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SC Paderborn: Manager Przondziono über Transfers, Bundesliga und FC Bayern


Interview
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Paderborn-Manager Przondziono
"Das Fußballspiel wird immer mehr an Wert verlieren"

InterviewEin Interview von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 23.08.2019Lesedauer: 8 Min.
Hat den Klassenerhalt fest im Blick: Martin Przondziono.Vergrößern des Bildes
Hat den Klassenerhalt fest im Blick: Martin Przondziono. (Quelle: pmk/imago-images-bilder)

Der SC Paderborn gilt als wahrscheinlichster Absteiger der Bundesliga. Die Gründe sind klar: Ihm fehlen große Namen im Kader und Geld. Hinter der Sparsamkeit steckt allerdings ein langfristiger Plan.

"Wie wird Ihr Name eigentlich ausgesprochen?" Diese Frage muss sich Martin Przondziono oft anhören. Doch er hat sich daran gewöhnt, schließlich ist es nicht der gewöhnlichste Name. Die Antwort lautet übrigens "Pschondschono". Doch allzu lange sollte es nicht mehr dauern, bis die meisten Fußballfans kein Problem mehr mit der Aussprache seines Namens haben sollten. Denn Martin Przondziono ist aus dem Hintergrund des Bundesliga-Geschäfts in die erste Reihe gerückt.

In den 1990er Jahren und zu Beginn der 2000er kickte er für Teams wie Werder Bremen, Preußen Münster oder VfL Osnabrück. Nach seiner aktiven Karriere arbeitete er einige Jahre als Scout für Hannover 96 und den 1. FC Nürnberg, ehe er im Sommer 2018 nach Paderborn ging. Zusammen mit Markus Krösche baute er eine Mannschaft auf, die nach dem Aufstieg in die zweite Liga sofort den Durchmarsch ins Fußball-Oberhaus schaffte. Inzwischen ist Krösche in Leipzig und Przondziono allein am Ruder. Und er hat mit dem SC Paderborn viel vor, auch wenn das Geld knapp ist.

t-online.de: Herr Przondziono, Sie sind jahrelang als Scout durch die Welt gereist, waren meist sechs Tage pro Woche unterwegs. Ist Ihr Leben entspannter geworden, seitdem Sie Geschäftsführer Sport sind?

Martin Przondziono: Die Arbeit ist nicht entspannter, aber sie ist weniger reiseintensiv. Ich bin nicht mehr so oft in Europa und der Welt unterwegs. Aber ich schaue mir auch so viele Partien an. Das sind ja auch Kontaktbörsen, in denen man mit Kollegen netzwerkt und sich austauscht.

Dass Sie Scout waren, erkennt man an den Transfers des SC Paderborn. Ihre Einkaufsliste ist für einen Bundesligisten sehr ungewöhnlich, selbst für einen Aufsteiger. Unter anderem haben Sie mit Jan-Luca Rumpf einen Spieler aus der Oberliga geholt und mit Streli Mamba einen Stürmer verpflichtet, der mit Energie Cottbus aus der dritten Liga abgestiegen ist.

Für uns ist es nicht ungewöhnlich. Wir haben letztes Jahr in vielen Sitzungen unsere Strategie festgelegt und an der halten wir fest. Aber von außen ist es natürlich komisch, wenn ein Bundesligist so verpflichtet. Es ist aber für uns wie maßgeschneidert. Wir als SC Paderborn werden immer am Anfang der Nahrungskette stehen und weiter Spieler mehr nach Potenzial als nach Leistung holen. Und dann ist es mir egal, ob die aus der ersten Liga oder aus der vierten Liga kommen.

Aber wie stoßen Sie dann auf diese Spieler?

Jan-Luca Rumpf kannte ich aus der U19 von Hannover 96, wo ich mal gearbeitet habe. Er passt perfekt in unser Innenverteidiger-Profil. Genauso wie Luca Kilian, den wir vom BVB II geholt haben, der sich hier schon in der Vorbereitung unglaublich entwickelt hat. Das sind junge, dynamische Spieler, die fußballerisch top ausgebildet und dazu auch noch sehr schnell sind. Genau diese Typen brauchen wir, weil wir keine 50 Millionen Euro haben, um neue Spieler zu kaufen.

Inwieweit setzen Sie auf Daten und wie intensiv ist die Arbeit der Scouts vor Ort?

Wir haben einen Chefscout und darüber hinaus zwei weitere Scouts. Letztere kümmern sich nur um das nationale Scouting. Das internationale Scouting machen entweder der Chefscout oder ich. Zusätzlich arbeiten wir natürlich noch mit Datenbanken, die uns bei der Suche mit einem exakten Spielerprofil sehr helfen. Meist bilden die Datenarbeit die Basis und dann wird vor Ort "nachgescoutet".

Sie haben durch den Bundesliga-Aufstieg und die Verkäufe von Bernard Tekpetey und Philipp Klement mehrere Millionen Euro eingenommen. Ausgegeben haben Sie aber kaum etwas. Wie passt das zusammen?

