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Stefan Effenberg: Protz-Profis haben im Fußball nichts mehr zu suchen


Meinung
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Wegen der Corona-Krise
Protz-Profis haben im Fußball nichts mehr zu suchen

MeinungEine Kolumne von Stefan Effenberg

Aktualisiert am 14.05.2020Lesedauer: 6 Min.
Kein ungewöhnliches Auto für einen Bundesliga-Profi: ein Ferrari. Stefan Effenberg sieht protzende Profis in Zeiten von Corona allerdings kritisch, gerade wenn es um Fotos in sozialen Netzwerken geht.Vergrößern des Bildes
Kein ungewöhnliches Auto für einen Bundesliga-Profi: ein Ferrari. Stefan Effenberg sieht protzende Profis in Zeiten von Corona allerdings kritisch, gerade wenn es um Fotos in sozialen Netzwerken geht. (Quelle: Stockhoff/imago-images-bilder)
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Warum die Bundesliga sich auf ein falsches Modell für einen möglichen Saisonabbruch konzentriert und weshalb die Vereine bei prahlenden Spielern durchgreifen müssen.

Nach zehn Wochen Zwangspause geht es am Samstag weiter: Die Bundesliga erlebt mit dem 26. Spieltag als erste große Fußballliga weltweit ihren Re-Start und hat nun eine unfassbare Verantwortung. Wir sind jetzt der Vorreiter – und da drücke ich wirklich die Daumen, dass das funktioniert. Ich glaube, dass wir gut beraten sind von Ärzten und Experten. Und ich denke, dass die DFL und auch die Politik eine gute Entscheidung getroffen haben.

Natürlich gibt es noch viele offene Fragen.

Vielleicht die Wichtigste ist für mich, wie die Gesundheitsämter in den kommenden Wochen reagieren, sollte es die nächsten positiven Corona-Tests geben. Wir hatten bisher zum Beispiel positive Tests in Köln und Dresden – in beiden Fällen haben sie unterschiedlich entschieden. In Köln sind nur die betroffenen Spieler und Betreuer isoliert worden, bei Dynamo Dresden war es die ganze Mannschaft samt Betreuerstab.

Schicken die Gesundheitsämter nach Dresden erneut ein ganzes Team für 14 Tage in Quarantäne, ist aus meiner Sicht kein sportlich fairer Wettkampf mehr möglich – weder in der zweiten noch in der ersten Bundesliga. Wie willst du zwei Wochen komplett auf das Training verzichten und dann nach 14 Tagen einen Kaltstart hinlegen gegen eine Mannschaft, die voll im Saft steht? Die DFL bereitet sich auch auf so ein Szenario vor – leider jedoch mit dem falschen Modell. Sie schickte am Dienstag einen Antrag an alle 36 Profiklubs, in dem sie diesen Fall regeln wollte.

DFL-Plan ist sportlich nicht fair

Wenn die Liga abgebrochen wird, solle demnach der Tabellenstand zu diesem Zeitpunkt zählen – also der Erste auch Meister werden und die letzten beiden Vereine absteigen – auch wenn es erst der 27. Spieltag sein sollte. Damit soll wohl verhindert werden, dass ein abgeschlagener Verein einen Saisonabbruch provoziert.

Der Vorschlag stieß sogleich auf Protest. Auch ich halte das für sportlich nicht fair. Die Vereine würden um die Chance gebracht, ihre Lage zu korrigieren, einen Abstieg zu vermeiden oder noch den Europacup zu erreichen – weil sie nicht gegen jeden Verein zweimal hätten spielen dürfen. Der eine Klub hat bereits zweimal gegen Bayern gespielt und hätte womöglich ein leichteres Restprogramm. Der andere hätte vielleicht noch ein schweres Auswärtsspiel in München vor der Brust, bei dem er keine Punkte holen würde. Ein Abbruch kann unmöglich die Lösung sein. Genauso wenig wie eine Annullierung der Saison oder eine Aufstockung.

Die Saison darf nicht abgebrochen werden

Aus meiner Sicht gibt es nur ein Modell, um die Saison gerecht zu Ende zu bringen: Die Spielzeit darf nicht abgebrochen werden – egal wie lange sie dauert und selbst wenn sie erst im Oktober beendet wird.

Fakt ist: Wir wissen nicht, wann wieder ein geregelter Spielbetrieb möglich sein wird, wie wir ihn kennen. Was, wenn wir nach dem 28. Spieltag wieder unterbrechen müssen und erst im September weiterspielen können? Warum dann nicht die Tabelle für diese Zeit einfrieren und – sobald es eben wieder möglich ist – mit dem 29. Spieltag weitermachen, die Saison zu Ende spielen und anschließend direkt mit der neuen Saison weitermachen? Genug Sommerpause hätten die Spieler dann auch gehabt.

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Die DFL müsste drei Hindernisse überwinden.

  1. Die Transferphase, nachdem einige Verträge am 30. Juni enden. Meiner Meinung nach besteht dort jedoch kein Handlungsbedarf. Die Spieler können doch den Verein wechseln und dann die Saison beim neuen Klub beenden. Es gibt doch ohnehin keine Garantie, dass ein Spieler einschlägt.
  2. Den Zeitplan für die neue Saison. Auch dabei sehe ich keine Probleme. Die DFL könnte die Winterpause ausfallen lassen und am besten gleich langfristig abschaffen. Die deutsche Nationalmannschaft könnte ein paar Testspiele absagen. Zumal auch die Fortführung des Europacups noch in den Sternen steht. Wird diese Europacup-Saison beendet? Wird die nächste wie gewohnt stattfinden? Alles unklar! Vielleicht wird ja auch die kommende Champions-League-Saison einfach in einem neuen Modus ausgetragen – vielleicht nur mit den jeweiligen Meistern, den Tabellenzweiten und im K.o.-Modus.
  3. Die Belastung für die Spieler und Vereine. Und auch die ist verkraftbar. Der FC Liverpool hat in der abgelaufenen Saison 53 Pflichtspiele absolviert, der FC Bayern beispielsweise 48. Liverpool ist Champions-League-Sieger geworden.

