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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Klostermann ambitioniert Leipzig-Star angriffslustig: "Nach dem einen Titel soll nicht Schluss sein"
Leipzig strotzt nach dem Pokalsieg vor Selbstbewusstsein. Stellvertretend dafür: Nationalspieler Lukas Klostermann. Er sendet eine Kampfansage an die Konkurrenz.
Kaum ein Spieler in der Bundesliga hat in den vergangenen Jahren einen derart steilen Aufstieg erlebt wie Lukas Klostermann. Vom Zweitligaspieler entwickelte sich der mittlerweile 26-Jährige zum Leistungsträger, debütierte in der Nationalelf und hat nun beste Chancen auf die WM in Katar.
t-online: Herr Klostermann, Sie haben als Jugendlicher Schlagzeug gespielt und im Frühjahr angekündigt, sich wieder eines zulegen zu wollen. Ist das schon geschehen?
Lukas Klostermann: Leider noch nicht (lacht). Ich will das auf jeden Fall noch machen. Mit acht oder neun Jahren habe ich in der Musikschule angefangen, etwas später mein erstes eigenes Schlagzeug bekommen und sieben Jahre gespielt. Als es mit dem Fußball leistungsorientierter wurde, habe ich aus Zeitgründen aufgehört. Aber Schlagzeugspielen macht mir nach wie vor Spaß.
Können Sie davon auf dem Fußballplatz profitieren?
In gewisser Weise schon – im Hinblick auf Koordination, Rhythmus- und Taktgefühl. Das ist beim Schlagzeug schon anspruchsvoll. Insofern hat es in meiner Entwicklung als Fußballspieler sicher ein bisschen geholfen.
Apropos Rhythmus – der fehlte RB zu Beginn der vergangenen Saison. Wie wollen Sie diesen 2022/23 direkt finden?
Indem wir da weitermachen, wo wir aufgehört haben. In der Rückründe …
… waren Sie die beste Mannschaft der Bundesliga ...
… genau, da hatten wir einfach eine bessere Balance, waren flexibler, um den Gegner immer wieder vor unterschiedliche Probleme zu stellen. In der vergangenen Hinrunde sind wir gefühlt immer mit einem relativ ähnlichen Konzept in die Partien gegangen – das hat in manchen Spielen super und in anderen gar nicht funktioniert und dazu geführt, dass wir eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt haben.
Bis Dezember war Jesse Marsch Trainer, dann kam Domenico Tedesco und mit ihm der Erfolg. RB gewann mit dem DFB-Pokal den ersten größeren Titel der Vereinsgeschichte. Gehen Sie nun anders in die Saison?
Ich gewisser Weise schon. Wir sind jetzt ein Verein, der Titel gewinnen kann. Das ist für die Entwicklung des Klubs extrem wichtig und hilft dabei, Spieler zu halten – so wie Christopher Nkunku (der gerade erst zu Deutschlands Fußballer des Jahres gekürt wurde und überraschend bis 2026 verlängerte, Anm. d. Red.). Es war sicher ein ausschlaggebender Punkt, dass er gesehen hat, dass wir eine Mannschaft haben, die titelfähig ist. Am Ende des Tages spielen wir Fußball, um Titel zu gewinnen.
Entwickelt sich nun ein inneres Selbstverständnis wie das "Mia san mia" beim FC Bayern?
In gewisser Weise braucht man so ein Selbstverständnis. Natürlich nicht à la "Wir sind gut genug, jetzt läuft alles von allein". Eher in die Richtung, dass man in jedes Spiel reingeht mit dem Selbstverständnis, gewinnen zu können und sich vor absolut keinem Gegner verstecken zu müssen. Daher war es einfach wichtig, dass wir endlich mal den letzten Schritt gemacht und uns für den ganzen Aufwand belohnt haben.
Der Pokalsieg macht eher Hunger auf mehr, als dass er uns satt gemacht hat.
Leipzigs Lukas Klostermann
Sie haben vor zwei Jahren in einem "Kicker"-Interview gesagt: "Das Ziel ist, etwas Größeres zu erreichen." Ist der Pokalsieg dieses "Größere" oder meinen Sie damit noch mehr?
Grundsätzlich meine ich damit schon noch mehr (schmunzelt).
Was beispielsweise?
Es gibt noch andere Wettbewerbe (lacht). Es ist sicher etwas vermessen, in die Saison zu gehen und zu sagen "Wir wollen überall den ersten Platz erreichen", aber unser Anspruch ist schon, überall so lange wie möglich vorne dabei zu sein. Grundsätzlich soll nach dem einen Titel nicht Schluss sein. Nur weil wir den DFB-Pokal gewonnen haben, lehnen wir uns nicht zurück und schauen mal, was sich in den nächsten Jahren so ergibt. Der Pokalsieg macht eher Hunger auf mehr, als dass er uns satt gemacht hat.
Aufgrund der WM im Winter steht eine eng getaktete Bundesligasaison an. Ist der FC Bayern verwundbarer als sonst?
