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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Jungstar überzeugt in Kimmich-Rolle Er lässt Bayerns Bosse zweifeln
Jungstar Aleksandar Pavlović überzeugt bei Bayerns Sieg gegen Stuttgart als Kimmich-Vertreter. Ist er die interne Lösung des "Holding Six"-Problems?
Aus der Allianz Arena berichtet Julian Buhl
Bis zu diesem Zeitpunkt konnte Aleksandar Pavlović sie gut verbergen und im doppelten Wortsinn auf dem Platz mithilfe seiner abgeklärten Leistung überspielen. Als der 19-Jährige nach seinem überzeugenden Auftritt beim 3:0 des FC Bayern gegen den VfB Stuttgart aber in der Mixed Zone in den Katakomben der Allianz Arena ankam, war sie plötzlich doch allgegenwärtig: die Nervosität.
Dem Jungprofi des FC Bayern war deutlich anzumerken, dass er sich auf diesem für ihn noch unerprobten Metier, also den Interviews mit den Reportern, die dort auf ihn warteten, noch eher unwohl und unsicher fühlt. Es ehrt ihn, dass er sich der Herausforderung trotzdem tapfer stellte, auch wenn seine Antworten dann ziemlich kurz ausfielen und er einige Fragen weglächelte. Verlegen berichtete er von den vielen Schulterklopfern in der Kabine.
In den vorangegangenen 90 Minuten auf dem Spielfeld war von jugendlicher Unsicherheit oder gar Unbeholfenheit aber rein gar nichts zu sehen. Im Gegenteil: Dort trat Pavlović keineswegs schüchtern auf und war im zentralen Mittelfeld ganz in seinem Element.
Pavlovic: "Dann spielt man einfach nur Fußball"
"Minimale Nervosität ist immer da", sagte er t-online und erklärte seine Coolness auf dem Platz folgendermaßen: "Dann ist man so in seinem Film, blendet alles andere aus und spielt einfach nur Fußball."
Allzu viel Zeit, sich irgendwelche Gedanken zu machen, hatte er vor der Partie ohnehin nicht. Nachdem sowohl Joshua Kimmich als auch Leon Goretzka krankheitsbedingt kurzfristig ausgefallen waren, war er plötzlich als Vertreter der beiden Nationalspieler gefragt. Und an der Seite von Raphaël Guerreiro überzeugte er auf Kimmichs Position im zentralen Mittelfeld auf ganzer Linie.
Löst Pavlović das "Holding Six"-Problem?
Und auch in seinem zweiten Startelfeinsatz in der Bundesliga wusste er erneut mit seinen Qualitäten zu gefallen. Er agierte unaufgeregt, umsichtig und zweikampfstark auf der Sechser-Position, spielte einige sehr kluge Pässe. Insgesamt kam er auf 70 Ballkontakte und eine Passquote von 86 Prozent. Nach Guerreiro (13,2 Kilometer) lief er mit 13 Kilometern am meisten.
Pavlović spielte so, wie sich sein Trainer Thomas Tuchel das einem defensiv denkenden, ballsicheren Mittelfeldspieler, den er in seinem Kader vermisst, eigentlich nur wünschen kann. Ist er vielleicht sogar die interne Lösung für die externe Suche nach der von Tuchel gewünschten sogenannten "Holding Six"?
"Wir haben heute gezeigt, dass er unser Vertrauen hat. Er hat es wirklich gut gemacht. Aber lassen wir mal die Kirche im Dorf", sagte Tuchel. "Ich freue mich sehr für ihn, er trainiert gut, ist ein guter Junge, der sein Herz am rechten Fleck hat."
Pavlović lässt Bayern-Bosse zweifeln
Auch Präsident Herbert Hainer war mehr als angetan von dem couragierten Auftritt von Pavlović. "Er hat es überragend gemacht heute, und zwar nicht zum ersten Mal", sagte er. Wenn man einen kleineren Kader habe, "dann kriegen halt auch solche Spieler aus der zweiten eine Chance" und die habe Pavlović "hervorragend genutzt".
Können die Bayern, die im Sommer dazu bereit waren, 60 Millionen Euro für João Palhinha auszugeben, sich also möglicherweise eine kostspielige Investition im Mittelfeld sparen? Pavlović lässt die Verantwortlichen zumindest zweifeln und ihre Pläne für den Wintertransfermarkt möglicherweise noch einmal überdenken.
