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Alexander Zickler im Interview: RB-Mäzen Mateschitz? "Ich bewundere ihn"


Interview
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Alexander Zickler
RB-Mäzen Mateschitz? "Ich bewundere ihn"

  • Dominik Sliskovic
InterviewVon Dominik Sliskovic

Aktualisiert am 20.03.2020Lesedauer: 7 Min.
Alexander Zickler: Der frühere Bayern-Stürmer ist seit Sommer 2019 Co-Trainer bei Borussia Mönchengladbach.Vergrößern des Bildes
Alexander Zickler: Der frühere Bayern-Stürmer ist seit Sommer 2019 Co-Trainer bei Borussia Mönchengladbach. (Quelle: Jan Huebner/imago-images-bilder)

Ex-Bayern-Star und Gladbach-Co-Trainer Alexander Zickler spricht im t-online.de-Interview über die Rolle des Stürmers und lobt die Arbeit von Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz.

Alexander Zickler holte als Stürmer mit dem FC Bayern München jeden Titel, den es im europäischen Vereinsfußball zu gewinnen gibt: Sieben deutsche Meisterschaften, vier DFB-Pokalerfolge, Uefa-Pokalsieger 1996, Champions-League- und Weltpokalsieger 2001. Nach seiner Karriere wurde er Trainer, arbeitete unter anderem für RB Salzburg. Seit Sommer 2019 ist er als Co-Trainer von Borussia Mönchengladbach an der Seite von Marco Rose zurück in der Bundesliga.

Im t-online.de-Interview spricht Zickler über das Anforderungsprofil des modernen Mittelstürmers und blickt mit Bewunderung auf seinen Ex-Klub RB Salzburg zurück. Dabei findet er insbesondere für eine kontrovers diskutierte Person lobende Worte: Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz.

t-online.de: Herr Zickler (46), Sie erzielten 55 Tore in der Bundesliga, wurden in Österreich zwei Mal Torschützenkönig. Wie lassen Sie Ihre Erfahrung ganz konkret in der täglichen Arbeit mit den Gladbacher Stürmern einfließen?

Alexander Zickler: Die Aufgaben des Stürmers sind im Vergleich zu meiner aktiven Zeit wesentlich komplexer geworden. Was jedoch geblieben ist, ist dass ein Stürmer noch immer in erster Linie an seinen Abschlüssen und Torerfolgen gemessen wird. Und da möchte ich, gemeinsam mit dem ganzen Trainerteam, den Jungs die bestmöglichen Lösungen aufzeigen. Da geht es vor allem darum, die richtigen Laufwege zu verinnerlichen: Wie verhalte ich mich im Strafraum, wie positioniere ich mich zum Gegenspieler, wie laufe ich mich am besten für Zuspiele frei. Das gelingt uns, indem wir konkrete Abläufe immer wieder trainieren lassen und die Jungs so eine gewisse Sicherheit in ihren Aufgaben bekommen.

Sie sagen, die Aufgaben des Stürmers seien heute wesentlich komplexer als zu Ihrer aktiven Zeit. Bedeutet das, dass Sie sich auch – etwa durch Videostudium – neues Wissen aneignen mussten?

Früher hast du als Stürmer eine Waffe gebraucht: Entweder du hattest eine enorme Geschwindigkeit, oder du hattest ein überragendes Strafraumverhalten. Das reicht heutzutage jedoch nicht mehr aus, wenn du ein Topstürmer sein willst.

Dass es diese Entwicklung zum komplexeren Stürmer gibt, habe ich durch regelmäßiges Fußballgucken am Fernseher und gezieltes Videostudium erkannt. Diese visuellen Reize versuche ich als Inspiration für unser Spielsystem mit den extrem vielen einstudierten Laufwegen zu nehmen.

Inwiefern erkennen Sie, dass die jungen Gladbacher Goalgetter Thuram und Embolo bereits von der Zusammenarbeit mit Ihnen profitieren?

Ich muss sagen: Unsere Stürmer hatten auch bereits vor unserem Dienstantritt eine extrem hohe Qualität (schmunzelt). Es geht in unserer Arbeit mit ihnen eher darum, sie an unser Spielsystem anzupassen. Ganz konkret bedeutet das, sie für das extrem hohe Pressing zu sensibilisieren und aufzuzeigen, wie wir nach einem Ballgewinn möglichst schnell in die Umschaltmomente kommen. Wir wollen in diesen Situationen nämlich nicht den geregelten Spielaufbau, sondern den Vorteil, den wir durch den Ballgewinn haben, sofort ausnutzen. Das bedeutet für die Stürmer, sich sofort freizulaufen und die Wege in die Tiefe zu machen.

Mit dem Umschaltspiel geht auch die Renaissance des klassischen Neuners einher, der auf Zuspiele lauern und mit einem schnellen Antritt die Abwehr düpieren kann.

