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Bayern-Coach Hansi Flick: Was Europas Trainer des Jahres so einzigartig macht


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Europas Trainer des Jahres
Hansi Flick: Was den Bayern-Coach so einzigartig macht


Aktualisiert am 02.10.2020Lesedauer: 4 Min.
Von seinen Spielern geschätzt: Bayern-Trainer Hansi Flick wird nach dem Gewinn der Champions League gefeiert.Vergrößern des Bildes
Von seinen Spielern geschätzt: Bayern-Trainer Hansi Flick wird nach dem Gewinn der Champions League gefeiert. (Quelle: imago-images-bilder)

Hansi Flick ist Europas Fußballtrainer des Jahres. Von seinen Wesenszügen her passt er auf den ersten Blick so gar nicht zum glamourösen FC Bayern München. Und doch hat er Vieles, was anderen Größen seiner Zunft abgeht.

Das schnuckelige Café liegt inmitten der Heidelberger Altstadt, zwei Querstraßen oberhalb des Neckarufers. Gegenüber, auf dem Markt am Neuenheimer Feld, steht eine kleine pittoreske Kirche. Freitags geht es hier immer umtriebig zu.

Aus der Anonymität in den Fokus

Landwirte aus dem Odenwald verkaufen selbst angebautes Gemüse in prächtigen Farben, aus mobilen Holzkohleofen duftet herrlich frisches Brot. Nebendran ist die Dorfschänke – Hausmannskost. In dieser Umgebung fühlt sich Hans-Dieter Flick am wohlsten, taucht in der quirligen Masse an Menschen unter.

Im Café sitzt er gegenüber von Studenten, auch die Handballprofis der Rhein-Neckar Löwen um Uwe Gemsheimer kommen gerne in die Bar Centrale auf einen Espresso vorbei. Man kennt sich.

2014 am großen Ziel mit der DFB-Elf

Dass er 2014 als Co-Trainer mit Deutschland Fußball-Weltmeister wurde, hat an seiner Anonymität wenig geändert. Doch im November 2019 wurde Flicks Welt auf den Kopf gestellt: Der FC Bayern München machte den Badener zuerst zum Interimstrainer, dann zum Chefcoach.


Erster Ansprechpartner der hochbezahlten Fußballer war der heute 55-Jährige da schon längst. Das war bei jedem Training des deutschen Rekordmeisters unverkennbar. Ebenso, dass sich jene hochbezahlte Mannschaft von Vorgänger Niko Kovac – der Flick wenige Monate zuvor an die Säbener Straße geholt hatte – entfremdet hatte.

Karl-Heinz Rummenigge schwärmt von Hansi Flick

"Er hat über Nacht aus Regen Sonnenschein gemacht", sagte unlängst FCB-Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge über seinen mutmaßlich wichtigsten Angestellten. Als Angestellten des Arbeitgebers FC Bayern bezeichnet sich Flick oft selber, manchmal in einer Tonlage, als könne er es immer noch nicht so recht glauben.

Bescheidenheit ist diese Grundeigenschaft, die ihm alle Weggefährten nachsagen. Und Fleiß, sehr viel Fleiß. Als er Ende 2019 eine nicht nur hochbezahlte, sondern auch hochverunsicherte Mannschaft übernahm, sah er auf mancher Pressekonferenz so müde aus, als habe er die halbe Nacht nicht geschlafen. Hatte er vermutlich auch nicht.

Sein müder Blick verbarg die Energie, mit der er die Angelegenheit in München anpackte. Von Beginn an merkte man ihm an: Da ist einer, der sich beweisen will, ein Trainer, der sich seine Chance erarbeiten will, einer, der nicht den großen Namen hat (und will) wie mancher Vorgänger (Louis van Gaal, Pep Guardiola, Carlo Ancelotti).

Großer Unterschied zu Pep Guardiola und Carlo Ancelotti

Auch deshalb passte er auf den ersten Blick nicht so recht in die glamouröse Welt des Bundesliga-Riesen. Ein Beispiel: Der Spanier Guardiola wohnte zeitweise in einer noblen Hotelanlage am Alten Botanischen Garten. Während "Pep" oft im feinen Zwirn zu Pressekonferenzen kam, trägt Flick Sweater. Während der Startrainer bis zum Ende unnahbar schien, machte Flick höflich bei Pressekonferenzen stets ein paar Schritte auf die erste Reihe zu und schüttelte Hände, als die Corona-Pandemie noch fern und der Händedruck ein Zeichen des gegenseitigen Respekts war.

"Das Trainerteam und ich", sagt er konstant, wenn er auf seine Erfolgsformel angesprochen wird. Es ist ein Satz, der alles über seine Menschenführung aussagt. Flick stellt sich hinten an, nimmt sich nicht zu wichtig, ist Partner, Zuhörer und Unterstützer. In Erinnerung ist zum Beispiel geblieben, wie er den von Kovac aussortieren Javi Martinez tröstete, als der Baske weinend auf der Bank saß. Es sind Bilder, die die Spieler nicht vergessen. Auch hier sind Unterschiede zu anderen Größen seiner Zunft erkennbar, die Profis gerne mal verheizen (Guardiola) oder öffentlich bloßstellen (José Mourinho).

Flicks Spieler vertrauen dagegen jenem Mann, der in der Branche offensichtlich jahrelang unterschätzt wurde. Gemeinsam wurden sie zuletzt Deutscher Meister, DFB-Pokalsieger, holten die Champions League und beide Supercups. Flick selbst wurde nun zu Europas Fußballtrainer des Jahres 2020 gewählt. Längst ist eine Debatte darüber entbrannt, wieviel Anteil Flick als Assistent von Joachim Löw (2006 - 2014) am WM-Sieg tatsächlich hatte. Dem Vernehmen nach ließ er die von Löw ungeliebten Standards akribisch üben – Mats Hummels köpfte das DFB-Team nach einem ebensolchen Standard gegen Frankreich (1:0) ins Halbfinale. Bezeichnend.

Flick revitalisierte Jerome Boateng und Thomas Müller

Ebenso bezeichnend, dass er bei den Bayern nun Jerome Boateng und Thomas Müller revitalisierte – man kannte sich bereits aus enger Zusammenarbeit bei der Nationalmannschaft. Zum Dank bescheinigen sie ihm nun eine "hohe Empathie". Dem authentischen Typen Flick, der dem Trubel der bayerischen Landeshauptstadt mit ihren 1,56 Millionen Einwohnern in seinen kurzen Pausen in die Ruhe der 6.500-Einwohner-Gemeinde Bammental neun Kilometer südöstlich von Heidelberg entflieht.

Dass München ausschließlich fußballerische Heimat bleibt, ist wohl keine zu gewagte These. Nachdem Flick zwischen 1985 und 1990 auch unter seinem Vorbild Jupp Heynckes für den FC Bayern gespielt hatte, zog es ihn schon einmal zurück in seine Heimat Bammental. Dorthin, wo er für Fußball-Deutschland zwischenzeitlich fast schon in Vergessenheit geriet.

Heute kennt ihn jeder, wenn er über den kleinen Markt auf dem Neuenheimer Feld spaziert. Für einen Espresso, gegenüber der malerischen Kirche, inmitten der Leute.

Verwendete Quellen
  • eigene Beobachtungen
  • Süddeutsche Zeitung: Auf zum Späti!
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