Wir stellen uns ja die Frage, ob wir das Geld, was wir einnehmen, überhaupt sofort wieder ausgeben müssen. Wir bauen lieber langfristige Strukturen auf. Wir haben deshalb lieber noch einen Video-Analysten und einen Koch fest angestellt. Aber wir haben erst einmal nicht ausgeschlossen, dass im Kader noch etwas passiert. Wir wollen dabei sehr aufmerksam die Augen offenhalten und schauen, ob etwas passt. Aus Aktionismus zu agieren und zu sagen "wir haben hier noch einen Euro über und den geben wir auf jeden Fall aus", bringt uns nicht weiter. Man muss ja auch bedenken, dass wir noch über eine Woche Zeit haben. Babacar Gueye haben wir letztes Jahr eine Stunde vor dem Ende der Transferperiode geholt.


Haben Sie aufgrund der geringen finanziellen Mittel Ihres Vereins einen höheren Druck, dass die Transfers keine Flops sein dürfen?

Definitiv, das ist so. Wir haben aber den Vorteil, dass wir eine ganz klare Spielidee haben und dementsprechend auch eine höhere Trefferquote haben. Wenn wir einen Spieler verpflichten, weiß ich, dass er das Potenzial hat, sich bei uns zu verbessern. Die Spieler sind sehr jung und bekommen bei uns genug Zeit. Wir sagen nicht: "Wenn ihr in der Vorbereitung nicht funktioniert, dann müsst ihr wieder gehen."

Ist es auch leichter, mit Energie Cottbus über einen Spieler zu verhandeln als mit Manchester City?

Klar, an sich schon. Aber es ist nicht so, dass wir nicht auch mit den großen Klubs verhandeln. Ich hätte auch gerne Taiwo Awoniyi vom FC Liverpool geholt, aber der ist zu Mainz 05 gegangen. Wir sprechen mit Vereinen jeder Größenordnung.

Sie haben vorhin gesagt, dass Sie keine 50 Millionen Euro zur Verfügung hätten. Wäre es für Sie Fluch oder Segen, solche Mittel zu haben?

Das ist eine Frage, die ich mir durchaus stelle. Ist das ein Vorteil oder lässt man sich davon treiben? Der Druck, den beispielsweise Bayern München hat, der ist nicht angenehm. Da sagt jeder: "Die müssen doch wenigstens noch einen teuren Transfer machen." Das ist ein Nachteil der Bayern. Weil sie etwas mehr Geld haben wird erwartet, dass sie auch viel ausgeben.

Anhand der finanziellen Unterschiede von Meister Bayern und Aufsteiger Paderborn sieht man auch, wie groß die Kluft in der Bundesliga inzwischen ist.

Die Kluft geht weiter auseinander. Das liegt nicht an den Aufsteigern, da ist es relativ konstant. Aber die Spitze wird eben finanziell immer stärker. Die Bundesliga ist inzwischen dreigeteilt. Ganz oben sind der FC Bayern und Borussia Dortmund und bald wahrscheinlich auch RB Leipzig, die wirtschaftlich und sportlich stark sind. Dann gibt es eine zweite Gruppe von sechs, sieben Vereinen, die um die internationalen Plätze kämpfen und ab Platz zehn kämpfen den Clubs gegen den Abstieg. Bald werden die TV-Verträge neu verhandelt und da wird die Kluft auch nicht kleiner. Wenn ich mich mit Kollegen von Bremen oder Augsburg unterhalte, dann geht es bei denen um die Frage, was sie investieren müssen, um mal international zu spielen. Darüber denken die vorne gar nicht mehr nach. Die Lücke wird da immer größer.

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Wie sieht denn die Bundesliga in fünf bis zehn Jahren aus?

Das Geld wird immer wichtiger werden und das Spiel an sich immer mehr an Wert verlieren. Ich hoffe, dass die Leute immer noch die Liebe für den Sport haben werden. Der Fußball bewegt aber die Massen so sehr, dass ich in dem Punkt zuversichtlich bin. Was ich mir wünschen würde ist, dass es aus Manager-Sicht etwas gerechter wird. Es wird ja aktuell nicht mehr nach Managerleistung abgerechnet. Es zählt nur der Ist-Zustand und der ist durch die finanzielle Schere schwer zu bewerten. Manche Manager steigen mit ihren Vereinen ab und stehen in der Öffentlichkeit blöd da. Dabei haben sie keine schlechtere Arbeit geleistet als andere, die sich für das internationale Geschäft qualifizieren.

Wie bekommt man die Bewertung der Manager denn gerechter?

Das ist etwas idealistisch gedacht, aber wenn alle das gleiche TV-Geld bekommen würden, dann würde mehr nach Managerleistung abgerechnet. Dann würden wir sehen, wer die beste Arbeit geleistet hat..

Gäbe es dann auch mehr Siege der vermeintlichen Underdogs gegen die Favoriten?