11. Spieltag
Es sei ja auch einer der Gründe, warum man Christoph Freund als Sportdirektor geholt habe, beantwortete Hainer die Frage danach. "Weil wir den Campus und die Nachwuchsarbeit stärken wollen." Man werde freilich "immer wieder auch mal Geld ausgeben, um einen internationalen Topstar zu holen. Aber wir wollen tendenziell mehr Leute aus der eigenen Jugend entwickeln", so Hainer. "Wir werden uns die nächsten Tage hinsetzen und überlegen, was wir im Winter machen."
Pavlovićs Standards als neue Bayern-Waffe
Pavlović zeigte jedenfalls einmal mehr eindrucksvoll, dass er alle Voraussetzungen und enorm großes Potenzial mitbringt. Und auch, warum Tuchel ihn zu seinem Standardschützen bestimmt hatte. Zuerst servierte er den perfekten Freistoß, den Min-jae Kim gleich in der 25. Minute per Kopf ins Tor beförderte – dabei allerdings wohl leicht im Abseits stand.
Mit dem nächsten Standard fand er Kim erneut, welcher Harry Kane dann das 2:0 vorlegte (56.). Beim 3:0 war der Südkoreaner dann auch der Abnehmer seiner scharf vors Tor getretenen Ecke – und köpfte sie mit Wucht leicht abgefälscht zum Endstand ins Tor.
Teamkollege Thomas Müller verwies schnell darauf, dass Bayern "auch mit Josh und Leroy (Kimmich und Sané; Anm. d. Red.) als Standardschützen in diesem Jahr ziemlich gut unterwegs" sei.
Pavlovićs beide ersten Versuche seien deutlich zu kurz geraten und "bei den ersten Aktionen war ich in einigen Zweikämpfen und Zuspielen nicht so zufrieden mit ihm", merkte Müller kritisch an. "Aber, dass der da spielen kann und dass er ein gutes Spiel macht heute, davon war ich felsenfest überzeugt", so Müller weiter. Pavlović sei schließlich "ein Fußballer: Der kann laufen, der kann kämpfen, der kann kicken."
Müller als Mahner und Mentor
Müller und Pavlović haben ohnehin ein ganz spezielles Verhältnis. Der Vizekapitän ist so etwas wie ein Mentor für den Jungstar. "Er spielt Fußball, so wie ich es kenne, hat einen guten Touch, lässt sich nicht unterkriegen", sagte Müller schon nach Pavlovićs starkem Auftritt beim BVB: "Er hat auch den Mumm in den Knochen".
Müller war es auch, der ihm vor dem VfB-Spiel gut zuredete, wie der 19-Jährige verriet. "Einfach spielen, glaub an dich", seien die entscheidenden Worte, die er ihm mit auf den Weg gegeben habe. Müller sei ein "sehr netter Typ", sagte Pavlović, "eine Bayern-Legende. Zu ihm kann man nur hochschauen."
Nur allzu gerne würde der in München geborene und aufgewachsene Deutsch-Serbe einen ähnlichen Weg wie sein Idol beim FC Bayern einschlagen. Nachdem er beim benachbarten SC Fürstenfeldbruck mit dem Fußballspielen begonnen hatte, wechselte er 2011 als Siebenjähriger zu Bayern und durchlief dort – genau wie einst Müller – sämtliche Juniorenteams beim Rekordmeister.
Pavlović als Zukunftsversprechen bei Bayern
Pavlović gilt als das nächste große Zukunftsversprechen beim FC Bayern, die in ihn gesetzten Erwartungen sind hoch. Unmittelbar vor dem BVB-Spiel hatte er beim Rekordmeister seinen ersten Profivertrag unterschrieben, der bis 2027 gilt. "Davon habe ich geträumt, seit ich klein war", sagte er hinterher, denn er sei schließlich "beim FC Bayern aufgewachsen".
Das betonte auch Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen. "Als echter Münchner hat er es in die erste Mannschaft des FC Bayern geschafft – unsere Fans träumen davon, dass solche Geschichten Realität werden, und uns im Klub geht es genauso", sagte Dreesen: "Auch sein Weg soll Vorbild sein für unsere Talente: Ihr könnt es über den Campus bis nach oben schaffen." Und dem Klub möglicherweise den ein oder anderen kostspieligen Transfer sparen.
- Reporter vor Ort in der Allianz Arena
- Gespräche in der Mixed Zone mit Aleksandar Pavlovic, Thomas Müller und Herbert Hainer
- Aussagen von Thomas Tuchel bei der Pressekonferenz
- Pressemitteilung des FC Bayern zur Vertragsunterschrift von Aleksandar Pavlovic