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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Köln-Trainer Anfang "Modestes Tränen waren ein Zeichen"
Drei Niederlagen aus vier Spielen
Markus Anfang spricht leise und mit Bedacht. Auf dem Tisch vor ihm in der Geschäftsstelle des FC liegen die Kölner Tageszeitungen, fast einhellig üben sie nach der Niederlage gegen Paderborn (2:3) Kritik an ihm – oder berichten zumindest über die warnenden Worte von Geschäftsführer Armin Veh. Wie geht der Coach bei seinem ersten größeren Klub damit um? Und wie hat er das emotionale Comeback von Torjäger Anthony Modeste erlebt?
t-online.de: Herr Anfang, Ihr Geschäftsführer Armin Veh forderte nach zuletzt drei Niederlagen aus vier Spielen: "Der Trainer muss jetzt Lösungen finden" – und hat Sie damit öffentlich unter Druck gesetzt. Waren Sie überrascht?
Markus Anfang (44): Er hat das ausgesprochen, worüber wir uns im Verein alle einig sind. Unsere Ergebnisse zuletzt waren nicht zufriedenstellend, das müssen wir in den nächsten Wochen besser machen. Das ist auch mein eigener Anspruch.
Armin Veh ist seit Jahren im Geschäft und Medienprofi. Wenn er betont, die Saisonziele seien in Gefahr, tut er Ihnen damit in der Öffentlichkeit keinen Gefallen.
Dadurch ändert sich aber nichts an meiner Arbeit. Unser Anspruch mit dem 1. FC Köln ist es, Bundesliga zu spielen. Dafür brauchen wir Siege – und daran müssen wir uns messen lassen.
Was wollen Sie nun ändern?
Auch bei den Niederlagen haben wir über weite Strecken gute Leistungen gezeigt, allerdings nicht über 90 Minuten. In den Phasen, in denen es nicht lief, haben wir den Gegnern teilweise gefährliche Räume gelassen. Aber: Eine Woche vorher haben wir 4:1 gegen St. Pauli gewonnen, mit der gleichen Mannschaft. Wir verfallen jetzt auch nicht in Aktionismus und werfen alles um. Wir haben eine große Qualität im Kader, dazu überragende Fans im Rücken – und glauben fest an den Aufstieg.
Für eine besondere Geschichte hat zuletzt Anthony Modeste gesorgt. Bei seinem Comeback hat er sofort getroffen, danach flossen Tränen. Wie haben Sie ihn in den vergangenen Monaten erlebt?
Seine Gefühle in diesem Moment kann wohl niemand nachempfinden. Zum einen war in den Wochen zuvor völlig unklar, wann er wieder spielen darf. Er hat sich die ganze Zeit über sehr professionell verhalten, aber diese Unsicherheit ist für einen Sportler natürlich unglaublich belastend. Zum anderen hat er seinen großen Wunsch, noch einmal vor seinem kürzlich verstorbenen Vater zu spielen, leider nicht mehr verwirklichen können. In gewisser Weise waren Tonys Tränen auch ein Zeichen, das uns allen eine Mahnung sein sollte.
Inwiefern? In den sozialen Netzwerken gab es auch einige Kommentare nach dem Motto: Modeste hat in China genug verdient, das muss doch für alles entschädigen.
Klar, er hat Geld, er hat Ruhm. Aber hinter dem Sportler Anthony Modeste steht ein Mensch mit einem Privatleben und Emotionen. Das ist in diesem Moment sichtbar geworden, das wird im Fußball-Geschäft oft vergessen.
Wie meinen Sie das?
Dass wir alle in der Fußball-Branche hin und wieder kritisiert werden, gehört dazu. Dass der eine oder andere emotionale Fan oder Kritiker mal übers Ziel hinausschießt – akzeptiere ich auch. Aber man sollte nie persönlich werden, weil man nie weiß, was in einem anderen Menschen vorgeht. Eigentlich ist es doch ganz einfach: Behandle deinen Mitmenschen so, wie du selber behandelt werden möchtest. Ich habe das Gefühl, dass einige Menschen dieses Maß nicht finden und Kritik und Diskussionen immer seltener sachlich bleiben.