Mit Dortmunds Erling Haaland haben wir genau dafür das beste Beispiel in der Bundesliga. Aber auch ihn macht seine Flexibilität aus: Neben tiefen Läufen auch Räume im Strafraum schaffen, sich im richtigen Moment in den Zehnerraum fallen lassen und so Flächen für die Flügelstürmer schaffen – all das macht für mich einen modernen Mittelstürmer aus. Die Zeiten des klassischen Bombers, eines Gerd Müllers, sind vorbei.

Ihre große Stärke als Aktiver war, dass Sie nicht lange brauchten, um von der Bank kommend einen Unterschied im Spiel zu machen. Kann man so etwas trainieren?

Da geht es um mentale Stärke. Du musst dich offen mit deiner Situation beschäftigen können, darfst nicht in ein Loch fallen, nur weil du zunächst auf der Bank sitzt. Du musst Situationen schnell annehmen, das Spiel ganz genau beobachten und lesen können, sodass du weißt, was von dir erwartet wird, wenn du eingewechselt wirst.

Nach einer langen, erfolgreichen Zeit beim FC Bayern München wechselten Sie 2005 zu RB Salzburg. War die Entwicklung, die der Klub in den vergangenen zehn Jahren gemacht hat, abzusehen?

Als ich zu Salzburg wechselte, ging es dem Verein zunächst einmal darum, sich in der Liga zu positionieren. Das sah man auch am Altersdurchschnitt des Kaders – da wurde auf viel Erfahrung gesetzt. Drei, vier Jahre später wurde dann eine Verjüngungskur ausgerufen und mit ihr ein neues Spielsystem, das Ralf Rangnick in seiner Zeit als Sportdirektor verfeinert hat. Nun spielt man den mutigen Offensivfußball, den man sich damals gewünscht hat, und kann dabei vielen jungen Talenten bereits Vertrauen und Verantwortung schenken.

Dürfen Sie sich also auch ein Stück weit das heutige RB Salzburg und seine Attraktivität für junge Talente – man nenne nur Mané, Minamino und Haaland auf die Fahne schreiben?

Meine damaligen Mitspieler und ich haben durch die Erfolge, die wir gefeiert haben, sicher dazu beigetragen, dass eine gewisse Euphorie um den Verein entstand, durch die auch seine Attraktivität außerhalb Salzburgs gesteigert werden konnte. Es freut mich, dass Salzburg in vergangener Zeit mit seinem jungen Kader auch international Erfolge feiern konnte – das ist etwas, was mir mit RB verwehrt blieb.

Sie begannen Ihre Trainerkarriere 2012 im Salzburger Nachwuchsbereich. Worauf wird dort in der Jugendarbeit besonders Wert gelegt?

Es geht es in erster Linie darum, die Spielphilosophie, die die erste Mannschaft vorlebt, den Akademiespielern nahe zu bringen. Bei alledem geht es uns immer darum, dass die Jungs Spaß am Fußball haben. Das darf nicht vernachlässigt werden.

Wie reagieren Sie, wenn Ihnen vorgeworfen wird, dass Sie sich von Herrn Mateschitz für den Aufstieg Red Bulls im Fußball haben einspannen lassen? Die aktuellen Proteste und Beleidigungen gegen Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp emotionalisieren diese Thematik noch einmal neu.

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Ich finde es schade, dass solche Anfeindungen passieren. Die haben nichts in einem Fußballstadion verloren. Ich weiß vom Herrn Mateschitz, was hinter seinem sportlichen Engagement alles steckt. Wie stark er sich sozial in den jeweiligen Gemeinden und Regionen engagiert – das wissen nämlich nur die Wenigsten. Es ist faszinierend, was Menschen wie Herr Mateschitz ermöglichen. Dafür bewundere ich ihn. Umso unverständlicher ist für mich dieser Hass gegen sie in den Stadien.

Inwiefern spüren Sie dennoch, dass Sie bei Borussia Mönchengladbach nun bei einem klassischen Traditionsverein angestellt sind?

Was mich an Gladbach bereits zu meiner aktiven Zeit fasziniert hat, ist dieser uneingeschränkte Zusammenhalt, der auch in schweren Zeiten nicht schwindet. Aber wer sagt, dass es einen solchen Zusammenhalt in Hoffenheim oder Leipzig eines Tages nicht geben wird? Ich sehe es bei meinen Kindern, die glühende Salzburg-Fans sind, und denen die Diskussionen um Red Bull vollkommen egal sind. Faktoren wie Fankultur und Zusammenhalt brauchen Zeit, um zu entstehen – und die sollte man Vereinen wie etwa Hoffenheim auch geben, um ihre eigene Tradition zu entwickeln.

Kommen wir zurück zum Sportlichen: Kommt der Spaß am Fußball im Profibereich zu kurz?