Das weiß ich nicht. Die Begebenheiten sind für alle Teams gleich. Auch wir stellen sehr viele Nationalspieler, die ab Mitte November hoffentlich noch das eine oder andere WM-Spiel absolvieren werden. Das ist für uns alle ein besonderes Jahr, weil es vom Rhythmus komplett anders ist als in den vergangenen Jahren. Ich schaue mehr auf uns als auf andere. Denn es bringt uns nichts, wenn der eine oder andere Mitfavorit in der Bundesliga strauchelt – und wir unsere Hausaufgaben nicht machen.
In den vergangenen Jahren haben Trainer Julian Nagelsmann, Marcel Sabitzer und Dayot Upamecano Leipzig in Richtung München verlassen. Aktuell soll Bayern um Konrad Laimer buhlen. Resigniert man innerlich nicht ein bisschen, wenn er auch noch gehen sollte?
Es ist für uns mittel- bis langfristig wichtig, dass der Sprung zu einem Verein wie Bayern immer kleiner wird. Dann werden sich weniger Spieler für einen solchen Wechsel entscheiden. Ich sehe uns da auf einem guten Weg.
Aber mal ehrlich: Nervt es nicht, wenn Leistungsträger – wie Laimer einer ist – immer wieder zum größten Titelkonkurrenten wechseln?
Ich gehe – Stand jetzt – nicht davon aus, dass er wechselt. Davon abgesehen ist es nicht unsere Mentalität, Spielern hinterherzutrauern. Wir haben es immer geschafft, das aufzufangen – ob durch Neuzugänge oder Weiterentwicklung der Spieler, die schon da waren.
Wie wäre es, einen Spieler zurückzuholen – so wie Sabitzer, um den es bei Bayern ebenfalls Wechselgerüchte gibt?
Natürlich kennt er bei uns alles, aber es macht keinen Sinn, irgendwelche Gerüchte anzufachen. Er hat unserem Spiel grundsätzlich sehr gutgetan, aber ich bin nicht in der Rolle, über irgendwelche Transfers zu entscheiden.
Kommen wir zur Nationalmannschaft. Bundestrainer Flick hat während der Trainingslager im Juli mehrere Nationalspieler persönlich besucht. Hat er auch bei Ihnen vorbeigeschaut?
Sein Co-Trainer Danny Röhl war da. Sie arbeiten eng zusammen, sodass es keinen Unterschied macht, wer aus dem Trainerteam kommt. Ich finde ohnehin gut, dass die Kommunikation während der Phase, in der keine Länderspiele sind, nochmal erhöht wurde und man noch mehr im Austausch steht – und zwar was ganz verschiedene Themen angeht. Wir hatten beispielsweise virtuelle Videositzungen, in denen wir über das eine oder andere Taktische bei der Nationalmannschaft gesprochen haben.
Im Vieraugengespräch?
Auch, wir haben aber auch in Gruppen gesprochen. Es macht ja Sinn, wenn Spieler das zusammen machen, die ähnliche oder die gleichen Positionen bekleiden.
Haben Sie das gemeinsam mit RB-Kollege Marcel Halstenberg gemacht oder wie kann man sich das vorstellen?
Das variiert. Zuletzt war es mit Jonathan Tah von Bayer Leverkusen. Das ist immer etwas individuell und hängt auch davon ab, wer wann Zeit hat. Je mehr Spieler dabei sind, desto schwieriger ist es, das Ganze zu timen.
Wie oft sind denn diese virtuellen Taktikeinheiten?
Ungefähr alle ein bis zwei Monate. Gerade wenn man sich länger nicht sieht, ist es für den Kopf wichtig, die relevanten Themen aufzufrischen. Das kann später die eine oder andere taktische Einheit ersparen, weil man sich schon mental damit beschäftigt hat und eher auf Stand ist.
Bei der EM im vergangenen Jahr haben Sie aufgrund einer Verletzung kein Spiel gemacht. Wie wichtig wäre es Ihnen, bei der WM im Winter aufzulaufen?
Es ist ein großer Traum von mir, bei einer Weltmeisterschaft spielen zu können. Dafür tue ich alles, schärfe die Sinne, um möglichst fit zu bleiben. Das ist eine außergewöhnliche Saison – aber am Ende des Tages spielen wir Fußball, um uns großen Herausforderungen zu stellen. Deshalb blicke ich dem Ganzen mit großer Vorfreude entgegen. Am Ende geht es darum, im Verein gute Leistungen zu bringen. Darauf liegt mein Fokus.
Sie gelten als Olympia-Enthusiast und haben 2016 in Rio mit dem DFB-Team Silber geholt. War wäre Ihnen wichtiger: Der WM-Titel in Katar oder irgendwann Olympisches Gold zu gewinnen?
(Überlegt ausgiebig) Fürs Fußballerherz wäre ein WM-Sieg schon noch einmal eine Etage drüber, aber für das reine Sportlerherz ist Olympia-Gold wirklich sehr nah dran.
- Gespräch mit Lukas Klostermann