ein wenig ins Rollen gekommen: Auf t-online-Anfrage teilte der Ligaverband mit, man werde die Profiklubs vor der kommenden Saison auf das Thema hinweisen. Bei der DFL selbst werden vor einer Saison die Trikots der 1. und 2. Bundesliga vom Bereich "Sport und Nachwuchs" geprüft. In der Richtlinie "Spielkleidung und Ausrüstung" geht es aber um Regularien zur Größe von Sponsorenaufdrucken und Logo.

Zur Abstimmung der Trikots gibt es vor Bundesligaspielen ein Online-Tool. Der Heimklub hat Vorrecht, danach trifft der Gastverein seine Auswahl. Der Schiedsrichter der Partie muss noch zustimmen, die DFL hat aber darauf keinen Einfluss.

Der deutsche Fußball könnte hier nach England schauen. "Klubs, die eine Farbsehschwäche nicht als Behinderung gemäß dem Gleichheitsgesetz anerkennen, tun dies auf eigenes Risiko", warnt der Verband FA sogar. Der Satz steht in einer 77-seitigen Broschüre mit dem Titel "Farbsehschwächen im Fußball – Besseres Fußballerlebnis für Alle". Auf deutsch – denn das Papier ist in Kooperation mit der Uefa in diverse Sprachen übersetzt worden. Darin findet sich auch das anschauliche Foto von Trikots in verschiedenen Farben in einer Kabine.

Es geht darin nicht nur um die Trikotwahl, es geht auch um Stadionpläne, Beschilderungen, Webseiten und sogar um Handreichungen für Trainerschulungen.

Fans der Bundesliga müssen schon selbst in die Rolle eines Teams schlüpfen, wenn sie einen garantierten Kick ohne Farbprobleme haben wollen: Wer die Fußballsimulation FIFA 21 spielt, kann dort in den Einstellungen Farbenblindheit ausgleichen. Kommentator: Wolff Fuss.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Markus StahmannAnfragen an DFL, Werder Bremen und UEFAColour Blind Awareness: Farbsehschwächen im FußballUefa.com: Lars Lagerbäck on colour blindnesssportbuzzer.de: "Eine Halbzeit mit ..." – Der RND-Fußball-Podcast mit Wolff Fuss
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