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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hertha-Profi Lazaro "Dann können wir den Bayern gefährlich werden"
Niederlagen in der Liga gegen den FC Bayern kennt Valentino Lazaro nicht. Er weiß, wie man die Münchener knackt. Am Samstag trifft er mit Hertha in der Allianz-Arena erneut auf den deutschen Rekordmeister.
In Österreich galt Valentino Lazaro einst als Jahrhunderttalent. Bereits als Jugendspieler von Red Bull Salzburg trainierte er bei den Profis mit. Doch mehrere Verletzungen warfen den inzwischen 22-Jährigen immer wieder zurück. Im Sommer 2017 wechselte er zu Hertha BSC – und schaffte den Durchbruch. In Berlin wurde Lazaro schnell zum Stammspieler und Leistungsträger. Auch aus der österreichischen Nationalelf ist er nicht mehr wegzudenken.
Seine Entwicklung ist das Ergebnis harter Arbeit. Lazaro ist ehrgeizig, diszipliniert und clever. Seine Interviews nach den Spielen sind erfrischend kritisch und ehrlich. Er verliert sich selten in Phrasen, sondern spricht die Dinge an, die ihm nicht passen. Das heißt nicht, dass Lazaro abseits des Platzes ein Griesgram ist. Ganz im Gegenteil. Im Gespräch mit t-online.de ist er locker, gut gelaunt und hat durchgehend ein Grinsen auf den Lippen.
t-online.de: Herr Lazaro, am Samstag treffen Sie mit Hertha auf den FC Bayern, gegen den Sie in der Liga noch nie verloren haben. Hält Ihre Serie?
Valentino Lazaro (22): Ich hoffe es. Darüber habe ich auch zuletzt mit Davie (Selke, Anm. d. Red.) gesprochen. Ich habe allgemein noch nie nach 90 Minuten gegen Bayern verloren. Auch 2014 in Salzburg hatten wir ein Testspiel gegen Guardiolas Bayern und haben 3:0 gewonnen. Dann habe ich mit Hertha 2:2 gegen Bayern gespielt, dann 0:0 in München und in der Hinrunde haben wir 2:0 gewonnen. Jetzt im Pokal stand es ja auch 2:2 vor der Verlängerung. Es wäre besonders, ein sechstes Spiel hinzuzufügen.
Warum ist Hertha denn so gut gegen Bayern?
Gegen Bayern kannst du dich in erster Linie auf das Verteidigen konzentrieren. Das können wir auch sehr gut, das ist eine Stärke von uns, dieses gemeinsame Verteidigen. Dazu haben wir sehr viel Potenzial in der Mannschaft, das habe ich immer gesagt. Wenn dann unsere Konter gut ausgespielt sind, können wir den Bayern gefährlich werden. Das haben wir auch in Gladbach gezeigt. Wir brauchen aber auch unsere Entlastungsangriffe nach vorne, um nicht in unsere Hälfte gedrückt zu werden. Es ist wichtig, die Bälle nicht einfach nur wegzuschlagen, sondern geplant und strukturiert herauszuspielen.
Sie haben trotz Ihres jungen Alters in ihrer Karriere schon viel erlebt. Können Sie sich noch an ihr erstes Fußball-Trikot erinnern?
(Überlegt) Es war eins vom AC Milan. Ich weiß aber nicht, von welchem Spieler.
Vielleicht von Ronaldinho, Ihrem Lieblingsspieler?
Nein, das war noch viel früher. Da war ich ganz klein.
Und die ersten Schuhe?
Ich glaube das waren Nike-Schuhe, die nicht sehr teuer waren. Meine Mutter und ich haben die mal auf dem Weg zum Fußball-Training gekauft, und mit denen bin ich ewig lange ausgekommen (lacht).
Haben Sie früher viel Zeit auf dem Bolzplatz verbracht?
Ich habe in einer Wohnsiedlung gewohnt, in der viele in meinem Alter gelebt haben. Wir sind jeden Tag in den Hof und haben die Sandkisten als Tore genutzt. Das war eine schöne Zeit.
Haben Sie noch Kontakt zu den Freunden von damals?
Ja, auf jeden Fall. Mir hat erst gerade wieder einer von denen geschrieben.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihre Kindheit zurück?
