Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Brisantes Urteil zu Polizeikosten Endlich müssen sie blechen
Bei der heiklen Frage der Beteiligung der Fußball-Profiklubs an den Polizeikosten für Hochrisikospiele sind die Bundesländer gespalten. Das Urteil hat Konfliktpotenzial.
Jetzt könnte es für den deutschen Profifußball richtig teuer werden. Nach einem zehnjährigen Rechtsstreit um die Polizeikosten ist die Deutsche Fußball Liga vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert, damit könnten den Klubs in Zukunft die zusätzlichen Kosten für Hochrisikospiele in Rechnung gestellt werden. Als Vorkämpfer quittierte Bremens Innensenator Ulrich Mäurer das Urteil mit einem breiten Grinsen, die DFL-Vertreter zeigten sich schwer enttäuscht.
Der Deutsche Fußball-Bund sieht sogar einen "Wettbewerbsnachteil für den Fußballstandort Deutschland" und schätzt drohende Gebührenbescheide für viele Vereine, vor allem in der 3. Liga und der Regionalliga, als potenziell "existenzgefährdend" ein. Künftig könnten alle Bundesländer ihre Profiklubs an den Ausgaben beteiligen, die entstehen, wenn bei Spielen mit erwartbar vielen Krawallmachern mehr Polizisten als üblich auflaufen müssen.
Das führt unweigerlich zu der Frage: Ist es richtig, die Vereine zur Kasse zu bitten?
Ein Grundrecht auf Fußball gibt es nicht
Ja doch: Für Hunderttausende in diesem Land gehören der Bundesliga-Fußball und das Spektakel darum jedes Wochenende zur persönlichen Grundversorgung. Aber zur staatlichen Grundversorgung wie Wasser, Strom und Kanalisation gehört er eben nicht. Ein Grundrecht auf Fußball gibt es auch nicht. Gemeinnützig kann man die Veranstaltung Profi-Fußball ebenfalls nicht nennen. Im Gegenteil: der kommerzielle Fußball ist längst eine riesengroße gewinnmaximierte Veranstaltung.
Deshalb geht das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu den Polizeikosten der so genannten Risikospiele in die richtige Richtung. Wo steht geschrieben, dass diese renditegetriebenen Unternehmen wie Bayern München oder der BVB ihre Einnahmen individualisieren, sprich: einstreichen? Nebenkosten wie die massiven Polizeiaufgebote vor den Stadien aber kollektivieren, also auf die Allgemeinheit abwälzen? Wir reden nach Schätzungen der Polizeigewerkschaft von 100 Millionen Euro im Jahr.
Wieso werden diese Kosten nicht an die Vereine weitergereicht? Schließlich verdienen die Vereine sehr gut an der rollenden Kugel und haben offenbar so viel Geld im Schrank liegen, dass alleine die Ablösesummen sich in Einzelfällen – wie beispielsweise bei Harry Kane – zu dreistelligen Millionensummen auftürmen. Niemand würde auf die Idee kommen, dass Siemens oder die BASF die Kosten für ihren Werkschutz und die privaten Sicherheitsdienste vor den Pforten auf den Staat abwälzen dürfen.
Ein Stadion ist nichts anderes als das Werksgelände eines Fußballvereins. Wieso ist es dort also seit jeher Gewohnheitsrecht, dass der Staat diese im Behördendeutsch: "Gewährleistung des störungsfreien Betriebsablaufs" auf Kosten der Allgemeinheit – erbringt? Karlsruhe hat dagegen ein erstes Stoppschild aufgestellt. Möglichst viele Bundesländer sollten dem Bremer Beispiel folgen (wieso stellt sich eigentlich Berlin quer, wenn es zugleich die Kultur kurz und klein holzt?) und so Sogwirkung erzeugen. Um das Urteil am Ende bundesweit wirksam werden zu lassen.
Dieses Urteil ist unredlich
Nein. Im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Bedeutung des Fußballs fällt gerne der Begriff "gemeinschaftsstiftend" – genau so ist es nämlich.
Die 36 Klubs der 1. und 2. Bundesliga sind professionell geführte Unternehmen mit Umsatz in Milliardenhöhe, mit zahllosen Mitarbeitern und zigtausenden zahlenden Mitgliedern. Sie sind sozial engagiert, prägen je nach Ortschaft durchaus auch Ruf und Renommee einer Stadt mit – und: Sie zahlen, wie jedes andere Unternehmen auch, Steuern. In Milliardenhöhe sogar, der Wirtschaftsreport der Deutschen Fußball-Liga (DFL) aus 2024 beziffert die Summe sogar auf 12,6 Milliarden Euro in den vergangenen 10 Jahren. Eine zusätzliche Inregressnahme – wenn auch nur für eine relativ übersichtliche Zahl sogenannter "Risikospiele" – würde, salopp formuliert, einer doppelten Besteuerung gleichen. Ganz unabhängig davon, ob sich die Profiklubs die entstehenden Kosten nun locker leisten könnten oder nicht.
Und, wohlgemerkt: Das (auch auf andere Veranstaltungen anwendbare) Urteil betrifft Polizeieinsätze rund um Stadien, in Innenstädten und wo immer sich einem Event mit mehr als 5.000 Besuchern zuzuordnende Personen unter vollständiger Missachtung von Anstand und Menschsein danebenbenehmen. Einem Fußballverein, einem Konzertveranstalter, einem Bierzeltbetreiber beim Oktoberfest eine Verantwortung für sein Publikum über die eigenen vier Wände hinaus aufzubürden, ist unredlich. Das kann aufregen. Das sollte aufregen.
Schon jetzt zeichnet sich übrigens ein bundesweiter Flickenteppich ab: Was, wenn sich Anhänger der Großkopferten vom FC Bayern vor oder nach einem Heimspiel in München zu Randalen hinreißen lassen? Der Freistaat gehört nämlich zu den Bundesländern, die bereits erklärt haben, Polizeieinsätze nicht in Rechnung stellen zu wollen. In der 2. Bundesliga dagegen könnten dagegen ständig "Risikospiele" drohen – insbesondere bei Duellen in den neuen Bundesländern. Auf diese finanziell weitaus weniger gut aufgestellten Vereine würden in der aktuellen Konstellation horrende Zahlungen zukommen.
Und das wäre alles, nur nicht "gemeinschaftsstiftend". Besonders aber: Ungerecht.
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