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Kolumne von Stefan Effenberg: ""Wie traurig ist das denn bitte?""


Effenberg-Kolumne
"Wie traurig ist das denn bitte?"

Meinungt-online, Stefan Effenberg

Aktualisiert am 14.12.2017Lesedauer: 6 Min.
Aubameyang (l.) und Werner (r.) hinken mit ihren Klubs Dortmund und Leipzig hinter Müller und Bayern hinterher. Das Urteil von Stefan Effenberg: Langweilig!Vergrößern des Bildes
Aubameyang (l.) und Werner (r.) hinken mit ihren Klubs Dortmund und Leipzig hinter Müller und Bayern hinterher. Das Urteil von Stefan Effenberg: Langweilig! (Quelle: imago-images-bilder)

Der frühere Bayern-Kapitän ärgert sich, dass bald wieder die Ersten dem FC Bayern vorzeitig zum Titel gratulieren. Die Liga findet er so langweilig.

Klartext von Stefan Effenberg: In seiner neuen Kolumne kritisiert er Hoffenheim-Trainer Julian Nagelsmann, hat einen Verbesserungsvorschlag für die Trainerausbildung des DFB und stört sich an der Langeweile in der Liga.

Die Kolumne von Stefan Effenberg bei t-online.de

Da saß Julian Nagelsmann, der als BVB-Trainer für die nächste Saison im Gespräch ist, doch tatsächlich in Mainz neben ein paar Dortmund-Fans auf der Tribüne. Genau wie er vor einigen Monaten in München saß mit seinem roten Mantel, als er beim FC Bayern gehandelt wurde. Immerhin hatte er diesmal keinen gelben Mantel an.

Muss er da wirklich sitzen?

Gegner beobachtet? Das lasse ich nicht gelten

Julian Nagelsmann ist ein hochintelligenter Junge. Natürlich weiß er, was er in dieser Situation damit auslöst. Er sagt: „Ich habe meinen Job gemacht und unseren nächsten Gegner beobachtet.“ Mit Hoffenheim spielt er am Samstag in Dortmund. Aber ich lasse das so nicht gelten.

Man kann sich auch anders vorbereiten, als auf der Tribüne – und sei es von einer Loge aus, wo ihn kein Mensch sieht. Zumal die Dortmunder auswärts in Mainz mit einem neuen Trainer ganz anders auftreten als im nächsten Heimspiel. Die Erkenntnisse dürften sich also in Grenzen halten. Und streng genommen müsste er ja dann bei jedem Gegner vorher auf der Tribüne sitzen – macht er aber nicht. Das Argument steht also auch nicht zu hundert Prozent.

Der Auftritt hat einfach einen komischen Beigeschmack.

Nagelsmann tut sich keinen Gefallen

Peter Stöger, der einen Vertrag bis zum Saisonende hat, wird mit dem Thema konfrontiert – das ist unangenehm. Das kommt bei Kollegen nicht gut an. Nagelsmann tut sich damit definitiv keinen Gefallen. Weder mit dem Auftritt in München noch mit dem beim BVB. Das ist Fakt.

Er hat das doch auch gar nicht nötig. Er hat sportlich extrem für Furore gesorgt und ist sowieso im Gespräch.

Die Geschichte ist für ihn auch nicht ungefährlich. Wie nehmen die Dortmund-Fans das auf? Die verfolgen das auch. Die bilden sich ihre Meinung und werden die auch kundtun.

Der Umgang mit dem Europacup? Eine Schande!

Das kann sogar dazu führen, dass das am Ende mit Nagelsmann und Dortmund nicht so hinhaut, wie sie sich das vorstellen.

Nagelsmann ist einer der Trainer, die gerade ohnehin im Fokus stehen – wegen des schlechten Abschneidens im Europacup.

Auch ich habe es als eine Schande empfunden, wie die Vereine damit umgegangen sind. Wie sie sich noch hinterher hingestellt und gefreut haben, dass sie sich auf die Liga konzentrieren können. Wenn Du das in der freien Wirtschaft machst, bist du weg. Schauen Sie sich an, was da für Vollgranaten in der Europa League dabei sind. Und trotzdem hast du eine realistische Chance, als Borussia Dortmund oder RB Leipzig diesen Wettbewerb zu gewinnen und dich darüber für die Champions League zu qualifizieren – wenn das über die Liga nicht klappen sollte.