Es war nicht immer einfach. Ich musste in meiner Kindheit so einiges durchmachen. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich sechs, sieben Jahre alt war. Meine Mutter hat daraufhin fünf Kinder allein aufgezogen. Sie ist krank geworden, hatte keinen Job mehr und hat trotzdem alles für uns gemacht. Ich wollte mich mit all dem nie so viel beschäftigen, wollte vor allem immer Fußball spielen. Ich hatte einen Ball, mit dem ich jahrelang runter in den Hof gegangen bin und erst zurückkam, wenn die Laternen angegangen sind und es Essen gab. Am nächsten Tag ging es dann wieder von vorne los. Der Fußball hat mich einfach immer glücklich gemacht. Es gab nie Momente, in denen ich dachte: Es macht keinen Sinn mehr. Auch, wenn es viele harte Zeiten gab.
Wie hat Sie die Trennung Ihrer Eltern beeinflusst?
Heute denke ich, dass es damals verrückt war, wie meine Familie mich damals bei meinem Traum unterstützt hat. Ich wollte unbedingt Fußball-Profi werden und meine Geschwister sind mir dabei sehr entgegen gekommen. Es hat sich keiner beschwert, wenn unsere Mutter mit mir fast jeden Tag über eine Stunde zum Training und zurück gefahren ist. Sie wussten, wie viel mir das bedeutet und dafür liebe ich sie über alles. Es ist etwas Besonderes für mich, dass das alles so funktioniert hat.
Gibt es eine Eigenschaft, die Sie von Ihrer Mutter haben?
Das Kämpferherz! Meine Mutter ist Halb-Griechin und ebenfalls Fußball-Fan. Auch ihr Lieblingsspieler ist Ronaldinho gewesen. Sie hat mir immer mitgegeben, dass ich nie den Spaß am Fußball verlieren soll. Sie erinnert mich dann immer wieder an diese Busfahrten und an all das, was ich für diesen Traum geopfert habe. Deswegen will sie, dass ich auch heute noch Spaß am Spiel habe und nicht verkrampfe, wenn es mal nicht so läuft.
Und von Ihrem Vater?
Das fußballerische Talent (grinst). Er war selbst Fußballer, auch wenn er kein Profi war. Er hat bei einem Verein nur wenige Meter von unserer Wohnung entfernt gespielt, war Kapitän der Mannschaft. Er war mein absolutes Vorbild. Als ich fast vier Jahre alt war, bin ich dann auch zum ersten Mal auf den Platz. Mein Vater war nämlich auch U7-Trainer. Unter ihm zu spielen, war sehr besonders für mich.
War er ein harter Trainer?
Ja, auf jeden Fall! Das kann jeder in der Stadt Graz bezeugen, dass er vor nichts zurückgehalten hat.
Und damit begann Ihre Karriere im Fußball. Schon früh war Ronaldinho Ihr Vorbild. Wie sind Sie auf ihn aufmerksam geworfen?
Zu Beginn waren es eher Spieler aus der österreichischen Bundesliga, das waren meine Helden. Vor allem vom Grazer AK. Die Stadtderbys gegen Sturm Graz waren toll. Mit der Zeit habe ich mitbekommen, dass es die Champions League gibt. Dort habe ich zum ersten Mal Ronaldinho gesehen und für mich war sofort klar, dass er mein Lieblingsspieler ist. Zu der Zeit gab es dann auch YouTube, wo ich mir viele Highlights von ihm angeguckt habe.
Haben Sie sich auch Tricks von ihm abgeschaut?
Ich schaue auch heute noch die Videos, auch wenn ich sie alle in- und auswendig kenne. Vor allem wenn ich eine Phase habe, in der es nicht so läuft. Da sieht man den Spaß, den er am Ball hatte. Mit den Videos rufe ich mir genau diesen Spaß auch zurück ins Gedächtnis. Ich habe mir wirklich sehr viele Sachen von ihm abgeschaut. Aber als ich mit 15 Jahren schon in Salzburg bei den Profis mittrainiert habe, traf ich auf ältere Spieler, denen man solche Tricks nicht durchdrücken konnte. Dadurch hat sich das bei mir etwas angepasst. Dann hatte ich mit Roger Schmidt und Ralf Rangnick deutsche Trainer, die nochmal eine andere Schule mitgebracht haben. Ich habe versucht, aus all dem die richtige Mischung für mich zu finden.