Ach, die sind auch heute noch möglich, darum geht es mir nicht. Für mich stellt sich nur die Frage, ob die großen Vereine national denken oder nur international. Überspitzt gesagt, ist ja ein Meistertitel inzwischen ein Grund, einen Trainer zu entlassen. Die Champions League zählt mehr als die nationalen Erfolge.

Um mit den anderen Bundesligisten besser mitzuhalten, hatte Paderborn ursprünglich eine Kooperation mit RB Leipzig geplant. Aufgrund des Drucks der Fans ist die aber geplatzt. Wäre eine Kooperation mit einem anderen Verein in der Zukunft denkbar?

Wir bekommen da immer wieder Anfragen, auch aus dem Ausland. Für mich ist das aber eher nichts. Ich habe gerne die Zügel selbst in der Hand. Man muss sich ja auch Gedanken machen, wie man so eine Kooperation mit Leben füllt. Werder Bremen hatte mal eine Kooperation mit Juventus Turin. Ich weiß nicht, ob da jemals ein Spieler gewechselt ist. Wenn ich jedes Jahr drei Spieler von dem Verein ausleihe, dann sollen die auch spielen. Was, wenn die dann aber nicht zu uns und unserem System passen? Oder wenn ich eine Kooperation mit Manchester City habe, aber einen Spieler von Manchester United will, könnte ein Transfer schwierig sein. So eine Kooperation kann einengen.

Ob mit oder ohne Kooperation, Ihr Verein gilt als Abstiegskandidat Nummer eins. Warum steigt der SC Paderborn aber dieses Jahr nicht ab?

Ich glaube voll und ganz an unseren Fußball.. Wir haben ein gutes System, einen starken Kader und ein top Trainerteam. Dazu werden wir von den anderen Teams möglicherweise unterschätzt.

Sie haben zu Ihrem Amtsantritt gesagt, dass Sie Paderborn in die Top 30 Deutschlands bringen wollen. Nun zählen Sie schon sportlich zu den Top 18. Ist das nicht etwas defensiv formuliert?

Paderborn hat einen Etat, der so weit weg ist von den ersten 15 Klubs in Deutschland – und auch viele Vereine in der zweiten Liga sind vor uns. Ich glaube, dass auch einige andere Klubs gut daran tun würden, etwas zurückhaltender mit diversen Parolen zu sein. Klar, wir haben hier nicht das Medienumfeld und die Fanmassen, die solche euphorischen Gedanken schüren. Aber wir haben eine klare Vorstellung, wo unser Verein hinsoll. Da hilft uns Demut mehr. Wenn ich sage, dass ich vor Mainz landen will, mache ich mich unglaubwürdig.


Paderborn hat nicht nur einen kleinen Etat, sondern auch ein kleines Stadion. Mit 15.000 Plätzen das eindeutig kleinste in der Bundesliga. Wann wollen Sie das ausbauen?

Ein Verein sollte sportlich immer in Vorleistung gehen. Nicht erst bauen und dann hoffen, dass es auch sportlich gut läuft. Daran sind viele Klubs fast kaputtgegangen. Auf uns bezogen: Wir hatten letztes Jahr in der zweiten Liga einen guten Schnitt, waren aber nur dreimal ausverkauft. Diese Saison werden wir das Stadion wahrscheinlich immer voll haben. Mit Blick auf die Auflagen der DFL werden wir unseren Stadionausbau um etwa 3.000 Plätze im Laufe dieser Saison anstoßen.

Und wenn Sie die Klasse halten?

Da ist durch die TV-Gelder noch mehr möglich. Aber wir haben auch 7,6 Millionen Euro Schulden, die wir noch abtragen müssen.

Wie sehr hängt der Erfolg eigentlich an Trainer Steffen Baumgart?

Wir haben Ihm eine große Wertschätzung gegenüber. Ich arbeite sehr gerne mit ihm zusammen. Das ist aber auch nicht nur Steffen, sondern auch das Team um ihn herum. Ich will keine Person heroisieren, wenn es gut läuft, genauso wie ich niemanden niedermachen will, wenn es mal fünf Niederlagen am Stück gibt.

Steffen Baumgart hat durch die Leistungen in den letzten Jahren Begehrlichkeiten bei anderen Teams geweckt. Haben Sie damit gerechnet, dass er in Paderborn bleibt?

Ich bin bei solchen Situationen völlig emotionslos. Ich betrachte die Situation nüchtern genug, um zu wissen, dass so etwas ganz schnell gehen kann. Wenn es nach mir geht, kann Steffen Baumgart noch zehn Jahre bei uns bleiben. Aber wenn er weg will, aus welchen Gründen auch immer, dann kann es sein, dass in einem halben Jahr ein anderer Trainer auf der Bank sitzt. So ist das heutzutage. Davon bin ich auch nicht ausgeschlossen. Mir gefällt mein Job hier sehr. Aber auch mich kann es treffen, dass morgen alles vorbei ist und sich in drei Wochen keiner mehr für mich interessiert. Man darf sich als Einzelperson nicht so wichtig nehmen. Das ist meine Überzeugung, um in diesem Geschäft Fußball leichter zu leben.

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