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Stefan Effenberg: "Ich mache mir Sorgen um die Bundesliga"


Kritik von Effenberg
"Ich mache mir Sorgen um die Bundesliga"

Meinungt-online, Stefan Effenberg

21.12.2017Lesedauer: 6 Min.
Stefan Effenberg: Der frühere Bayern-Star rät Schalkes Leon Goretzka zu einem Wechsel.Vergrößern des Bildes
Stefan Effenberg: Der frühere Bayern-Star rät Schalkes Leon Goretzka zu einem Wechsel. (Quelle: Christian Schroedter/imago-images-bilder)
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Stefan Effenberg blickt in seiner neuen Kolumne voraus – auf das Jahr 2018. Er macht sich Sorgen um die Bundesliga und hat einen Rat für Bayern, die Schiedsrichter und Schalkes Goretzka.

Die Kolumne von Stefan Effenberg bei t-online.de

Die erste Saisonhälfte ist um – und ich muss ehrlich sagen: Ich mache mir Sorgen um die Bundesliga!

Wie soll das weitergehen?

Nach sieben Spieltagen lag Dortmund mit fünf Punkten vorne, jetzt führen die Bayern mit elf Zählern und bekommen die ersten Glückwünsche zur Meisterschaft. Die Schale kannst du schon nach München schicken. Das Problem ist: Die Bayern haben ihre Gegner nicht an die Wand gespielt und kein Feuerwerk abgebrannt – im Gegenteil. Sie sind sogar noch schlecht in die Saison gestartet und spielen jetzt normal, mehr nicht.

Das ist erschreckend! Und es macht die Liga langweilig. Wie soll das nur weitergehen?

Die Langeweile hat Folgen

Olli Kahn hat zuletzt das Thema Super-Liga angerissen – also eine Liga mit den europäischen Topteams, wodurch die Bayern nicht mehr in der Bundesliga spielen würden. Zumindest hätten wir dann wieder Spannung bei uns. Solange die Bayern in der Liga sind, sehe ich das nicht mehr. Und das hat Folgen.

Die Bundesliga-Spiele sind nicht mehr wie selbstverständlich ausverkauft – ob bei Hertha (Stadionauslastung: 62 Prozent laut Statista), beim HSV (88 Prozent), in Mainz (83 Prozent) oder Wolfsburg (84 Prozent). In der Europa League zu den Heimspielen der deutschen Klubs kamen noch weniger. Woran liegt das? Sind das wirklich die Ticketpreise – oder liegt das vielleicht doch an der fehlenden Spannung?

Goretzka sollte die Bundesliga verlassen

Für mich nimmt das alles eine negative Tendenz an. Wenn ich vorausschaue, wo die Bundesliga in drei, vier Jahren steht, sehe ich da eine Kurve, die nach unten zeigt. Und das ist schade. Warum ist die Nationalmannschaft so stark? Ganz einfach, weil viele Spieler bei europäischen Topklubs unter Vertrag stehen – wie zum Beispiel Toni Kroos bei Real, Ilkay Gündogan und Leroy Sané bei Manchester City, Sami Khedira bei Juventus, Marc-André ter Stegen beim FC Barcelona oder Mesut Özil bei Arsenal.

Ich würde einem Leon Goretzka vom FC Schalke deshalb immer raten, die Bundesliga zu verlassen und ins Ausland zu gehen. Das werden die Schalker nicht gerne hören. Aber diese Entscheidung bei ihm ist ganz entscheidend für seine sportliche Entwicklung. Selbst wenn Schalke in die Champions League kommt, spielen sie da wahrscheinlich keine große Rolle. Dann sitzt er irgendwann da und fragt sich: „Warum habe ich hier nur für vier, fünf Jahre unterschrieben?“

Draxler und De Bruyne mussten auch gehen

Nehmen wir Julian Draxler oder Kevin De Bruyne – hätten die sich so entwickelt, wenn sie in Wolfsburg geblieben wären? Sicher nicht!

Die Liga verspricht zumindest an der Spitze wenig Spannung – aber zum Glück gibt es noch ganz viele offene Fragen.

► Wie schneiden die deutschen Klubs in Europa ab?

In der Champions League ist nur noch der FC Bayern verblieben. Aber da ist der Anspruch das Champions-League-Finale. Dafür müssen sie sich steigern. Und selbst dann hängt es von vielen Faktoren ab. Die wichtigen Spieler müssen bei 100 Prozent sein, du darfst nicht viele Verletzte haben und brauchst auch ein Quäntchen Glück.

Immerhin spielt Barcelona gegen Chelsea, Paris gegen Real – die müssen sich auch erstmal durchsetzen. Paris gehört für mich eigentlich zu den Favoriten, aber am Ende wird wohl auf Real und Cristiano Ronaldo wieder Verlass sein.

Ich habe aber auch hohe Erwartungen an Dortmund und Leipzig in der Europa League. Ich hoffe, dass sie den Eindruck geraderücken können, den Hoffenheim, Hertha und Köln in der Hinrunde hinterlassen haben. Das war eine Schande. Schlechter geht’s nicht. Ich glaube, das war mit die schlechteste Performance aller Zeiten in der Europa League.

Dortmund und Leipzig sollten nun den Anspruch haben, das Finale zu erreichen – auch wenn andere Vereine wie Atlético oder Neapel das auch wollen. Aber wenn du diesen Wettbewerb jetzt nicht gewinnen willst, kannst du zuhause bleiben. Deshalb kann Peter Stöger auch einen Titel gewinnen – warum denn nicht?

