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Mike Tyson: "Ich musste mich ändern, um zu überleben"


Interview
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Mike Tyson exklusiv
"Ich musste mich ändern, um zu überleben"

InterviewEin Interview von David Digili und Florian Wichert

Aktualisiert am 18.04.2018Lesedauer: 7 Min.
Mike Tyson bei einem Auftritt in Peking/China. Am Freitag tritt er erstmals in Deutschland auf, wo er bisher nur aufgrund einer Rückenverletzung war.Vergrößern des Bildes
Mike Tyson bei einem Auftritt in Peking/China. Am Freitag tritt er erstmals in Deutschland auf, wo er bisher nur aufgrund einer Rückenverletzung war. (Quelle: Imaginechina)
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Einer der besten Boxer aller Zeiten geht auf Deutschland-Tour: Mike Tyson spricht im Interview über sein Bühnenprogramm, Todeskämpfe – und den Zustand des deutschen Boxens.

Er war „der böseste Mann auf dem Planeten“. Mike Tyson hat eine einmalige Boxkarriere hinter sich – mit allen Höhen und Tiefen. Und er hat auch neben dem Ring heftige Kämpfe hinter sich: Gegen Drogen, Alkohol, Depressionen. 1991 wurde er der Vergewaltigung schuldig gesprochen und saß drei Jahre im Knast.

Nun geht der 51-Jährige auf Tour und packt in seinem Bühnenprogramm aus – über seine Siege, seine Niederlagen und sein Leben.

t-online.de traf „Iron Mike“ exklusiv vor dem Tour-Auftakt heute in Wien. Direkt am nächsten Tag soll es in München weitergehen, die ersten von insgesamt zehn Auftritten der "Champion Tour".

Noch vor Beginn des Termins macht es der jüngste Schwergewichts-Champ der Boxgeschichte spannend: Die Ankunft verzögert sich um mehrere Stunden. Erst soll das Interview zwischen 16 und 20 Uhr stattfinden, dann gegen 21:30 Uhr – eine ungewöhnliche Zeit. Dann soll es plötzlich doch wieder ganz schnell gehen: Tysons Tour-Manager Radim Tauchen ruft an: „Wir brauchen Sie im Hotel. Jetzt sofort.“ Kurz nach der hastigen Ankunft trifft auch die Box-Legende ein, um 20:09 Uhr – in einem riesigen Tour-Bus. Am Hintereingang des Hotels steigen Tyson und sein Begleittross aus.

Beim ersten Händedruck wirkt er gut gelaunt, entspannt – trotz 15 Stunden Flug aus Las Vegas. „Es ist mir eine Freude“, begrüßt Tyson uns herzlich. Im Konferenzsaal des Hilton Danube Waterfront Hotels direkt an der Donau setzt er sich zum Interview. Rings herum auf den Tischen liegen Boxhandschuhe und Poster, die er noch für zahlende Tour-Gäste unterzeichnen wird. Tyson gilt als Wundertüte, mal schlecht und mal gut gelaunt. Politische Fragen dürfen ebenso wenig gestellt werden wie Fragen zu seinen Gefängnis-Aufenthalten.

t-online.de: Herr Tyson, wie geht es Ihnen heute?

Mike Tyson (51): Sehr gut. Ja, wirklich. Ich bin glücklich.

Wenn Sie sich aktuell mit einem einzigen Wort beschreiben würden – welches wäre das?

Puh…(überlegt) Erfahren.

Das müssen Sie erklären!

Erfahren im Leben. Ich habe Dinge getan, die ich besser nicht getan hätte. Und ich hätte Dinge tun sollen, die ich nicht getan habe. Ich bin jetzt erfahrener. Ich lebe ein anderes Leben. Meine Denkprozesse verlaufen besser, vorteilhafter für mich.

Woher kommt das?

Von Fehlern, die ich im Leben gemacht habe.

Sie haben viele schlimme Fehler gemacht.

Manchmal musst du Fehler machen, um aus ihnen zu lernen. Denn dann weißt du, wie es richtig geht. Ich bin ein anderer Mensch geworden.

Wie?

Ich musste mich ändern, um zu überleben. Ich konnte in der Boxwelt nicht mehr länger bestehen. Ich existierte gar nicht mehr. Ich wollte wieder in die „wirkliche Welt“ und einfach nur „Mike“ sein. Ich wollte neue Dinge ausprobieren, habe mich im Schauspiel versucht (darunter ein Auftritt im Kino-Hit „Hangover“, Anm. d. Red.). Dazu habe ich meine Shows – ich versuche, mich zu beschäftigen.

In einem Interview mit dem US-Magazin „Sports Illustrated“ haben Sie vor einer Weile gesagt, Sie würden sich heute nicht mehr selbst erkennen, wenn Sie Aufnahmen aus Ihrer aktiven Zeit sehen.