Die Bundesliga ist langweilig

Zumindest hat erstmal die Diskussion aufgehört, wer die stärkste Liga der Welt hat. Ich weiß auch nicht, wer sie hat – aber ich weiß, wer sie nicht hat: Wir Deutschen.

Schauen Sie sich mal die Liga an. Vor kurzem noch lag der FC Bayern fünf Punkte hinter der Spitze, jetzt führt er mit neun. Leipzig kann kein Spiel mehr gewinnen, Dortmund hat lange nicht gewonnen. Dann gewinnt Gladbach mal gegen Bayern – um danach gleich wieder zu verlieren. Leider Gottes ist es wieder so, wie Uli Hoeneß mal gesagt hat: Die Konkurrenz kann den FC Bayern mit dem Fernglas beobachten. Und das macht die Bundesliga langweilig.

Die Scholl-Aussagen waren krass

Sie ist vielleicht noch von Platz zwei bis Platz acht spannend und vielleicht von 13 bis 17 – alles andere ist uninteressant, das braucht man gar nicht mehr schauen. Dann kommen bald die Leipziger und Dortmunder und gratulieren Bayern vorzeitig zum Titel. Wie traurig ist das denn? Dabei gab es so viele Möglichkeiten in dieser Saison. Das liegt nicht an Bayern. Es liegt an den Vereinen dahinter. Bei Leipzig beispielsweise reicht es aktuell für oben nicht. Da müssen im Kader einige Dinge verändert werden.

Mehmet Scholl hat die Probleme im deutschen Fußball mit den Trainern und deren Ausbildung in Verbindung gebracht. Den DFB-Trainerlehrgang hat Scholli als zehnmonatige Gehirnwäsche bezeichnet. Das hört sich krass an und das kann man so auch nicht sagen. Aber Verbesserungspotenzial gibt es aus meiner Sicht trotzdem.

Der Trainer-Lehrgang sollte praktischer sein

Man sollte darüber nachdenken, den Lehrgang etwas praktischer zu gestalten. Zum einen wäre er dann weniger zäh und langweilig, zum anderen könnte man gleich versuchen, die Theorie umzusetzen. Und zwar insoweit, dass man das am Vormittag erlernte gleich am Nachmittag auf den Platz bringt. Dann kannst du das ausprobieren und gleich verbessern.

Natürlich muss manches im Lehrsaal stattfinden, Fächer wie Psychologie oder Sportbiologie – aber das Sportliche sollte man zum Großteil auf dem Platz machen.

Zumal du natürlich Trainer dabei hast, die selbst nicht auf höchstem Niveau gespielt haben. Die neigen dann dazu, das eins zu eins umzusetzen, was sie da in der Theorie lernen. Und wenn du das machst, sind die Spieler schnell ein Stück weit überfordert und die Kreativität – das hat Scholli ja auch gesagt – geht tatsächlich verloren. Das mit der Schablone anzuwenden, kann dafür sorgen, dass die Spieler die Freude verlieren am Training.

Manche Trainer klammern sich an der Theorie fest

Es ist doch logisch, dass sich die Trainer an der Theorie festklammern, die eben nicht eine Niederlage in der 90. Minute eines Champions-League-Finals erlebt haben – oder andere Situationen, in denen man auf dem Spielfeld selbst Dinge erkannt hat.

Und genau da sind die Ex-Profis eine große Hilfe für die anderen.

Ich persönlich habe die Dinge, die man gebrauchen kann, in einen Ordner gepackt. Und die Dinge, die man nicht gebrauchen kann – die habe ich in einen anderen, etwas größeren Ordner gepackt.

Wie Manager sich selbst helfen

Es ist schon auffällig, wie viele Trainer aktuell aus der zweiten Reihe oder den Nachwuchsleistungszentren bei den Vereinen eine Chance bekommen oder bekommen haben: Ruthenbeck in Köln, Kohfeldt in Bremen, Rasiejewski in Bochum, Hofschneider bei Union, Leitl in Ingolstadt, Lenk in Aue, Dickhaut in Fürth oder Paula bei Lautern. Achtmal also in der ersten und zweiten Liga.

