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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nach Rekordsaison und absoluter Dominanz Wer bremst den "Allmächtigen" aus?
Der Niederländer Max Verstappen gewinnt auch das letzte Rennen der Saison 2023. Geht es genauso weiter – oder schließt die Konkurrenz endlich auf? Es gibt wohl eine Tendenz.
Max Verstappen saß auf der hell erleuchteten Motorsport-Rennstrecke Yas Marina Circuit von Abu Dhabi noch in seinem Auto, gerade war er über die Ziellinie gefahren, da brach es aus dem sonst so coolen Niederländer heraus: Mit hörbar angefasster Stimme feierte er seinen Sieg im letzten Rennen der Saison über den Teamfunk. "Ein weiteres unglaubliches Rennen, Leute", dankte er dem kompletten Red-Bull-Team, "großartig" – und wirkte dabei tatsächlich emotional. "Wir sind sehr stolz auf dich", funkte Teamchef Christian Horner an seinen Starpiloten zurück: "Du warst allmächtig."
Dann fand Verstappen sogar noch Zeit für einen besonderen Gruß: "Ohne Franz Tost wäre das nicht möglich gewesen", so seine Abschiedsbotschaft an den scheidenden Teamchef des Rennstalls Teams Alpha Tauri – der Österreicher war maßgeblich mitverantwortlich für den Aufbau der Jugendakademie von Red Bull, die auch Verstappen selbst durchlief.
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Zeigte der 26-Jährige nach dem Rennen menschliche Größe, so war die gesamte Saison 2023 eine Demonstration seiner sportlichen Größe – eine Saison für die Geschichtsbücher: 19 von 22 Rennen des Jahres 2023 konnte der Niederländer für sich entscheiden. Er dominierte die Formel 1 in nie zuvor dagewesener Art und Weise und baute seinen eigenen Rekord von 15 Saisonsiegen aus dem Vorjahr noch weiter aus. Er gewann in einer Serie sogar zehn Grand Prix in Folge, vom Großen Preis von Miami über Monaco, Spanien, Kanada, Österreich, Großbritannien, Ungarn, Belgien, die Niederlande und Italien – von Anfang Mai bis Anfang September stand stets Verstappen ganz oben auf dem Treppchen. Noch ein Rekord. Und: Bereits fünf Rennen vor Saisonende machte Verstappen seinen dritten WM-Titel in Folge perfekt.
"Das Auto hat mir so viel gegeben"
Bemerkenswerte Randnotiz: Verstappen allein hätte Konstrukteurs-Vizeweltmeister Mercedes in der Teamwertung geschlagen. Er holte in diesem Jahr unglaubliche 575 Punkte, Mercedes kam mit den Fahrern Lewis Hamilton und George Russell auf 409. "Diese Saison hat alles getoppt, was wir bisher erreicht haben", sagte Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko, zumal Verstappens Teamkollege Sergio Pérez im zweiten Red Bull schon vor einer Woche in Las Vegas auch noch den zweiten WM-Platz perfekt gemacht hatte.
"Genieß diese Momente im RB19", antwortete Red-Bull-Teamchef Christian Horner über den Teamfunk – und spielte damit auch auf die Leistung des Boliden des österreichischen Rennstalls in dieser Saison an. "Das Auto hat mir so viel gegeben", bestätigte Verstappen danach.
Und sprach bei aller diesjährigen Dominanz schon eine Kampfansage für 2024 aus: "Wir arbeiten hart fürs nächste Jahr. Wir sind bereit für den Kampf." In drei Monaten geht es schon los mit der neuen Formel-1-Saison – es wird ein Rekordjahr mit dann sogar 24 Rennen.
Wird es zur nächsten Alleinunterhaltung von Max Verstappen – oder bekommt der Dominator endlich wieder echte Konkurrenz um den Titel?