Von welchen Spielern haben Sie sich denn in Ihrer aktiven Zeit Dinge abgeschaut?
Von der Anfangszeit meiner Profi-Karriere bis heute ist Jonatan Soriano für mich ein Ausnahmespieler, mit dem ich auch zusammenspielen durfte. Es war der Wahnsinn, ihm beim Training auf die Füße schauen zu dürfen. Ich bin stolz darauf, dass ein Spieler wie er mein Freund ist. Ansonsten schaue ich natürlich auch bei Ronaldo, Neymar, Messi oder Mbappé genauer hin.
Wie würden Sie sich denn als Spieler beschreiben?
Das ist schwer. Ich gebe auf jeden Fall immer Vollgas und kann nicht verlieren. Trotzdem habe ich beim Spielen immer ein Lächeln auf den Lippen und Spaß bei der Sache. Ich suche gerne spielerische Lösungen, bin schnell und gehe gerne ins Dribbling. Dazu bereite ich lieber Tore vor, als dass ich sie selbst erziele.
Und abseits des Rasens? Wie ticken Sie da?
Ich bin neugierig, unternehme gerne Sachen und bin gerne draußen. Mich lenkt es gut ab, wenn immer was los ist. Ich komme sehr gut runter, wenn ich beispielsweise auf ein Konzert gehe. Das genieße ich. Musik allgemein ist was ganz Großes für mich im Leben. Ich will auch lernen, selbst Musik zu machen.
Was war denn das letzte Konzert, auf dem Sie waren?
Ich war erst vor ein paar Wochen bei Ella Mai. Von den großen Künstlern habe ich in den USA Chris Brown und die Migos gesehen. In Berlin war ich letztes Jahr zum Beispiel bei Kendrick Lamar und Drake. Als Nächstes steht Post Malone Anfang März an.
Sie sind auch in der Mannschaft in Sachen Musik weit vorne, haben von Mitchell Weiser den Job als Kabinen-DJ übernommen.
Das fiel mir leicht, weil Mitch einen ähnlichen Musikgeschmack hat wie ich. Ich habe dann einfach meine Musik angemacht und niemand hat sich beschwert (grinst). Ich glaube, den meisten gefällt’s. Bei Liederwünschen kommen die Jungs gerne auf mich zu.
Sie haben gesagt, Sie wollen lernen, selbst Musik zu machen. Wollen Sie singen oder rappen?
Ich singe und rappe gerne. Ich habe auch viele Freunde in Los Angeles, die im Musik-Business tätig sind. Es ist schon cool, denen mal über die Schulter zu gucken bei der Arbeit. Aber mich interessiert eher das Produzieren von Musik. Ich lerne gerade fertig, Keyboard zu spielen. Dann kann ich damit anfangen, Beats zu machen.
Für Ihren Nationalmannschaftskollegen David Alaba? Der hat schließlich letztes Jahr seinen ersten Song veröffentlicht.
Zum Beispiel (lacht). Der ist ja auch musikverrückt. Bin da auch immer wieder mit ihm im Austausch.
Zurück zu Ihrer sportlichen Karriere. Sie haben vorhin von Ihrem Kämpferherz erzählt. Sind Sie schwer zufrieden zu stellen?
Ich komme auch nach Siegen oft nach Hause und denke über Dinge nach, die man hätte besser machen können. Andere Leute haben vielleicht oft das Gefühl, dass ich zu oft am Raunen bin. Aber ich will einfach immer das Beste rausholen. Hundertprozentige Zufriedenheit wird man bei mir wohl nie finden. Das hört man auch bei meinen Interviews nach dem Spiel. Genau das treibt mich dann auch für die nächsten Tage an.
Haben Sie dann manchmal auch den Blick eines Trainers?
Das sagt Rainer Widmayer (Co-Trainer von Pal Dardai, Anm. d. Red.) auch zu mir. Ich bin mit ihm auch oft im Austausch über taktische Dinge. Wir haben sehr viele Einzelgespräche. Es macht mir einfach Spaß, darüber zu sprechen und die Perspektive des anderen zu erfahren. Rainer meinte zu mir, dass ich auch mal Trainer werden könnte.
Bevor es aber dazu kommen könnte, haben Sie noch einige Jahre als Profi vor sich. Welche Ziele haben Sie für Ihre Karriere?
