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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Niederlage gegen FC Bayern Diese Pleite stürzt den BVB in eine Sinnkrise
Das 0:1 gegen den Rekordmeister hat das Potenzial, bei Borussia Dortmund schwere Selbstzweifel auszulösen. Denn gleich mehrere Punkte sollten den Schwarz-Gelben nun Kopfzerbrechen bereiten.
Ein Spiel, ein Gegentor – das reicht, um ganz Dortmund in kollektive Enttäuschung zu stürzen. Das 0:1 im Bundesliga-Topspiel gegen den FC Bayern kann einen Knacks bedeuten in der Wahrnehmung dieser Saison 2019/20 für den BVB.
Dabei war die Mannschaft von Trainer Lucien Favre mit reichlich Dampf aus der Corona-Pause gekommen: 4:0 im Revierderby gegen Schalke 04, in der Vergangenheit reichte so ein Ergebnis den Schwarz-Gelben fast aus, um eine Spielzeit als "gelungen" zu bewerten. Danach folgte der 2:0-Arbeitssieg beim VfL Wolfsburg, nicht schön, aber erfolgreich. Auch solche Spiele müssen erst mal gewonnen werden.
- Drei Mal Note fünf : Die BVB-Einzelkritik nach dem Topspiel
Nun aber das 0:1 im Duell mit dem FC Bayern – und alle guten Auftritte und Eindrücke zuvor scheinen wie weggefegt. Stattdessen treten jetzt wieder die Probleme hervor – und drei bittere Erkenntnisse:
► Der BVB hat schon jetzt alle Titelchancen verspielt
Sieben Punkte Rückstand auf die Bayern bei noch sechs ausstehenden Bundesligaspielen – die Meisterschaft ist aus Dortmunder Sicht so gut wie abgehakt. "Ich denke, damit sind alle anderen Mannschaften außer Bayern raus", gestand auch BVB-Kapitän Mats Hummels nach der Partie am Dienstagabend ein. "Wir sind sieben Punkte hintendran. Wir müssten alle Spiele gewinnen und auf drei Ausrutscher in sechs Spielen hoffen", sagte der 31-Jährige – und gab das neue Ziel aus: "Wir sollten zusehen, dass wir unsere Spiele gewinnen und Platz zwei mindestens holen."
Schon zuvor war Dortmund im Champions-League-Achtelfinale an Paris Saint-Germain gescheitert (2:1, 0:2), im DFB-Pokal kam das bittere Aus ebenfalls im Achtelfinale durch ein mitreißendes 2:3 bei Werder Bremen. Damit steht so gut wie fest: Die Borussia wird 2019/20 ohne Titel bleiben. Und das, obwohl man vor Saisonstart vergangenen Sommer noch offensiv formulierte, Meister werden zu wollen. Am Ende steht der BVB wohl erneut mit leeren Händen da.
► Die Geisterkulisse raubt Dortmund seine Geheimwaffe
Die "gelbe Wand" ist einmalig: 25.000 Fans in der Südtribüne – die Atmosphäre im Signal-Iduna-Park sorgt für Gänsehaut bei den BVB-Profis und für reichlich Respekt bei den Gegnern. Und ist die große Stärke der Mannschaft, ihr Rückhalt, ihre donnernde Unterstützung. Normalerweise.
Denn durch die Corona-Regeln und die daraus resultierenden Geisterspiele fehlt im menschenleeren Stadion die Emotion. Im kuriosesten Revierderby der Geschichte zum Re-Start reichte es gegen indisponierte Schalker, gegen die Bayern aber fehlte das Feuer, das die Fans normalerweise ins Spiel bringen. "Ich denke schon, dass es für Bayern ein Vorteil ist, dass das Stadion leer ist", sagte Bayern-Legende Bastian Schweinsteiger vor der Partie – und sollte Recht behalten.
Denn der BVB zeigte gegen den Rekordmeister kein schlechtes Spiel. Die Unterstützung der Fans im Rücken hätte bei den Dortmunder Spielern noch mal Energien freisetzen, die Mannschaft noch mal nach vorne peitschen und selbst die erfahrenen, abgezockten Bayern-Profis beeindrucken können. 0:1, wenige Minuten vor Schluss, und dann die gelbe Wand im Rücken? Da scheint noch alles möglich. Es liegt nun an Trainer und Mannschaft, dieses Feuer in den nächsten Spielen selbst zu entfachen.
► Lucien Favre scheint plötzlich wieder stark angeschlagen
Dass der Schweizer Trainer zum Grübeln neigt, ist hinlänglich bekannt. Doch als Favre nach dem 0:1 mit Aussagen verwirrte, die man schon als Abschiedsgedanken interpretieren könnte, wurde deutlich, wie sehr die aktuelle Saison am 62-Jährigen nagt. Schon in seiner ersten BVB-Saison 2018/19 gab es trotz zeitweise berauschendem Fußball keinen Titel – stattdessen blieb in Erinnerung, dass Dortmund neun Punkte Vorsprung auf die Bayern verspielte und sich mit Platz zwei zufriedengeben musste.
Schon damals wurden Stimmen laut, Favre sei kein Meistertrainer – und diese Stimmen kommen nun wieder auf. "Das sagt man hier seit Monaten", bekannte der Übungsleiter am Dienstagabend selbst. Dem sensiblen Favre geht das nahe. Schon im November wackelte der Trainer, als es erst eine 0:4-Klatsche in München, dann ein 3:3 zuhause gegen Aufsteiger Paderborn gab.
Und: Auch von Spielern kommt leise Kritik: "Der Trainer hat so entschieden, das muss man so akzeptieren. Es ist jetzt blöd gelaufen, hätten wir gewonnen, würden wir hier stehen und sagen, es war alles richtig. Jetzt kann man diskutieren", sagte Emre Can nach dem Bayern-Spiel auf die Frage, warum er denn nicht von Anfang an gespielt habe.
Ein Spiel hat gereicht, um Favre wieder ins Wackeln zu bringen. Mit seinen Äußerungen hat er selbst die Diskussionen wieder befeuert. Sie werden bis Saisonende nicht abreißen.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und SID