Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet."Schumacher"-Doku So nah waren Sie Michael Schumacher noch nie
Die Dokumentation über den siebenmaligen Formel-1-Weltmeister startet heute bei Netflix. Sie ist ein Geschenk an "Schumi" selbst – und an seine Fans. Eine Rezension.
Einen Moment lang schweift Mick Schumachers Blick in die Ferne, dann schaut er nach unten, ist den Tränen nahe. Was es ihm bedeuten würde, noch einmal mit seinem Vater sprechen zu können? "Ich würde alles aufgeben, nur für das."
"Schumacher", die Dokumentation über seinen Vater und Formel 1-Legende Michael Schumacher, die heute bei Netflix startet, ist genau in diesen persönlichen Momenten am stärksten. Der 112 Minuten lange Film ist entstanden als laut Ankündigung "Geschenk der Familie Schumacher" an den siebenmaligen Weltmeister, der sich seit seinem schweren Skiunfall im Dezember 2013 in der Rehabilitation befindet.
Schumi-Fans werden Gänsehaut bekommen
Herausgekommen ist tatsächlich eine einfühlsame Charakterstudie des Menschen "Schumi". In ihr werden Sequenzen aus alten Schumacher-Interviews mit Bild- und Filmmaterial aus seiner Karriere zu einem einblickreichen Portrait verwoben, das nicht nur, aber doch besonders langjährige Fans anspricht. Schumi-Fans und Formel-1-Anhänger werden Gänsehaut bekommen und sich bei den vielen Ausschnitten aus der Karriere des Kerpeners mitten in die 90er zurückversetzt fühlen.
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Und das, obwohl die Doku dabei nichts grundlegend Neues oder Überraschendes bietet, sondern vielmehr das noch einmal aufarbeitet, was über die Jahre schon oft aufgearbeitet wurde: Schumachers vielversprechendes Debüt 1991, die frühe Rivalität mit dem großen Ayrton Senna, die ersten beiden Weltmeisterschaften 1994 und 1995, der Auffahrunfall mit Konkurrent David Coulthard 1998 in Belgien, nach dem er wütend in die McLaren-Box stürmte, um den Briten zur Rede zu stellen, der Unfall in Silverstone ein Jahr später, bei dem er sich den rechten Unterschenkel brach. Dann die fünf WM-Titel in Folge für Ferrari.
So ziemlich jeder Weggefährte kommt zu Wort, von den Weltmeistern Damon Hill und Mika Häkkinen über seinen langjährigen Manager Willi Weber bis hin zu seinem damaligen Ferrari-Teamchef Jean Todt, dem früheren "Scuderia"-Technikdirektor Ross Brawn und Formel-1-Ikone Bernie Ecclestone. Sie alle zeichnen gemeinsam das Bild des Rennfahrers Schumacher: Schumacher, der Getriebene, Schumacher, der Perfektionist, Schumacher, der Begnadete, Schumacher, der Besessene.
Crash von Senna wird gezeigt
Mindestens ärgerlich, wenn nicht sogar unanständig ist dabei einzig, dass der Zuschauer noch einmal dem furchtbaren Crash von Ayrton Senna in Imola 1994 in seiner ganzen tödlichen Wucht ausgesetzt wird, Helikopteraufnahmen vom halbtoten Senna auf der Trage beim Abtransport ins Krankenhaus inklusive. Ebenfalls ärgerlich: Der unnötig dramatische Soundtrack, dessen bleierne Schwere sich oftmals unpassend über Bilder der Doku legt, die auch ohne sie eine starke Wirkung entfaltet hätten.
Dabei hätte die ohnehin packende Geschichte des heute 52-Jährigen zusätzliches Pathos gar nicht nötig gehabt. Denn "Schumacher" ist am bewegendsten, wenn es um Michael Schumacher, den Familienmenschen geht, den Ehemann, Vater, Sohn. Wenn Corinna von einem Urlaub in Norwegen 1997 erzählt und stolz sagt: "Da hat er es echt genossen. Sechs Wochen waren wir da", sagt sie, während Privataufnahmen aus dem norwegischen Schnee gezeigt werden: Schumacher beim Grillen mitten in der Kälte, Schumacher, wie er sich ausgelassen von einem Schneemobil ziehen lässt und sich in den Schnee fallen lässt. "Und es wurde mal nicht so viel über Formel 1 oder irgendwelche Sachen, die mit Arbeit zu hatten für ihn, gesprochen, sondern es war einfach nur Spaß."
Wenn sie erzählt, dass er nicht gut singen konnte, "aber was er gesungen hat, war 'My Way', weil er da den Text konnte." Dazu Party-Aufnahmen: Schumacher und sein damaliger Konkurrent Coulthard werfen Jean Todt in einen Pool. Wenn Tochter Gina-Maria mit leuchtenden Augen erklärt: "Er ist mein Papa, ich bin so stolz auf ihn."
'Schumi' wusste Namen von allen Angestellten
Wenn Brawn aus der gemeinsamen Zeit bei Ferrari erzählt, dass Schumacher alle Angestellten des Teams beim Namen kannte, zum Teil sogar die der Ehefrauen. "Wenn du das schaffst, alle für dich zu begeistern, dann machen alle alles gerne für dich. Das war eine große Familie."
So setzt sich das Bild des Menschen Michael Schumacher auch für Nicht-Fans immer weiter zusammen, bis es in den letzten elf Minuten der Dokumentation um das Unglück 2013 und seine Folgen für die Familie geht. "Ich habe nie dem lieben Gott einen Vorwurf gemacht, warum das passiert ist", sagt Corinna, in ihrer Stärke vielleicht die zweite Hauptfigur des Films. "Es war einfach Pech. Mehr Pech kann man im Leben nicht haben." Hier kommt man der Familie am nächsten.
Genau in diesen Momenten ist "Schumacher" am stärksten.