Gut, dass Pause ist – werden sie sich in Leipzig sagen. Die Leistungskurve ging zuletzt klar nach unten. Im Winter wirst du keine Top-Spieler bekommen, aber im Sommer müssen sie etwas am Kader verändern. Sie haben gesehen, dass es auf dem Niveau nicht reicht, wenn Spieler ausfallen. Der Kader muss entsprechend der Wettbewerbe aufgestellt sein. Sie müssen im Sommer auch ein paar ganz entscheidende Personalien für die nächsten Jahre klären und Ruhe reinbekommen. Was wird aus Timo Werner, Marcel Sabitzer oder Emil Forsberg? Kann man sie halten oder gehen sie doch noch?

Der Vorteil: Ralf Rangnick ist ein erfahrener, guter Mann, der das hinbekommt.

Vielleicht sollten sie darüber nachdenken, die Spielweise zum Teil zu verändern – und auch mal auf Ballbesitz gehen. Die Bayern haben auch Phasen, in denen sie pressen, aber du siehst verschiedene Spielarten. Sie spielen den Gegner auch mal müde.

► Wie beantworten Bayern und Dortmund ihre Trainerfrage?

Es ist ungewöhnlich, dass bei den beiden besten deutschen Vereinen noch nicht klar ist, wer in der kommenden Saison Trainer wird. Und die Umfragen und Diskussionen sind auch nicht gut für die Vereine. Ich kann aber verstehen, dass sie sich mit den Interimstrainern erstmal Zeit verschafft haben. Denn bei beiden Vereinen geht es jetzt darum, die richtige Entscheidung zu treffen – nicht die schnellste.

Genau dabei ist es nicht förderlich, wenn Uli Hoeneß bei einer Fanklub-Weihnachtsfeier fragt, wer Jupp Heynckes in der kommenden Saison gern weiter als Bayern-Trainer sehen würde. Es ist logisch, dass da alle die Hand heben und sich niemand dagegen ausspricht.

Ich glaube, das kam auch bei Jupp Heynckes nicht gut an. Natürlich ist Uli Hoeneß ein emotionaler Mensch – und das ist gut so. Aber bei dieser Personalie hat er ja schon gesehen, wie viel geredet und spekuliert wurde. Da ist so eine Umfrage absolut kontraproduktiv – das muss man mal klar und deutlich sagen. Du setzt damit auch Jupp Heynckes ein Stück weit unter Druck. Er muss dann wieder antworten – und das geht ihm gehörig auf den Senkel.

Zumal man aufpassen muss, dass die Stimmung nicht dahingehend beeinflusst wird, dass am Ende noch irgendjemand dem Jupp Heynckes böse ist, wenn er den FC Bayern wieder verlässt – genauso, wie er das immer gesagt hat.

► Wie geht es mit dem Videobeweis weiter?

Das große Diskussionsthema der Hinrunde war der Videobeweis. Es war richtig, ihn einzuführen, die Umsetzung war es noch nicht. Es war klar, dass es eine Zeit braucht, aber dass so viele falsche Entscheidungen vom Videoschiedsrichter gefällt wurden, das kann ich nicht nachvollziehen. Er hat Ruhe, Zeitlupen aus jedem Blickwinkel und ist abgeschottet in Köln. Wenn er dann falsch liegt, muss er dringend hinterfragt werden.

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Es gibt für mich drei Punkte, die die Schiedsrichter in den Griff bekommen müssen – und zwar schon zur Rückrunde.

  • Der Video-Schiedsrichter in Köln sollte nur einen Hinweis geben dürfen, wenn er etwas gesehen hat. Wenn dann immer der Schiedsrichter auf dem Platz einen Blick auf die Bilder wirft und die Entscheidung trifft, hat er es immer selbst gesehen, selbst entschieden und kann das dann auch anschließend erklären und verantworten.
  • Der Schiedsrichter sollte nach einer feststehenden Entscheidung eine kurze Erklärung an die Zuschauer abgeben – wie in der NFL. Dann weiß jeder Bescheid.
  • Das Wichtigste bei den Schiedsrichtern ist aber, dass sie untereinander ihre Streits, Ärgernisse und Grüppchenbildungen aus der Welt schaffen. Wie willst du so eine Neuerung einführen und verkaufen – wenn du kein Team hast? Das ist unmöglich!

► Werden wir wieder Weltmeister?

Die WM wird ein Mega-Turnier! Wir als Titelverteidiger, dazu Mannschaften, die sich überragend entwickelt haben – wie Frankreich oder England. Trotz der perfekten WM-Quali, dem Confed-Cup-Sieg und der Gruppenauslosung teile ich diese Euphorie, die entstanden ist, aber nicht.

Ich schaue immer als erstes darauf, in welcher Reihenfolge die Gruppenspiele bei der WM stattfinden. Das ist ganz entscheidend. Und die Spielansetzung für die Deutschen ist schwierig. Du hast die Mexikaner, die den großen Favoriten ärgern wollen, dann Schweden. Im Normalfall geht das gut, es kann aber auch mal komplett schief gehen.

Wenn Du Titelverteidiger bist, solltest du den Anspruch haben, wieder Weltmeister zu werden. Aber Frankreich, England oder auch Brasilien und Argentinien sind extrem gefährlich. Messi hat gesagt, dass die Niederlage von 2014 noch schmerzt, aus diesem Schmerz kann etwas Großes entstehen. Ich sehe uns als Mitfavorit, nicht als Topfavorit.

Ich wünsche Ihnen allen ein frohes Weihnachtsfest und alles Gute für das neue Jahr!

Weiterführende Informationen:

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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