Aufregung nach Polizeikosten-Urteil Die Folgen sind noch nicht absehbar
Jahrelang wehrte sich die DFL dagegen, dass die Stadt Bremen von ihr Gebühren für den zusätzlichen Polizeiaufwand bei sogenannten Hochrisikospielen erhebt. Das oberste Gericht bestätigt nun das Bremer Modell. Was heißt das genau?
Die Deutsche Fußball Liga (DFL) ist im Streit um eine Beteiligung der Dachorganisation an den Polizeikosten für Hochrisikospiele am Bundesverfassungsgericht gescheitert. Ihre Verfassungsbeschwerde gegen eine entsprechende Regelung aus Bremen blieb ohne Erfolg, wie der Erste Senat in Karlsruhe verkündete.
Die angegriffene Norm sei mit dem Grundgesetz vereinbar, erklärte Gerichtspräsident Stephan Harbarth in der Urteilsverkündung. Ziel der Regelung sei es, die Kosten auf denjenigen zu verlagern, der sie zurechenbar veranlasst habe und bei dem die Gewinne anfallen. Das sei ein verfassungsrechtlich legitimes Ziel.
- Polizeikosten für Hochrisikospiele: Bundesligavereine müssen zahlen
Aber was heißt das nun genau? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Gerichtsurteil.
Warum wurde vor dem Bundesverfassungsgericht überhaupt verhandelt?
2015 stellte das Land Bremen nach dem Derby zwischen Werder Bremen und dem Hamburger SV der Deutschen Fußball Liga (DFL) erstmals eine Rechnung (425.000 Euro) für einen Polizeieinsatz. Die DFL wehrte sich dagegen, musste aber juristische Niederlagen vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen und dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hinnehmen. Das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht wurde im April 2024 eröffnet.
Das Nordderby zählt schon seit jeher zu der Kategorie "Hochrisikospiele". Die Stadt Bremen sah es nicht mehr ein, die Polizeikosten zu übernehmen.
Was genau sind Hochrisikospiele?
Als Hochrisikospiele werden solche Partien bezeichnet, bei denen besonders mit Auseinandersetzungen zwischen den Fanlagern gerechnet wird. Nach DFL-Angaben gab es in der Saison 2022/23 bei insgesamt 612 Begegnungen in der 1. und 2. Liga 52 sogenannte "Rotspiele". Bei normalen Bundesligaspielen in Bremen sind 500 bis 600 Ordnungskräfte im Einsatz, bei Hochrisikospielen 800 bis 1.000, wie bei der Verhandlung erklärt wurde.
Um wie viel Geld geht es?
Wie oben erwähnt, stellte der Stadtstaat Bremen der DFL rund 400.000 Euro für die Polizeikosten in Rechnung. Weitere Bescheide folgten. Insgesamt geht es nach Angaben der Stadt Bremen mittlerweile um Gebühren in Höhe von mehr als drei Millionen Euro.
Auch abseits von sogenannten Hochrisikospielen kosten die Polizeieinsätze bei Fußballspielen viel Geld. So summierten sich in der Saison 2022/23 in Rheinland-Pfalz die Kosten bei allen Partien der 1. und 2. Liga, der Regionalliga, der Oberliga, bei Pokalpartien, einer Relegationsbegegnung und einem Länderspiel auf insgesamt rund 4,6 Millionen Euro. Gewalt in und um Stadien beschäftigte immer wieder die Innenministerkonferenzen – auch wegen der anhaltenden Pyrotechnik-Problematik in den Fankurven.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer rechnet für alle Klubs mit zusätzlichen Gebühren von 20 bis 30 Millionen Euro pro Saison. Und schlägt nach dem Urteil vor: "Die Profiliga zahlt in einen Fonds ein und die Polizeien des Bundes und der Länder werden dann nach dem Aufwand abgerechnet. Das wäre das Einfachste." Dieses Modell setze aber voraus, dass die DFL ihre Position revidiere. "Ich glaube, dass der heutige Tag dazu beitragen wird", zeigte sich Mäurer optimistisch. Bewege sich die DFL nicht, würden die einzelnen Länder Gebührenordnungen erlassen – "dann muss man so oder so zahlen."
DFL-Boss Hans-Joachim Watzke hatte sich schon vor dem Urteil gegen einen Fonds ausgesprochen. "Es wird nicht so kommen, dass die Klubs aus den Bundesländern, in denen diese Kosten nicht erhoben werden, in einen Solidartopf einzahlen", sagte Watzke. "Das ist schon die Verantwortung auch der einzelnen Landesregierungen."
Werder Bremen sieht das anders, Zoff ist programmiert. Die mögliche Praxis, wonach Vereine künftig abhängig von ihrem Bundesland für die Polizeikosten zahlen müssen oder eben nicht, dürfte zu einem Aufschrei der betroffen Klubs führen – auch wenn Watzke den Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung vorsorglich zurückgewiesen hat. "Wir müssen nun im Ligaverband Diskussionen führen. Werder darf nicht alleine die Zechen zahlen. Das wäre eine Benachteiligung für uns", sagte Werders Geschäftsführer Tarek Brauer: "Wir wünschen uns die Solidargemeinschaft der Liga und eine faire Verteilung der Kosten."