Die Champions League ist mein großer Traum. Ich will auch da nicht einfach nur dabei sein, sondern auch Siege einfahren und etwas reißen. Ich arbeite täglich dafür, um auf diesen Level zu kommen.
Sie wurden im Winter auch mit größeren Klubs aus dem Ausland in Verbindung gebracht.
Dass sich große Vereine gemeldet haben und sagen, dass ihnen meine Spielweise und meine Art gefallen, ist eine große Ehre. Das ist ein Kindheitstraum von mir, irgendwann mal in so einem großen internationalen Verein zu spielen. Solche Champions-League-Vereine rufen auch nicht jeden Tag an. Aber für mich war klar, dass ich mich hier in Berlin sehr wohl fühle und in einem Entwicklungsschritt bin. Dann schaue ich weiter, wie weit ich selbst bin und wie weit der Verein ist und ob es dann immer noch diese Angebote gibt.
Unter den Interessenten war auch der AC Milan, von dem Sie Ihr erstes Trikot hatten. Das wäre bestimmt ein Traum von Ihnen, dieses Trikot dann auch auf dem Platz zu tragen.
Natürlich (grinst).
Ist die Qualifikation zur Europa League mit Hertha ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, ob Sie bleiben oder gehen?
Ich würde dem nicht so viel Gewicht geben. Auf der einen Seite ist es etwas Besonderes, international zu spielen. Auf der anderen Seite habe ich bereits mehrere Jahre in der Europa League gespielt und habe die Champions League mehrmals haarscharf verpasst. Eine Qualifikation mit Hertha dieses Jahr wäre natürlich toll für mich, den Verein und die Stadt, aber Champions-League ist noch einmal etwas anderes. Aber ich habe auch noch mit Berlin Ziele und noch länger Vertrag. Von daher denke ich zurzeit nicht darüber nach.
Ist es für Sie eigentlich komisch, wenn über Sie in Ablösesummen gesprochen wird?
Ja, schon. Es gibt heutzutage aber auch noch beklopptere Summen, aber so Sachen zu hören wie 20 oder 25 Millionen Euro, ist sehr krass. Wie vorhin gesagt, als kleines Kind geht man auf den Bolzplatz, um Spaß zu haben. Da denkt man nie über solche Summen nach sondern darüber, wie du mal in einem Stadion spielst und ein Tor schießt und wie du dann jubelst.
Am Samstag treffen Sie auf Ihrer Seite auf dem rechten Flügel auf David Alaba. Schreiben Sie ihm vor dem Spiel eine Nachricht?
Wir sind schon sehr lange befreundet und haben eine enge Beziehung. Als er schon in der Nationalmannschaft und ich bei den Junioren war, wurden wir oft miteinander verglichen. Als wir dann zum ersten Mal zusammengespielt haben, haben wir uns direkt gut verstanden. Nach dem Spiel im Pokal haben wir uns auch kurz getroffen und gesprochen. Ich freue mich immer, bei der Nationalmannschaft ein solches Vorbild im Team zu haben. Der Sieg gegen Bayern und damit auch gegen ihn in der Hinrunde war für mich etwas sehr Besonderes.
Ist eine solche Freundschaft in diesem schnelllebigen Fußballgeschäft besonders viel wert?
Definitiv. Ich habe neben David ein paar sehr gute Freunde aus dem Fußball, mit denen ich sehr eng bin. Mit Valon Berisha, der jetzt bei Lazio Rom spielt, habe ich täglich Kontakt. Mit Konrad Laimer und Marcel Sabitzer von RB Leipzig habe ich schon sieben Jahre in der Jugend zusammengespielt. Auch Michael Gregoritsch vom FC Augsburg zählt zu den Leuten, mit denen ich immer sprechen kann. Das Geschäft ist sehr hart und lässt nicht viele Freunde zu. Deshalb schätze ich diese Freundschaften umso mehr.
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Wer würde denn ein FIFA-Duell zwischen Ihnen und David Alaba gewinnen?
Ich zocke kein FIFA und ich glaube, er zockt auch kein FIFA. Bei der Nationalmannschaft sind wir auf den Zimmern von den Jungs, die Shooter spielen. Meistens sitzen wir aber nur daneben und sagen den anderen, wie schlecht sie sind (lacht). Den Controller fassen wir nur selten an.