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Nils Petersen: "Ich habe keine Chance auf die WM"


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Freiburg-Stürmer Nils Petersen
"Ich habe keine Chance, mit zur WM zu fahren"

Ein Interview von Guido Heisterkamp

14.02.2018Lesedauer: 7 Min.
Hat in dieser Saison viel Grund zum jubeln: Freiburg-Stürmer Nils Petersen.Vergrößern des Bildes
Hat in dieser Saison viel Grund zum jubeln: Freiburg-Stürmer Nils Petersen. (Quelle: Laci Perenyi/imago-images-bilder)

Mit der deutschen Olympia-Fußballmannschaft gewann Nils Petersen vor zwei Jahren bei den Sommerspielen in Rio de Janeiro die Silbermedaille. Mit zehn Treffern ist der Freiburg-Stürmer in der aktuellen Saison einer der torgefährlichsten deutschen Angreifer.

Trotzdem rechnet der 29-Jährige nicht mit einer Nominierung für den WM-Kader. Im Interview mit t-online.de erklärt Petersen die Gründe, verrät, welchen Löw-Rekord er noch gerne knacken würde – und wie man beim SC mit einem Streikprofi wie Pierre-Emerick Aubameyang umgehen würde.

Herr Petersen, viele Fußball-Profis sind mit Tattoos zugepflastert, haben auffällige Frisuren oder tragen extravagante Bärte. Sie kennen wir seit Jahren mit dem gleichen Haarschnitt und ohne auffälligen Körperschmuck. Wir haben eine Fotomontage mit einem anderen Look vorbereitet – was halten Sie davon?

Nils Petersen: Ja, Wahnsinn (lacht laut).

Können Sie sich so vorstellen?

Absolut nicht, auf gar keinen Fall. Das käme für mich überhaupt nicht infrage. Ich bin eher der Typ "schlicht" und ziehe das auch durch.

Wäre ihre Karriere anders verlaufen, wenn Sie so wie auf unserer Montage aussehen würden?

Nein, das glaube ich nicht (lacht). Wenn ich so aussehen würde, wäre ich nicht mehr Nils Petersen. Meine Familie und Freunde würden sagen: Das ist nicht mehr der Junge, den wir kennen.

Bayerns Arturo Vidal ist so ein Spieler. Kommt man sich ohne verrückte Frisur oder Tattoos mittlerweile wie ein Außenseiter vor?

Nein, noch nicht (schmunzelt). Solche Spieler wirken natürlich anders, aber sind ja meist korrekt. Wenn man Schulkinder nach ihren Vorbildern fragt, werden sie extrovertierte Spieler wie Aubameyang oder Vidal nennen. Solche Typen strahlen was aus und polarisieren – das sind weltbekannte Marken.

Verstehen Sie, warum sich Leute Tattoos stechen lassen?

Ich verurteile niemanden, der es macht, aber meins ist es nicht. In manchen Ländern und Kulturen hat es ja auch eine ganz andere Bedeutung. Es gibt Tattoos, die ich total mag, andere finde ich unnötig. Ich frage meine Mitspieler auch, warum sie sich für ein besonderes Motiv entschieden haben. Tattoos sind Körperschmuck, und den muss jeder für sich aussuchen.

Hat man durch so ein Aussehen eher Vor- oder Nachteile? Besonders nach der Karriere als Fußball-Profi.

Gute Frage. Die eine oder andere Jobmöglichkeit fällt mit Sicherheit weg. Aber es gibt auch Spieler – wie Raúl Meireles oder David Beckham – die komplett tätowiert sind, und die Leute stehen total auf die. Auch wegen ihres Körperschmucks wurden sie zu strahlenden Marken. Ich glaube nicht, dass solche Typen einen Nachteil davon haben. Die strahlen ja dieses Besondere aus mit ihrem Bad-Boy-Image und kommen damit in der Öffentlichkeit super an.

Pierre-Emerick Aubameyang ist auch so ein Paradiesvogel, sorgte aber mit seinem unrühmlichen Abschied aus Dortmund für viele negative Schlagzeilen. Wie würden Sie in Freiburg mit einem Streik-Profi wie ihm umgehen?

