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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Was macht eigentlich Lou Richter? Ganz der Alte
In den Neunzigerjahren veränderte die Sendung "ran" die Berichterstattung über Fußball grundlegend. Damals mit dabei: Moderator und Reporter Lou Richter. Doch was macht er eigentlich heute?
Locker sitzt Lou Richter auf dem Hocker am Tresen. Mit schwarz-weiß gestreiftem Shirt, darüber ein schwarzes, langarmiges Hemd. Schemenhaft sind im Hintergrund die Gläser und Flaschen der Bar des kleinen Lokals im Haake-Beck Besucherzentrum in Bremen zu erkennen.
Neben ihm sitzt ein an der Weser nicht Unbekannter – im Gegenteil. Werder Bremens Trainer Ole Werner ist zu Gast, gut 3 Tage nach einer Pleite gegen Borussia Dortmund in der Bundesliga: "Wie lange dauert es bei dir, bis du so ein Spiel verarbeitet hast?"
Die wilde Zeit bei "ran"
Kaum hat die Sendung "UP'N SWUTSCH" begonnen, schon ist Lou Richter wieder ganz der Alte: der Sportreporter, den insbesondere ältere Semester noch aus seiner Zeit bei "ran" kennen. Der Sendung, die die Berichterstattung über Fußball in Deutschland im Jahre 1992 grundlegend veränderte.
Kommentator Jörg Dahlmann bezeichnete in seinem Buch "Immer geradeheraus" die Zeit bei "ran" als die wildeste journalistische Zeit seines Lebens. "Wir wurden fürstlich bezahlt und das Geld saß locker", so Dahlmann in seinen Memoiren.
Auch Lou Richter gehörte diesem Team der "Wilden und Bekloppten" an. Zunächst als freier Mitarbeiter, als er News-Sport-Formate im Frühstücksfernsehen präsentierte, später dann auch als Moderator, als er Football, Basketball und die Fußball-Bundesliga anpries. Da landete er schon mal mit Svetislav Pesic im Whirlpool oder fragte Wolfgang Joop nach seinen Basketball-Kenntnissen.
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"Lou ist die fleischgewordene gute Laune. Ganz oben in den beliebtesten Ex-Kollegen-Charts!", erinnert sich Dahlmann an seinen früheren Berufskameraden. Und auch der wagt einen Blick zurück in alte Zeiten.
"Meine 'ran'-Zeit von 1992 bis 2004 waren prima Jahre voller Sport, Spiel, Spaß, Spannung. Ich habe klasse Leute kennengelernt, von denen einige bis heute meine Freunde sind", lässt Richter bei t-online die verrückten Jahre Revue passieren. "Ich bin gut honoriert durch Veranstaltungen getobt, für die andere gerne eine Menge Geld bezahlen – von Superbowls über NBA-All-Star-Games bis zum Champions-League-Finale. Und ich habe mit BVB-Fans Leberkäsesemmeln in der Stadionkneipe von Unterhaching verdrückt – unbezahlbar."
Doch nicht nur bei Sportübertragungen war Richter omnipräsent im Privatfernsehen. 2003 gab Sat.1 die von Richter bespielten Sportfelder auf – und tummelte sich stattdessen in anderen Bereichen. Der gebürtige Niedersachse war immer wieder bei den unterschiedlichsten Unterhaltungsformaten ein gern gesehener Gast – ob bei "voll witzig", "Mensch Markus" oder der erfolgreichsten und bekanntesten Reihe: "Genial daneben".
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"Wäre ich kamerasüchtig gewesen, was ich nie war, hätte ich weiter eine ausreichende Dosis bekommen. Später habe ich mich ja dann bei 'Liga total' und bei Sport1 wieder mit Fußball beschäftigt. Auch wenn der Kick nicht mehr so kickte wie bei 'ran'", erzählt Richter heute.
Richter ist immer noch da
Und wie sieht es aus im Jahr 2023? Was macht das charismatische Nordlicht heute? Manch einen mag es überraschen, doch Richter ist keinesfalls von der Bildfläche verschwunden, was Sendungen wie "UP'N SWUTSCH" belegen. Es ist nur eine Nummer kleiner geworden, regionaler, gemütlicher.
Ende Februar war der heute 62-Jährige mit Moderator Thomas Helmer und Ex-Fußballprofi Mario Basler im "Doppelpass on Tour" zu Gast. Für den "Weser-Kurier" schreibt er regelmäßig eine Sportkolumne. Mal ganz lokal über den SV Werder, mal über die umstrittene Weltmeisterschaft in Katar.
Das Schreiben macht Richter so viel Freude, dass er sich zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020 dazu entschloss, ein Buch zu schreiben. Hauptthema: Konflikte. Denn Richter ist nicht nur Moderator, sondern seit 2018 auch zertifizierter Mediator. Seine Gedanken zur konstruktiven Konfliktbearbeitung legte er erst in einem Vortrag und nun in einem Buch dar.
Richter und seine "g.e.r.n.e."-Methode
"Ich bin ja 30 Jahre lang durch Radio und Farbfernsehen und Internet gegrätscht, und irgendwann 2018 ist mir mein Opa Heinrich wieder eingefallen. Der hat nämlich mal zu mir gesagt: 'Geh ruhig erst mal zum 'Fernseher', du kannst später noch was Vernünftiges, was Sinnvolles machen'", so Richter kürzlich bei "Sat.1 Regional".
"Ich habe mich dann daran erinnert, dass ich mich schon immer für Mediation, also Vermittlung im Konflikt, interessiert habe. Deshalb habe ich diese Ausbildung gemacht. Dann kam Corona und ich habe mir gedacht: 'Schreibste halt ein Buch'". "Ihr könnt mich mal ... g.e.r.n.e. haben!" lautet der etwas ungewöhnliche Titel.
Richter sieht in seinem Buch einen Wegweiser – vom Konflikt zur Lösung. Damit ist der Ehemann und Vater gewissermaßen in den Ratgeberbereich eingestiegen. "Ich kam im Laufe meiner Beschäftigung mit Mediation auf meine 'g.e.r.n.e.-Methode'. Klingt hochtrabend, will aber ganz schlicht ein Wegweiser sein, welche Haltung, welche Herangehensweise die Wahrscheinlichkeit deutlich verbessert, erfolgreich mit Konflikten umzugehen. Konflikte sind gut, wenn wir sie gut behandeln. Wie das klappen kann, dazu geben mein Buch und der Vortrag Hinweise."
"g.e.r.n.e.", das steht für gemeinsam, ergebnisorientiert, rücksichtsvoll, neugierig und einvernehmlich. So will Richter, der gleichzeitig passionierter Musiker ist, auch selbst durchs Leben gehen. "Vielfalt ist doch die Würze des Lebens", sagt er – und hat auch schon das nächste Projekt in der Pipeline.
"Ich sitze schon über dem nächsten Buch mit begleitender Webseite, oder umgekehrt. Auch da ist die Idee, das Leben etwas leichter zu machen – schwerer wird's ja von alleine. Und dann ist da immer die Musik … ich habe ganz sicher mehr Ideen als Lebensjahre vor mir – vielleicht für alle auch besser, wenn nicht jede verwirklicht wird."
- Persönlicher Austausch mit Lou Richter
- Verschiedene Fernsehauftritte von und mit Lou Richter
- Eigene Recherche