Ex-Trainer rechnet auf 22 Seiten ab Das Hertha-Protokoll entlarvt nur einen: Klinsmann selbst
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Auf satten 22 Seiten rechnet Jürgen Klinsmann mit seinem ehemaligen Arbeitgeber Hertha BSC ab. Doch am Ende schadet er damit vor allem einem: sich selbst. Dieses Protokoll sagt viel über Klinsmann aus.
Das "geheime Tagebuch" von Jürgen Klinsmann, wie es "Sport Bild" nennt, ist nicht mehr geheim. In einem 22-seitigen Protokoll rechnet der ehemalige Teamchef der deutschen Nationalmannschaft mit seinem Kurzzeit-Arbeitgeber Hertha BSC in einer Art und Weise ab, die es so in der Geschichte der Bundesliga wohl noch nie gegeben hat. Doch dieses Protokoll entlarvt vor allem einen: Klinsmann selbst.
Fünf Erkenntnisse zum Schreiben "Zehn Wochen Hertha BSC".
Erstens: Klinsmann fehlt es vollkommen an Selbstreflexion
Klinsmann kritisiert Manager Preetz, Präsident Gegenbauer und beispielsweise die Medienabteilung des Klubs. Ohne auch nur einmal auf 22 Seiten über mögliche eigene Fehler zu schreiben. Wenn an einem der 76 Tage seiner Amtszeit etwas schief läuft, ist immer jemand anderes schuld. Ein Cheftrainer ohne jegliche Einsicht und Selbstreflexion? Der hat im Profifußball nichts zu suchen!
Zweitens: Klinsmann sieht Spieler als Anlage, nicht als Menschen
Auf der letzten Seite des Protokolls bewertet Klinsmann jeden Hertha-Profi einzeln. Mal ist er gnädig, mal knallhart. Nur ein Beispiel: "Alexander Esswein, 29, nicht gut genug, kein Mehrwert." Versetzen Sie sich nun einmal in die Lage Essweins: Klinsmann ist Ihr Trainer. Ein ehemaliger Weltklasse-Fußballer, zu dem Sie aufschauen. Ein Mann, dem Sie vertrauen, der Ihrem Verein und allen Fans eine Perspektive und eine Vision als erfolgreicher Hauptstadt-Klub aufzeigt. Doch dann lässt er Sie und Ihr Team nach nur zehn Spielen von einem Tag auf den anderen im Stich. Schlimmer noch: Es wird veröffentlicht, was er von Ihnen hält: nämlich nichts.
Klinsmann schreibt immer wieder von einem "Mehrwert" der Profis und bei einigen von einer möglichen "Mehrwertsteigerung". Er meint damit offenbar auch den Marktwert eines Spielers. Er schreibt von Menschen, als wären sie eine Anlage. Mal eine gute Anlage, mal eine schlechte. Das ist nicht schön, aber diese Gedanken darf er haben. Dass diese dann aber in die Öffentlichkeit geraten, ist besonders bitter.
Drittens: Klinsmann tritt das Vertrauen mit Füßen
Der Ex-Hertha-Trainer beschreibt Details aus vertraulichen Gesprächen zwischen ihm und Präsident Gegenbauer sowie Investor Windhorst. Er protokolliert sogar Telefonate von Ingo Schiller, Herthas Geschäftsführer Finanzen. Die Personen, mit denen Klinsmann zusammen sitzt, gehen davon aus, dass die Gespräche vertraulich sind. Klinsmann tritt dieses Vertrauen mit Füßen.
Viertens: Klinsmann ist nicht in der Lage, selbst eine Wohnung zu finden
Klinsmann wohnt während seiner Zeit als Hertha-Trainer zunächst im Berliner "Hotel de Rome" und zieht dann ins "Titanic Hotel" am Gendarmenmarkt um. Sein Kritikpunkt im Protokoll: "Vom Verein kommt für den gesamten Trainerstab keinerlei Hilfe oder Angebot zwecks Unterstützung bei der Wohnungssuche o. Ä." Doch Klinsmann ist 55 Jahre alt. Er lebte in München, Mailand, London und Los Angeles. Er dürfte durchaus in der Lage sein, selbst eine Wohnung zu finden. Kurios, dass ein erwachsener Mann dabei Hilfe vom Arbeitgeber erwartet.
Fünftens: Klinsmann ist egal, wie es mit Hertha weitergeht
Hertha steht aktuell auf dem 14. Tabellenplatz in der Bundesliga, hat gerade mit 0:5 gegen Keller-Kontrahent Köln verloren. Klinsmann ist es offensichtlich völlig egal, wie es mit dem Verein weitergeht. Das Gerede über seine emotionale Verbundenheit zum Verein schon als Kind und Jugendlicher? Ist nichts wert. Sein Protokoll wird für weitere unnötige Unruhe im Klub sorgen. Dabei sollten sich bei Hertha aktuell alle darauf konzentrieren, wichtige Punkte im Abstiegskampf zu holen. Klinsmanns Verhalten ist beschämend. Verliert Hertha am Freitag in Düsseldorf, hat er seinen Teil dazu beigetragen.