Eine einheitliche Lösung für die europäischen Topligen ist ohnehin schon jetzt vom Tisch. Frankreich, Belgien oder die Niederlande haben ihre Saison abgebrochen – wir dagegen spielen am kommenden Wochenende weiter.

Die Krise hat uns zwei Dinge gelehrt

Wenn wir in dieser Corona-Krise zwei Dinge gelernt haben, dann diese: 1. Wir müssen auf Sicht fahren, weil wir nicht wissen, was passiert. 2. Wir müssen über Szenarien nachdenken, die unter normalen Umständen undenkbar gewesen wären. Und das sollten wir auch in Bezug auf die Bundesliga tun – um sie sportlich fair zu Ende zu bringen. Denn das ist das alles Entscheidende.

Schon jetzt ist klar, dass im Fußball erstmal nichts mehr sein wird, wie es vor der Corona-Krise war. Kurzfristig sind das die Geisterspiele oder das Verbot, gemeinsam zu jubeln. Mittel- und langfristig werden sich die wirtschaftlichen Folgen deutlich niederschlagen. Für viele Vereine steht die Existenz auf dem Spiel. Klubs stecken schon jetzt in finanziellen Nöten – und wir wissen noch nicht einmal, wie lange das alles noch anhält. Allein die fehlenden Zuschauereinnahmen aufgrund der Geisterspiele: Wenn die Woche für Woche fehlen, hast du ein Problem. Diese Krise geht selbst am FC Bayern ganz sicher nicht spurlos vorbei.

Nun dreht sich das Rad in die andere Richtung

Sie wird sich natürlich auch auf Transfers und Gehälter auswirken. Leroy Sané kostet statt 80 oder 100 wohl plötzlich nur noch 40 Millionen Euro – und auch die Vertragsverlängerungen beim FC Bayern werden wohl zu etwas anderen Konditionen vollzogen als ohne Corona-Krise. Der ganze Markt wird sich selbst regulieren. Ablösesummen im dreistelligen Bereich sind erstmal vom Tisch.

Für den Fußball muss das nicht nur schlecht sein. Im Gegenteil. Viele Entwicklungen waren für Fans und Zuschauer ohnehin kaum noch zu verstehen geschweige denn zu erklären. Nun dreht sich das Rad eben mal in die andere Richtung – und entsprechend demütig sollte der Fußball dem begegnen.

Deshalb ist es auch schwer zu erklären, wenn Spieler nun Bedenken beim Re-Start der Bundesliga haben.

Ich habe kein Verständnis, wenn sich Fußballer beklagen

Jedes dritte Unternehmen in Deutschland befindet sich in Kurzarbeit. In ganz vielen Branchen sitzen die Menschen noch immer zu Hause und sorgen sich um ihren Job und ihre Zukunft. Sie fragen sich, ob sie ihren Urlaub nicht nur in diesem Jahr streichen müssen und ob sie überhaupt noch mal in den Urlaub fahren können. Sie fragen sich, ob sie ihr Auto verkaufen müssen und ob sie sich ihre Wohnung noch leisten können. Diese Menschen würden alles dafür tun, wieder ihren Jobs nachgehen zu dürfen.

Sie – und auch ich – haben überhaupt kein Verständnis dafür, wenn ein Fußballer nun beklagt, er sei nicht gefragt worden, ob er wieder spielen wolle. Oder wenn eine Mannschaft – wie angeblich Dynamo Dresden – über einen Streik nachdenkt. Zumal es den Spielern doch weiterhin selbst überlassen ist. Wenn ich als Spieler zur Risikogruppe gehöre oder aus anderen Gründen ein schlechtes Gefühl habe und mich um meine Gesundheit sorge, dann kann ich das meinem Verein sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Verein einen Spieler dazu zwingen würde, ein Spiel zu bestreiten. Deshalb muss doch jetzt im Vordergrund stehen: Es gibt ein Konzept, das meine Sicherheit gewährleistet, soweit es eben geht – und ich kann endlich wieder meinem Beruf nachgehen.

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Wie dumm kann man sein?

Ohnehin: In Zeiten von Corona sollten Fußballer künftig mehr Demut und Sensibilität an den Tag legen.

Wenn ich auf der einen Seite die Menschen sehe, die um ihre Zukunft und ihre Existenz bangen – und auf der anderen Seite Fußballer, die ein Bild aus dem Privatjet posten, dann frage ich mich: Wie dumm kann man sein? Aus meiner Sicht muss Schluss sein mit Privatjets und protzigen Fotos in den sozialen Netzwerken.

Wer den Schuss nicht gehört hat und das nicht versteht, hat im Fußball nichts zu suchen.

Ich würde mir wünschen, dass die Vereine in Zukunft drastisch darauf reagieren – und die Spieler rauswerfen. Die Klubs sollten am besten auch entsprechende Klauseln in die Verträge einbauen. Sie haben die große Verantwortung, dafür zu sorgen, dass das nicht mehr passiert.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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