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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Beim FC Bayern klafft eine Lücke Dieses Spiel war Beweis genug
Der FC Bayern ist aus der Champions League ausgeschieden. Gegen Manchester City fehlte den Münchnern ein Torjäger auf Weltklasseniveau.
Die halbe Allianz Arena erlebte am Mittwoch in der 51. Spielminute ein "Déjà-vu". Bayerns Kingsley Coman griff gegen Manchester City über die linke Seite an, zog kurz vor dem Strafraum nach innen und schloss mit seinem rechten Fuß ab. Doch er scheiterte an einem Verteidiger, die Chance verpuffte.
Fünf Minuten später folgte dann eine bessere Möglichkeit. Wieder war es Coman, der den Angriff inszenierte. Diesmal kam der Franzose über die rechte Seite, stürmte in den Strafraum, schoss den Ball scharf in die Mitte, erreichte aber keinen Mitspieler. "Es fehlt einer, der den Fuß hinhält. Aber der ist nicht da", kommentierte Jan Platte am DAZN-Mikrofon die Torchance.
Eric Maxim Choupo-Moting war da. Zumindest fast. Der Mittelstürmer stand nur einen halben Meter vom Ball entfernt, konnte aber nicht mehr reagieren. Was Platte mit seinem Kommentar aber meinte, war nicht Choupo-Motings Stellungsspiel, sondern das Fehlen eines Weltklasse-Mittelstürmers. Denn das ist der Kameruner trotz seiner guten Leistungen mit 17 Toren in 28 Pflichtspielen in dieser Saison nicht.
Die Statistik legt das Problem offen
Robert Lewandowski hingegen ist solch ein Stürmer auf Weltklasseniveau. Doch der hat München im vergangenen Jahr in Richtung Barcelona verlassen. Während die Bayern seinen Abgang in der Champions League bis inklusive Achtelfinale vergessen machen konnten, ist das in Hin- und Rückspiel gegen Manchester City eine Runde später nicht gelungen. Aus insgesamt 31 Torschüssen und 3,12 Expected Goals, also erwarteten Toren nach Qualität der Chancen, machte Bayern lediglich ein Tor. Und das war ein Elfmeter kurz vor Ende des Rückspiels, als der Ausgang des Viertelfinals bereits entschieden war.
Harmlose Distanzschüsse, weil eine Anspielstation im Zentrum fehlte. Flanken, die ins Nichts führten. Die Lücke im System war nicht zu übersehen. Ex-Nationalspieler Michael Ballack merkte das auch bei DAZN an: "Es fehlt definitiv ein Spieler der Qualität Lewandowski. Wenn du Weltklassespieler in deinen Reihen hast, dann machen die den Unterschied. Das wissen die Jungs da oben, Oliver Kahn und Brazzo (Hasan Salihamidzic, Anm. d. Red.), auch. Aber die kosten eben Geld."
In Bezug auf Eric Maxim Choupo-Moting sagte Ballack: "Man hat mit ihm einen super Ersatz gefunden, der seine Sache hervorragend gemacht hat in der Zeit, in der er spielt. Man muss bedenken: Er ist vorher oft nur von der Bank gekommen, die letzten Jahre war er in vielen Vereinen nur Ersatzspieler. Dreimal die Woche 90 Minuten zu spielen, das kennt er gar nicht."
Der Wunschspieler stürmte auf der Gegenseite
Die Kritik an der Kaderplanung der Chefetage des FC Bayern wurde in den vergangenen Wochen lauter – und wird auch nach dem Aus gegen Manchester nicht weniger. Denn Flügelstürmer Sadio Mané, der für über 30 Millionen Euro aus Liverpool geholt wurde, schaffte es nicht, in diese Rolle hineinzuwachsen.
Der Anlauf, Erling Haaland zu verpflichten, scheiterte. Der FC Bayern war laut dem "Kicker" bereit, insgesamt 250 Millionen Euro für den Norweger in die Hand zu nehmen. Ein teures Paket aus Gehalt, Ablöse und Bonuszahlungen sollten den Stürmer, der ein echter "Neuner" ist, nach München locken. Doch Haaland entschied sich für Manchester City und die Bayern standen ohne Weltklasse-Mittelstürmer da. Nun hatte Haaland mit seinen zwei Toren einen erheblichen Anteil am Aus der Bayern.
Vorstandschef Oliver Kahn blockte die Kritik an der Kaderplanung ab: "Wir haben im Vorfeld dieser Saison alles versucht, die Neun nachzubesetzen. Auch mit einer Neun, die wir heute gesehen haben – nur leider nicht bei uns." Gleichzeitig verteidigte er Choupo-Moting: "Er hat auch immer seine Tore gemacht, wenn er reingekommen ist. (…) Wir beschäftigen uns jeden Tag mit dieser Position. Nur ist diese Position nicht so einfach nachzubesetzen. Eine Nummer Neun wie Robert Lewandowski kann man nicht irgendwo finden. Das ist eine Preisfrage. Schauen Sie sich in Europa um: Wie viele Neuner gibt es auf dem Niveau eines Robert Lewandowski? Da gibt's nicht viele, und wenn, dann in einer Region, die extrem hoch ist."
Die Korrektur wird teuer
Trotzdem müssen sich Kahn und Salihamidzic fragen, ob sie das Geld für das Mané-Paket von über 20 Millionen Euro Jahresgehalt plus 30 Millionen Euro Ablöse nicht lieber in einen Mittelstürmer hätten investieren sollen. Denn auf den Außen war der Klub mit Kingsley Coman, Leroy Sané und Serge Gnabry bereits gut besetzt. Auch Jamal Musiala und Alphonso Davies könnten eine offensive Flügelposition einnehmen.
Im kommenden Sommer werden die Bayern-Bosse nicht darum herumkommen, das Versäumnis zu korrigieren und einen Mittelstürmer unter Vertrag zu nehmen. Doch das kann teuer werden. Denn für Wunschspieler wie Randal Kolo Muani (Eintracht Frankfurt) oder Victor Osimhen (SSC Neapel) werden Ablösesummen im dreistelligen Millionenbereich fällig. Günstigere Alternativen auf höchstem Niveau gibt es kaum.
Doch irgendwo zuschlagen müssen die Bayern in jedem Fall. Denn noch ein Jahr mit der aktuellen Sturmbesetzung können sie sich kaum leisten, wenn sie die Champions League gewinnen wollen. Dafür waren die Partien gegen Manchester City Beweis genug.
- Eigene Beobachtungen
- fotmob.com: "Champions League Final Stage Quarter-Finals"
- DAZN-Übertragung
- Mixed Zone des FC Bayern