Die Gründe dafür sind klar: Die Gehaltskosten und das Risiko sind sehr überschaubar. Ein Verein schmeißt einen Trainer raus, muss Abfindung oder weiter Gehalt zahlen – und kann dann nicht sofort wieder einen Trainer verpflichten für drei, vier Jahre, der erneut viel verdient. So gibt man dem Interimstrainer vier, fünf Spiele – beispielsweise bis zur Winterpause, und schaut, wie sich das entwickelt. Wenn es schief geht, wird er zurückgeschickt ins NLZ – und nichts ist passiert.

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Das Entscheidende aber ist: Die Manager minimieren das Risiko für sich selbst. Dann haben sie nicht gleich den zweiten oder dritten Schuss daneben gesetzt, sondern noch einen weiteren frei.

Ich gebe Matthias Sammer Recht

Als Trainer hast du diese Möglichkeiten nicht. Da musst du sofort die Ergebnisse liefern. Ob du dreimal die Champions League gewonnen hast oder nicht: Wenn die Resultate nicht stimmen, bist du weg. Deshalb rate ich, den Misserfolg nicht immer nur an den Trainern festzumachen.

Matthias Sammer hat jetzt zurecht auch eine Managerdiskussion aufgemacht. Er fordert mehr erfahrene Spieler auf diesen Posten. Das Thema ist nicht neu, das gab es vor zwei, drei Jahren schon mal. Da wurde über einen Sportdirektoren-Lehrgang diskutiert. Ich sage auch hier: Wer jahrelang selbst auf Topniveau gespielt hat, hat einen riesigen Vorteil gegenüber den Mitbewerbern. Dementsprechend gebe ich Matthias Sammer Recht. Die haben bittere Niederlagen und große Siege mitgemacht. Die wissen, wie man das verarbeitet und wie man in solchen Situationen mit den Spielern umgehen muss.

Wer das nicht erlebt hat, dem fehlt womöglich das Fingerspitzengefühl.

Das Modell Veh sollte Schule machen

Für optimal halte ich das Modell, das der 1. FC Köln gerade vorgestellt hat: Mit Armin Veh als Sportchef. Veh wurde bei seiner Vorstellung gefragt, ob er Glückwünsche zu dem Job bekommen habe. Seine Antwort: „Ich habe den Leuten gesagt, sie müssen dem Verein gratulieren und nicht mir.“ Damit hat er Recht.

Er ist nicht nur früher selbst Spieler gewesen, sondern auch ausgebildeter Fußballlehrer, hat viele Stationen hinter sich. Ob Interimstrainer Ruthenbeck und auch der Trainer danach: Sie können nur profitieren – in der Zusammenarbeit, in taktischen Dingen, in der Analyse. Mit so einem würde ich mich immer austauschen, das kann nur eine Hilfe sein. Genauso Rudi Völler in Leverkusen. Diesen Leuten hörst du zu – und zwar eher als Jemandem, der eben gar nicht auf höchstem Niveau gespielt hat und trotzdem so eine Position bekleidet. Das ist einfach so.

Spinner und Wehrle haben den Überblick verloren

Und auch der Umgang mit den Medien ist wichtig. Früher hast du mit Journalisten ein Bierchen getrunken und am nächsten Tag war die Geschichte positiv. Das gibt es heute nicht mehr.

Wie man es nicht macht, hat man dann beim 1. FC Köln von Präsident Spinner und Geschäftsführer Wehrle gesehen. Da haben sie komplett den Überblick verloren. Das ist das beste Beispiel.

Ich hoffe, dass der ein oder andere Verein sich da ein Beispiel nimmt an Köln, wenn er sich für die Zukunft neu aufstellt. Man sollte Fußballehrer nicht nur als Trainer sehen. Du hast dadurch einen absoluten Mehrwert.

Transparenzhinweis
  • Stefan Effenberg ist Botschafter des FC Bayern München und sagt dazu: „Ich repräsentiere den FC Bayern, insbesondere im Ausland. Mein Engagement hat keinen Einfluss auf meine Kolumnen bei t-online. Hier setze ich mich weiterhin kritisch und unabhängig mit dem Fußball auseinander — auch und insbesondere mit dem FC Bayern.“
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