Wie gehen Sie persönlich damit um – jetzt wo zum ersten Mal in Köln auch harte Kritik an Ihnen laut wird?
Wir sprechen im Trainerteam und mit Armin Veh viel darüber. Komplett wegschieben kannst du das nicht. Denn das beschäftigt dich ja auch im Privaten, nicht nur weil ich darauf angesprochen werde. Wenn wir ein Spiel verlieren, werden teilweise auch meine Kinder in der Schule damit konfrontiert.
In Köln gilt der Aufstieg als Pflicht und ist fest eingeplant. Handeln Sie unter dem Druck weniger frei und mutig als noch vergangene Saison in Kiel?
Wenn ich weniger mutig wäre, hätte ich beim Stand von 1:0 gegen Paderborn nicht Anthony Modeste eingewechselt, sondern einen Abwehrspieler. Meine Überzeugung ist aber, dass es langfristig erfolgreicher ist, ein Spiel selbst zu entscheiden anstatt nur zu verhindern – auch wenn das in diesem Fall nicht geklappt hat.
Wann kommt der Punkt, an dem man seine eigenen Überzeugungen ein Stück weit aufgeben und pragmatisch agieren muss?
Was bedeutet denn pragmatisch? Dass ich mich für eine Variante entscheide, von deren Erfolg ich nicht zu 100 Prozent überzeugt bin, weil sie vermeintlich sicherer ist? Das würde kein Trainer machen. Wir wollen unser Team immer bestmöglich einstellen – um zu gewinnen.
So scheinen viele Ihrer Kollegen zu denken. In der 2. Bundesliga wird es – wie beispielsweise bei Ihrem 8:1-Sieg gegen Dynamo Dresden – in dieser Saison oft spektakulär. Woran liegt das?
Die Liga ist auf eine verrückte Art und Weise ausgeglichen – aber mit gewaltigen Ausschlägen. Viele Zweitliga-Klubs sind prinzipiell erstklassig aufgestellt und haben Spieler verpflichtet, die die Qualität für die Bundesliga haben. Im deutschen Profi-Fußball kann aktuell fast jeder jeden schlagen. Schauen Sie auf den DFB-Pokal.
Mit dem HSV, Heidenheim und Paderborn sind drei Zweitliga-Klubs im Viertelfinale.
Und das ist kein Zufall. Alle Zweitligisten haben die Qualität, um an guten Tagen die meisten Bundesliga-Klubs zu ärgern. Der Unterschied zur Bundesliga liegt vor allem in der Konstanz. Viele Zweitliga-Spieler können ihr Top-Niveau noch nicht dauerhaft abrufen. Wenn das eine Mannschaft in einer Partie kollektiv schafft, die andere aber nicht, kommt es zu diesen spektakulären Spielen.
Wenn die Liga so ausgeglichen ist – machen die Trainer dann den Unterschied?
Die Trainer sind ein Puzzleteil, ein Faktor von vielen. Insgesamt, so schätze ich, ist die Qualität der Trainer in der 2. Bundesliga so hoch wie selten zuvor. Es fällt auf, dass viele Bundesliga-Erfahrung oder schon einige Erfolge in unterklassigen Ligen vorzuweisen haben.
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Abschließend: Im März stimmen die Klubs ab, ob auch in der 2. Bundesliga der Videobeweis eingeführt werden soll. Was meinen Sie?
Mit Kiel waren wir vergangene Saison in der besonderen Situation, dass wir in der Relegation zum ersten Mal damit konfrontiert worden sind. Wir wurden vorher zwar geschult, aber trotzdem ändert der Videobeweis ja in vielen Situationen dein Verhalten auf dem Platz. Daran hatten sich die Wolfsburger eine Saison lang gewöhnt. Wir nicht. Das ist in zwei entscheidenden Spielen wie der Relegation natürlich ein Nachteil. Deshalb bin ich dafür: Wenn du den Videobeweis willst, dann sei konsequent, und führ' ihn im Profibereich überall ein.