Wenn einer so einen Stunk machen würde, nur um aus seinem Vertrag rauszukommen, wäre es nicht einfach für ihn, weil die Auswirkungen auf die Mannschaft verheerend wären. Wir leben hier vom Kollektiv und unserem Zusammenhalt. Für unsere Fans sind wir wichtige Identifikationsfiguren. Wenn hier nur ein Stück weniger Stimmung im Stadion oder in der Kabine wäre, hätten wir mit Sicherheit weniger Punkte auf dem Konto. Da würden wir als Mannschaft sofort gegen vorgehen. Aber wir haben nicht so einen Star wie Aubameyang, der einen so großen Unterschied ausmachen kann und von dem alles abhängt – vielleicht auch zum Glück.

Können Sie das bitte genauer erklären?

Es ist nicht einfach, mit Starspielern umzugehen. Die haben in ihrem Umfeld Leute, die mitverdienen wollen. Ich bin froh, dass wir so was hier noch nicht erlebt haben. Wenn so etwas wie mit Aubameyang passiert, schaut ganz Fußball-Deutschland drauf, vielleicht die ganze Fußball-Welt – und das bringt Unruhe in den Verein. Da ist es in Freiburg zum Glück ruhiger und wir wissen im Vorfeld, welche Charaktere wir uns an Land ziehen.

Sind Sie froh, dass es hier ruhiger ist als bei Topklubs wie Bayern?

Ja, total! Bei einem Sieg sind die Zeitungen woanders natürlich voll und man kann sich feiern lassen, wenn man will. Aber bei einer Niederlage ist es nicht schön, in die Stadt zu gehen oder die Kommentare in den sozialen Netzwerken zu lesen. Das habe ich auch schon erlebt und weiß zu schätzen, dass es in Freiburg anders läuft und man hier angenehm arbeiten kann.

Sie galten auch als Kandidat als Lewandowski-Back-up – bedauern Sie es, dass es nichts geworden ist?

Nein, es ist schon eine Ehre, wenn man überhaupt noch mal in diese Kategorie eingestuft und ein zweites Mal mit diesem großen Verein in Verbindung gebracht wird. Ich genieße es, Stammspieler in der Bundesliga zu sein – das wäre bei den Bayern nicht möglich gewesen. Ich hatte ja auch schon das Vergnügen, allen anderen Spielern würde ich raten: Geh hin!

Wird es Sandro Wagner ergehen wie Ihnen – dass es am Ende nicht reicht bei Bayern?

Er hat als Nationalspieler und gestandener Bundesliga-Profi einen ganz anderen Stellenwert und eine ganz andere Qualität als ich damals als 21-Jähriger. Er wird den Bayern sicher mit entscheidenden Toren weiterhelfen und hat die Chance, Titel zu gewinnen. Das wäre mit Hoffenheim nur schwer möglich gewesen. Er wird sicher auf seine Einsätze kommen. Robert Lewandowski wird ja auch älter, braucht seine Regenerationsphasen und wird sich über Pausen freuen (schmunzelt). Ich mache mir keine Sorgen um Sandro, er wird sich bei den Bayern durchsetzen.

Die Bayern haben schon 18 Punkte Vorsprung auf Platz zwei, werden sicher wieder Meister und das bereits zum sechsten Mal in Folge – finden Sie die Liga auch so langweilig wie viele Fans?

Klar, der Meisterschaftskampf ist langweilig. Aber trotzdem ziehe ich meinen größten Hut vor den Bayern. Obwohl die Meisterschaft eigentlich schon entschieden ist, ziehen sie ihr Ding durch und schenken kein Spiel her. Jeder Abstiegskandidat betet jede Woche, dass die Bayern gegen die Konkurrenz gewinnen – und sie tun es. Dieses Jahr hat der FCB keine ernsthafte Konkurrenz, aber alles dahinter ist sehr spannend. Momentan ergötzt sich der Fan am Rennen um die internationalen Plätze und am Abstiegskampf.

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Wie könnte man die Liga wieder spannend machen?

