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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Trainer-Legende über Dortmund Trainer, Kapitän, Spieler – So wird Dortmund wieder Bayern-Jäger
Trainer-Legende Ottmar Hitzfeld spricht im Interview über die Saison seines Ex-Klubs Dortmund, über Trainer Stöger – und einen Spieler, den der BVB braucht.
Champions-League-Sieger 1997, zwei Mal Deutscher Meister: Ottmar Hitzfeld steht für die erfolgreichste Zeit der Vereinsgeschichte von Borussia Dortmund. Noch heute verfolgt die Trainer-Legende seinen Ex-Klub – die Schwarz-Gelben machen eine turbulente Saison durch.
Die t-online.de-Redakteure Florian Wichert und David-Emanuel Digili trafen den "General" im "Swissôtel Le Plaza" in Basel zum Interview. Hitzfeld ist entspannt, gut gelaunt und überpünktlich. Vor dem Auswärtsspiel der Dortmunder bei Werder Bremen (heute 18 Uhr, im Liveticker bei t-online.de) spricht er über die Gründe für das enttäuschende Jahr des BVB, Mario Götze, Fehler des Vereins – und die große Schwachstelle der Mannschaft.
t-online.de: Herr Hitzfeld, wie würden Sie die Saison von Borussia Dortmund beschreiben?
Ottmar Hitzfeld (69): Es war keine Konstanz da, keine Stabilität. Dortmund hat in den letzten Jahren viel an Substanz verloren, viele hervorragende Spieler abgegeben. Und jetzt reißen die Verluste von Aubameyang und Dembélé schon ein Loch in das Mannschaftsgefüge. Man hat auch nicht die idealen Transfers getätigt, besonders in der Defensive. Man hat Toprak geholt, aber der hat die Erwartungen noch nicht erfüllen können. Im Abwehrbereich brauchen sie mehr Stabilität.
Was stellen Sie sich da vor?
Vielleicht brauchen sie im Mittelfeld einfach eine aggressive Nummer sechs, einen defensiven Abräumer, wie es Martinez oder Vidal bei den Bayern sind. So einen haben sie in Dortmund nicht. Sie haben keinen zweikampfstarken Spieler, keine Persönlichkeit.
Wie bewerten Sie die Leistung von Trainer Peter Stöger?
Stöger hat es geschafft, wieder etwas Konstanz hineinzubekommen. Die Mannschaft war total verunsichert und befand sich in einem Sturzflug. Insofern war das eine besonders bemerkenswerte Leistung von Stöger, die richtigen Entscheidungen zu treffen. International sind sie ausgeschieden, was schwach war. Aber das war nur ein Beleg dafür, dass sie defensiv einfach zu verwundbar sind.
Stöger soll nach der Saison offenbar abgelöst werden – zu Recht?
Nein. Ich finde es falsch, dass er so kritisiert wird und es wäre ein Fehler, sich voreilig von ihm zu trennen. Ich verfolge die Berichte und bin erstaunt, wie er immer wieder in Frage gestellt wird. Das ist nicht richtig. Es war für ihn eine äußert schwierige Aufgabe, und er hat es geschafft, wieder Stabilität hineinzubekommen. Dortmund hat andere Probleme als auf der Trainerposition.
Auch Spieler werden kritisiert – Mario Götze zum Beispiel. Würden Sie ihn mit zur WM nehmen?
Er ist zurückgekehrt, hat ein gutes Spiel gemacht und nun noch drei Spiele, um sich zu zeigen. Jogi Löw wird genau beobachten, ob er wieder in diese Form kommen kann. Er ist dann sicher ein Kandidat. Löw ist ein Trainer, der jemanden weiter einsetzt – wenn er außergewöhnliche Leistungen gebracht hat. Wenn Götze jetzt in Form kommt, würde ich ihn mitnehmen. Löw weiß genau, dass er auf ihn setzen kann.
Wie bewerten Sie den Umgang mit Kapitän Marcel Schmelzer? Auch er wird massiv kritisiert und saß zuletzt gegen Leverkusen auf der Tribüne.
Wir befinden uns im Hochleistungssport – da geht es letztlich immer um Leistung. Der Trainer beobachtet einen Spieler ganz genau. Wenn Peter Stöger ihn draußen lässt und sogar auf die Tribüne setzt, dann steckt schon mehr dahinter. Das macht ein Trainer nicht einfach so – zumal Schmelzer der Kapitän ist. Ich glaube, dass der Trainer nicht mehr an ihn glaubt und dass die Leistung nicht gestimmt hat. Stöger wird mit dem Spieler gesprochen haben. Das Ganze ist ziemlich ruhig verlaufen, auch das sagt etwas aus.
Wird die Ära Schmelzer beim BVB also zu Ende gehen?