"Geht nicht nur um die Aerodynamik"
Alles andere als eine erneute Topfavoritenrolle des Titelverteidigers wäre unwahrscheinlich. Der Titel 2024 führt erneut nur über ihn und Red Bull – auch wenn in der abgelaufenen Saison einige Teams vielversprechende Ansätze zeigten: McLaren verdiente sich mit seinen jungen Fahrern Lando Norris (24) und Oscar Piastri (22) ein ums andere Mal gute Noten. Es gelang ihnen, Red Bull zu ärgern – das Potenzial für mehr scheint vorhanden zu sein. Der Traditionsrennstall aus dem englischen Woking will den Abstand weiter verringern. "Wir haben uns einige Ziele gesetzt, aber ich kann nicht sagen, in welchem Bereich und wie", erklärte Teamchef Andrea Stella vor wenigen Wochen. "Was ich aber sagen kann, ist, dass es nicht nur um die Aerodynamik geht."
Ferrari zeigte zum Ende des Jahres eine ansteigende Form, die beiden zweifellos talentierten Fahrer Charles Leclerc und Carlos Sainz leisten sich aber noch immer zu häufig Fehler. Mercedes um Hamilton und George Russell erlebte eine Saison mit Lichtblicken und Rückschlägen – schon zum zweiten Mal in Folge.
Spannend wird, ob die Silberpfeile 2024 wieder konkurrenzfähiger werden. "Wir leiden, weil wir technische Fehler gemacht haben – sowohl im vergangenen als auch in diesem Jahr", erklärte Hamilton zuletzt. "Als Team haben wir die Verantwortung für diese Fehler übernommen und versucht, die Lage zu ändern, doch dies ist wegen des geltenden Kostendeckels schwierig." Und: "Wenn man vom technischen Standpunkt drei Monate Verspätung gegenüber den Rivalen angesammelt hat, kann man nicht wie in der Vergangenheit aufholen."
Die Überlegenheit von Red Bull sei "besorgniserregend", sagte Hamilton nach dem Großen Preis von Abu Dhabi zu Sky. "Vor allem, wenn man bedenkt, dass sie das letzte Saisonrennen mit 17 Sekunden Vorsprung gewinnen und dabei ihr Auto seit August nicht mehr verändert haben."
"So viele Dinge in der Pipeline"
Die Befürchtung dabei: Durch die konkurrenzlose Performance könnte sich Red Bull bereits viel früher auf die Entwicklung des Autos für die kommende Saison fokussieren, während die anderen Teams noch damit beschäftigt sind, zum aktuellen Auto aufzuschließen.
Doch Hamilton glaubt, dass auch den Silberpfeilen die Wende gelingen kann. "Ich bin seit 13 Jahren bei Mercedes. Wir haben große Erfolge errungen. Ich arbeite weiter mit denselben Leuten mit riesigem Talent, denen ich voll vertraue", sagte er: "Ich glaube nicht, dass sie plötzlich all ihre Fähigkeiten verloren haben." Mercedes-Teamchef Toto Wolff kündigte bereits an: "Wir haben noch so viele Dinge in der Pipeline, so viele neue Dinge – wir sind richtig motiviert, und ich freue mich darauf, zu sehen, was daraus entsteht."
Möglich bis wahrscheinlich auch, dass sich die Teams am RB19 orientieren und versuchen werden, sich an der perfekten Abstimmung des Autos zu orientieren – ob bei der perfekten Aerodynamik oder beim minimierten Reifenverschleiß.
Die Zeit drängt – ansonsten droht die nächste Galasaison von Verstappen. Mit seiner dann vierten gewonnen WM in Folge würde Verstappen mit Juan Manuel Fangio (1954-57), Sebastian Vettel (2010-13) und Hamilton (2017-20) gleichziehen und hätte dann nur noch Michael Schumacher vor sich, der von 2000 bis 2004 sogar fünf Mal hintereinander Formel-1-Weltmeister wurde.
Wenn der "Allmächtige" nicht ausgebremst wird.
- Eigene Recherche
- telegraph.co.uk: F1 2024 season: Full race calendar, schedule, driver line-up and predictions
- motorsport-total-com: McLaren: Änderungen am Auto für 2024 müssen über Aero hinausgehen
- espn.com: Lewis Hamilton admits concern with Red Bull dominance