Ich bin zum Glück nicht in der Verantwortung bei Spitzenvereinen und muss nicht entscheiden, wie man die Bayern wieder einholen kann. Die Bayern sind durch ihre Vergangenheit und ihre Erfahrung einfach immer in der Lage, besser als die anderen Mannschaften zu sein. Da hilft auch nicht das nötige Kleingeld, eine Mannschaft zu verbessern, indem man einfach mal ein paar neue Spieler kauft. Das beste Beispiel ist Manchester City, die erst in dieser Saison bärenstark sind, davor aber viel Geld ausgegeben haben und nicht an die Souveränität eines FC Bayern herangekommen sind. Mannschaften wie Leipzig, Dortmund und Leverkusen haben die Qualität und auch das Geld, Bayern mal wieder gefährlich zu werden. Das sehe ich aber nicht kommen, Bayern wird auch in den nächsten Jahren Deutscher Meister.

Wie kann sich die Konkurrenz stärken?

Die vorhandenen Mittel müssen optimal genutzt werden. Aber die Bayern machen auch keine Transfers, die weit über dem Niveau anderer Bundesligisten liegen. Klar, sie holen Tolisso für 40 Millionen oder leihen mit James Rodriguez einen Kaderspieler von Real Madrid aus, aber andere Vereine tätigen auch aufsehenerregende Transfers und können trotzdem nicht an die Bayern heranreichen. Die Möglichkeit, die Bayern zu zersplitten – wie sie es mit anderen Vereinen machen, indem man ihre guten Spieler kauft – die gibt es nicht. Das hat nicht nur finanzielle Gründe, denn jeder will mal für die Bayern spielen.

Seit Sie die Kapitänsbinde tragen, läuft es bei Ihnen richtig gut. Sie haben fünf Tore in den letzten sieben Spielen erzielt – geben Sie die noch mal ab?

Es ist ein schönes Gefühl, als Kapitän aufzulaufen und die Mannschaft zu führen. Ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich sie nicht gerne trage. Aber ich gebe sie natürlich wieder ab, wenn Julian Schuster oder Mike Frantz wieder spielen. Das ist so geregelt (lacht).

Haben die beiden noch keine Andeutungen gemacht, dass Sie die Binde behalten können, weil es für den SC gerade so gut läuft?

Nein, noch nicht (lacht). Aber meiner Familie und Freunden ist schon aufgefallen, dass wir erst ein Spiel verloren haben, seit ich Kapitän bin.

Sie haben bereits 10 Saisontore in der Liga gemacht, genauso viele wie in der Vorsaison – was klappt in dieser Saison besser?

Ich kriege in dieser Saison einfach mehr Einsatzminuten und habe mehr Spiele von Beginn an gemacht. Wenn man einen Lauf hat, dann gehen auch mal Bälle rein, die sonst nicht reingehen – wie bei meinem 41-Meter-Tor in Dortmund. Ich werde aber auch wieder Flauten haben, in denen meine torlosen Minuten gezählt werden.

Sehen Sie eine Chance auf die WM? Sie haben eine Top-Torquote und Bundestrainer Joachim Löw ist oft in Freiburg zu Gast.

Der Bundestrainer kommt ja nicht wegen mir ins Stadion, sondern weil er von hier kommt (schmunzelt). Nein, ich sehe für mich keine Chance, mit zur WM nach Russland zu fahren. Da bin ich aber nicht böse. Die Nationalmannschaft ist eine eingespielte Truppe, in der Spieler super funktionieren, auch wenn sie in der Liga nicht stetig ihre Form beweisen. Der Erfolg in der Vergangenheit gibt Ihnen Recht, nicht an diesem System zu rütteln, nur weil ich gerade eine gute Phase habe und ein anderer vielleicht nicht. Ich rechne nicht mit einem Anruf vom Bundestrainer.

Sie haben bereits 59 Pflichtspieltore für Freiburg auf dem Konto, Löw ist mit 82 Treffern Rekordtorschütze. Ist es Ihr Ziel, den Bundestrainer einzuholen?

Es war schon schön, der beste Joker der Bundesliga zu sein und auch die eine oder andere Freiburg-Legende überholt zu haben. Das macht mich stolz. Als Spieler sehnt man sich nicht nur nach Titeln mit der Mannschaft, sondern dass man persönlich etwas erreicht. Jogi Löw ist der größte Name in Freiburg, und wenn man die Chance hat, an ihn heran zu reichen, ist das etwas Besonderes. Wenn ich noch einige Jahre hier spiele, traue ich mir zu, an seiner Marke zu kratzen. Ich würde Jogi Löw da schon gerne ablösen.

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