Das hängt davon ab, wer in der nächsten Saison Trainer ist. Bleibt Stöger doch noch in Dortmund, ist eine Trennung wahrscheinlich und sinnvoll. Kommt ein anderer, ist es davon abhängig, was der plant und welche Philosophie er hat.
Matthias Sammer kommt als externer Berater. Hat er in dieser Position genügend Einfluss – oder müsste er mehr Verantwortung übernehmen bei den ganzen Baustellen?
Ich denke, dass er das bewusst gemacht hat mit genau dieser Rolle. Er möchte einfach nicht mehr im Alltag bei einem Verein arbeiten, nicht mehr den Stress mit den ganzen Spielen haben, an Erfolgen gemessen zu werden. Ich glaube, es ist ein schönerer Job, beim Fernsehen zu arbeiten und dann als externer Berater bei einem Verein. Er muss den Kopf nicht hinhalten – die Entscheidungen treffen immer noch die Klubverantwortlichen.
Was muss passieren, damit die Bundesliga wieder spannend wird?
Ich glaube, dass die Bayern die nächsten Jahre uneinholbar sind, weil sie einfach unglaubliches Potenzial haben. Nicht nur die ersten elf, sondern auch die Spieler dahinter. Wenn man so viele Weltklasse-Spieler hat und wirtschaftlich so dasteht, dass man jederzeit ein, zwei Spieler dazu holen kann – dann ist man verdient in dieser Position. Das ist selbst erarbeitet. Man kann jetzt nur hoffen, dass Dortmund da wieder näher rankommen und die Lücke vielleicht wieder schließen kann.
Wie?
Indem Dortmund überragende Transfers macht und eine etwas glücklichere Hand hat als vor dieser Saison. Dann müssen sie vielleicht mal einen überragenden Start erwischen – ohne anschließend einen Einbruch zu erleiden, wie in dieser Saison. Wir hoffen doch alle, dass es in Deutschland wieder einen Zweikampf gibt. Und Dortmund wird der einzige Klub sein, der diese Rolle in den nächsten Jahren ausfüllen kann. Der Vorsprung ist immens, aber es war auch eine sehr schwache Saison vom BVB. Auch Schalke, Leverkusen oder Leipzig werden weiterhin oben mitspielen, aber auch von Dortmund zu diesen Klubs ist es schon eine Dimension.
Auch international hat man diese Kluft gemerkt – müssen wir uns Sorgen machen, dass deutsche Klubs den Anschluss verlieren?
Das internationale Abschneiden war schon sehr schwach in dieser Saison – da gibt es Nachholbedarf. Ich bin aber optimistisch für die kommende Saison. Ich denke nicht, dass man sich langfristig Sorgen machen muss. Die Bundesligisten haben es immer wieder geschafft, starke Spieler zu entwickeln mit den deutschen Tugenden – mit der Disziplin, mit der Ordnung und der taktischen Ausbildung, die hervorragend ist. Wir dürfen natürlich nicht vergessen, dass England und auch Spanien natürlich vorne stehen und mehr Möglichkeiten haben. Die besten Spieler spielen da.
Die Ligen in England und Spanien haben mehr Geld, bessere Spieler und mehr Erfolg international. Mal andersherum gefragt: Gibt es überhaupt etwas, was in der Bundesliga besser ist?
Ich finde, die Bundesliga genießt durchaus eine sehr hohe Wertschätzung. Im Ausland ist man begeistert von der seriösen Arbeit mit geringen Mitteln. Auch 34 Spieltage sind aus meiner Sicht optimal und besser als 38. Da sollte man nichts dran ändern, auch keine Playoffs einführen. Playoffs sind Schwachsinn.
Warum?
Wenn man viele Punkte geholt hat, hat man sich das erarbeitet. In der Schweiz gab es auch mal den Modus, dass man die Punkte wieder halbiert hat, um Spannung zu erzeugen – aber das ist nicht fair. Der deutsche Modus ist hervorragend. Man muss einfach ein noch besseres Scouting-System haben, eine noch bessere Ausbildung, um finanzielle Mittel, die man vielleicht nicht zur Verfügung hat, auszugleichen.
t-online.de-Kolumnist Stefan Effenberg hatte die Idee, die Liga in zwei Neuner-Gruppen aufzuteilen. Wie fanden Sie die Idee?
Damit könnte ich mich eher anfreunden. Allerdings ist das Losverfahren schwer realisierbar und aus meiner Sicht für viele Vereine unglücklich. Da wären einige dagegen, weil sie nicht gegen Bayern spielen würden. Ich denke, dass die Spiele gegen Bayern für jeden ein Highlight sind. Mit Bayern will man sich messen, mit Dortmund auch.