Schwieriges Thema. Natürlich fordern wir von Profis ein, Spielfreude zu entwickeln. Andererseits ist Fußball harte Arbeit. Da eine Balance zu finden, ist eine der Aufgaben unseres Trainerteams. Denn trotz allen Drucks, der auf uns und den Spielern lastet, brauchen wir eine gewisse Lockerheit, um Leistung abrufen zu können.

2017 wurden Sie Marco Roses Co-Trainer in Salzburg, feierten zwei österreichische Meisterschaften mit RB und sind nun in Ihrer ersten Saison in Gladbach auch Titelaspirant. Was macht den Erfolg des Duos Rose/Zickler aus?

Marco kommt aus Leipzig, ich bin in Dresden groß geworden – es sind schon unsere Wurzeln, die uns verbinden. Zwischen uns beiden hat es von Beginn an gestimmt, weshalb ich mich auch dazu entschieden habe, den Schritt mit ihm zusammen nach Mönchengladbach zu machen. Ohne ihn hätte ich mir bei einer solchen Entscheidung wesentlich schwerer getan, da meine Familie noch immer in Salzburg lebt.

Die Arbeit mit ihm ist immer eine Begegnung auf Augenhöhe. Auch wenn er Cheftrainer ist, schaut Marco niemals auf mich herab. Es ist extrem wichtig, dass wir alle im Trainerteam den Respekt des Anderen spüren. Marco ist ein toller Mensch, der es allen in seiner Nähe einfach macht, sich wohlzufühlen. So kann sich jeder von uns uneingeschränkt um seinen Bereich widmen und in den sachlichen – durchaus auch kritischen – Austausch mit Marco gehen.

Wie wichtig ist das zwischenmenschliche Verhältnis der Spieler für den Erfolg? Welchen Anteil hat dieses gute Verständnis abseits des Platzes an der aktuellen Leistung?

Es wird nie so sein, dass alle Spieler im Team befreundet sind und ständig abends miteinander weggehen. Aber was uns wichtig ist, ist ein respektvoller Umgang miteinander. Bei 23, 24 Spielern im Kader – die alle ihre Ansprüche haben, die alle lieber mehr als weniger spielen wollen – ist es extrem wichtig, jedem das Gefühl zu vermitteln, dass er wichtiger Bestandteil der Mannschaft ist. Da ist die zwischenmenschliche Kompetenz des Trainerteams gefragt, den Spielern dieses Gefühl durch viele intensive, persönliche Gespräche zu vermitteln. Marco gelingt das mit seinem kumpelhaften Charakter sehr gut – ohne, dass die Spieler vergessen, dass er auch eine Menge von ihnen einfordert. Genau diesen Ansatz brauchen die Spieler: Offenes Visier, konstruktive, sachliche Kritik und ein Trainerteam, das ihnen vertraut. So beschäftigen sie sich auch tiefgründiger und ernster mit unseren Anregungen und können aus der gemeinsamen Arbeit einen Mehrwert für die Zukunft ziehen.

Was für eine Mannschaft und Infrastruktur fanden Sie vor, als Sie nach Gladbach kamen? Gibt es Dinge, die Sie aus Salzburg mitgebracht haben, die Gladbach fehlten?

Gladbach steht sehr gut da, sodass wir nicht das Gefühl haben, dass uns etwas im Vergleich zu Salzburg fehlt. Unterschiede gibt es jedoch: So gibt es in Salzburg ein Trainingsgelände allein für die Profimannschaft, das dir ein sehr ruhiges, konzentriertes Arbeiten ermöglicht hat. Andererseits gefällt es mir in Gladbach sehr gut, dass wir die Jugendmannschaften als Teil unserer Familie ansehen und den täglichen Austausch mit verschiedenen Trainern suchen können.

Inwiefern kann der mögliche Meistertitel Gladbach einen Schub für die Zukunft geben und der Klub zur Größe der Siebzigerjahre zurückkehren? Oder ist die Lücke zum FC Bayern und Borussia Dortmund zu groß?

Es steht außer Frage, dass Bayern, Dortmund und Leipzig aktuell ganz andere Möglichkeiten als der Rest der Bundesliga haben. Deshalb tun wir gut daran, wenn wir uns auf unsere Arbeit konzentrieren und sie konstant fortführen. Gelingt uns das, können wir uns Gedanken machen, welche Kleinigkeiten verbesserungs- oder ausbaufähig sind, damit wir den nächsten Schritt zur Etablierung in der Bundesliga-Spitzengruppe machen können.

Das M-Wort kommt Ihnen also noch immer nicht über die Lippen?

Ganz sicher nicht. Wir gehen demütig mit der aktuellen Situation um und wissen ganz realistisch einzuschätzen, welch großartige Leistung unsere Jungs in der bisherigen Saison abgeliefert haben. Was am Ende dabei herausspringen wird, werden wir dann sehen.

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