Was sagt die DFL?
Die DFL hält die Folgen des Urteils zu den Polizeikosten bei Bundesligaspielen für den Profifußball für noch nicht absehbar. Die Konsequenzen würden sich erst in den kommenden Wochen und Monaten zeigen, ließ die Deutsche Fußball Liga wissen. "Leider ist uns das Bundesverfassungsgericht (...) nicht gefolgt. Das ist für uns natürlich enttäuschend. Aber das ist so zu akzeptieren", sagte Bernd Hoefer, Rechtsanwalt der Dachorganisation der 1. und 2. Bundesliga, nach dem Urteil in Karlsruhe.
Nach Ansicht des Dachverbands für die 1. und 2. Liga ist die betroffene Regelung verfassungswidrig und damit nichtig. Die DFL argumentierte in ihrer nun gescheiterten Verfassungsbeschwerde, es fehle an einer abgrenzbaren, ihr zurechenbaren Leistung der Stadt Bremen. Die sei aber verfassungsrechtliche Voraussetzung für eine rechtmäßige Gebührenerhebung. Außerdem seien einzelne Störer für den erforderlichen Polizeieinsatz verantwortlich – und nicht die Organisatoren.
Die DFL hatte bei der Verhandlung die Sicherheit bei Spielen hervorgehoben. "Fakt ist, die Bundesligisten investieren signifikant in präventive Maßnahmen", sagte Geschäftsführer Marc Lenz. "Fakt ist auch, dass das Stadionerlebnis in Deutschland sehr sicher ist. Und das bei bis zu 20 Millionen Zuschauern pro Jahr."
Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere die Gewährleistung einer störungsfreien An- und Abreise der Besucher im öffentlichen Raum zu einer Veranstaltung, obliegt nach Ansicht der DFL der Polizei. Die Bereitstellung zusätzlicher Polizeikräfte werde nicht von ihr veranlasst. Die Polizei werde vielmehr im Interesse der Allgemeinheit tätig. Ein etwaiger Mehraufwand zur Verhinderung von Gewalttaten rechtfertige daher keine Gebührenpflicht, so die Argumentation, der jedoch in Karlsruhe nicht gefolgt wurde.
Was ist mit der 3. Liga?
Der Deutsche Fußball-Bund, der von der 3. Liga abwärts für den Spielbetrieb zuständig ist, schließt sich der Argumentation der DFL an. Deren Anwalt Bernd Hoefer warnte davor, dass Gebühren Drittliga-Klubs überfordern würden.
Wie sehen das die Bundesländer außerhalb von Bremen?
Hier droht zunächst ein Chaos. Von einer einheitlichen Regelung scheint man momentan weit entfernt zu sein. Die "Bild"-Zeitung hatte in einer Umfrage festgestellt, dass die Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Schleswig-Holstein keine Kosten erheben wollen. Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Hessen, Hamburg und Sachsen schlossen Gebühren demnach allerdings nicht aus. Die anderen Bundesländer, einschließlich Hessen, plädieren insgesamt für ein einheitliches Vorgehen.
"Wir werden das Urteil des Bundesverfassungsgerichts und seine Begründung bewerten, sobald sie vorliegt. Es gilt aber auch weiterhin meine Position, dass das Land Berlin keine Kostenbeteiligung für Vereine an Zusatzausgaben bei Polizeieinsätzen im Hinblick auf Hochrisikospiele plant", sagte Innen- und Sportsenatorin Iris Spranger (SPD).
Das Land Hessen zeigte sich über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erfreut, strebt aber ein bundesweit einheitliches Vorgehen an. "Alles andere würde auch zu Wettbewerbsverzerrungen führen", sagte Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) in einer Stellungnahme des Ministeriums.
Was sagt die Polizei zum Urteil?
Der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Jochen Kopelke, zeigt sich erleichtert, dass nach so vielen Jahren des Hin und Her endlich Klarheit herrscht: "Seit über zehn Jahren wird über die Frage gestritten, wer die immensen Kosten für Polizeieinsätze bei Großveranstaltungen trägt. Mit steigender Gewalt und wachsender Belastung der Polizei ist dieses Thema heute aktueller denn je. Die Frage, wer zahlt, ist nun endlich geklärt – und längst überfällig."
Er hat eine klare Forderung an die Politik, sollte das Bremer Modell nun bundesweit Schule machen: "Für uns als Gewerkschaft der Polizei ist eines klar: Wenn weitere Bundesländer das Bremer Modell der Kostenbeteiligung übernehmen, muss sichergestellt werden, dass die Gelder tatsächlich der Polizei zugutekommen. Es darf nicht sein, dass Mittel im politischen Verwaltungsapparat versickern."
- Mit Material der Nachrichtenagenturen SID und dpa
- bild.de: "Urteil im Krawall-Prozess da"