Oh ja! Das ist eine ganz andere Person. Dieser Mensch wollte nur kämpfen und Leute verprügeln. Er wollte den Menschen zeigen: „Hey, ich bin der Größte (lacht)“.

Ist es für Sie ein merkwürdiges Gefühl, Bilder aus Ihrer aktiven Zeit zu sehen?

Ja, vollkommen surreal. Ich weiß, dass ich das früher gemacht habe, aber ich versuche oft, das zu vergessen.

Warum?

Weil ich mich auf andere Dinge konzentrieren möchte. Auf heute.

Über die Jahre haben Sie teilweise sehr offen auch über andere Aspekte Ihrer Karriere gesprochen: Zum Beispiel Ihre Suchtprobleme. Wie schwer war es, sich so der Welt zu öffnen?

Überhaupt nicht! Ich schäme mich dafür nicht, es ist mir nicht peinlich. Und gerade das ist wahrscheinlich der Grund, dass ich darüber so frei sprechen kann.

Wie meinen Sie das?

Diese Probleme haben mich persönlich betroffen. Ich war krank und konnte nichts dagegen tun. Aber ich wusste, dass ich krank war, dass es nicht normal war. Also war mir auch klar: Es musste irgendwann aufhören.

Wer hat Ihnen dabei geholfen?

Hillary Clinton hat mal erklärt: „Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind aufzuziehen.“ Ich würde es mal so sagen: Es hat ein ganzes Dorf gebraucht, um mich von den Drogen und dem ganzen Alkohol weg zu bekommen. Ich bin so glücklich, dass es ich es geschafft habe. Diese ganzen Dinge liegen in meiner Vergangenheit, aber ich muss sie immer im Hinterkopf behalten. Ich muss immer daran denken, dass es wieder passieren könnte, wenn ich es nicht ernst nehme.

Klingt nach einer ganz neuen Perspektive…

Ja, und dafür bin ich sehr dankbar.

Sind Sie nervös, bevor Sie auf die Bühne gehen, um davon zu erzählen?

Na klar! Ich bin jedes Mal wieder nervös.

Sind Sie das erste Mal in Deutschland?

Ich war schon mal da, in Düsseldorf, wegen einer Rücken-Untersuchung.

Mike Tyson
Geboren am 30. Juni 1966 in Brooklyn, wurde Tyson mit 20 Jahren und 144 Tagen 1986 der jüngste Schwergewichts-Weltmeister der Box-Geschichte –und später der erste, der von den drei Boxverbänden WBC, WBA und IBF als Titelträger anerkannt wurde. Er feierte insgesamt 50 Siege in 58 Kämpfen, davon 44 durch K.o.
1997 verlor er zunächst auf unbestimmte Zeit seine Boxlizenz, nachdem er seinem Gegner Holyfield in der dritten Runde ein Stück des rechten Ohres abgebissen hatte und disqualifiziert wurde. Auch außerhalb des Ringes sorgte er für Schlagzeilen. 1991 wurde er der Vergewaltigung schuldig gesprochen und zu sechs Jahren Haft verurteilt. Drei davon wurden zur Bewährung ausgesetzt.

Also eigentlich keine schöne Erinnerung…

Doch doch! Es ist eine sehr gute Erinnerung. Ich war während dieser „White Nights“ (Ein Straßenfest, bei dem alles in weiß geschmückt ist, Anm.d.Red.) dort. Durch die Farbe wirkte es auch am Abend noch, als wäre es Tag. Meine Frau hat es geliebt.

Was erwarten Sie von Ihren Auftritten?

Ehrlich gesagt: Ich weiß gar nicht, was ich erwarten soll (lacht). Ich war doch nie länger in Deutschland, ich kenne die Menschen nicht. Aber es wird eine neue und aufregende Erfahrung und ich freue mich richtig darauf.

Was verbinden Sie denn mit Deutschland?

Wenn ich an Deutschland denke, dann als erstes an Max Schmeling (deutscher Schwergewichts-Weltmeister zwischen 1930 und 32, Anm.d.Red.). Dann denke ich auch an den Zweiten Weltkrieg und alles, was da drüben passiert ist. In den USA zeigen sie auf einem Kanal ständig Filme über den Zweiten Weltkrieg. So habe ich eine Menge über die Geschichte des Landes gelernt.

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Kennen Sie denn auch einen aktuellen deutschen Boxer?

Hm … vielleicht die Klitschkos?

Leider sind sie unter ukrainischer Flagge angetreten und haben ihre Karrieren mittlerweile beendet.

Ja … aber andere kenne ich leider nicht. Das deutsche Boxen steckt offenbar in einer tiefen Krise. Aber wissen Sie, was?

Bitte?

Das deutsche Boxen wird wieder zurückkommen. Es wird immer wieder starke deutsche Boxer geben. Das belegt die Geschichte. Ich meine, erinnern Sie sich noch an Axel Schulz?

Selbstverständlich. Sein Kampf gegen George Foreman 1995 ist deutsche Boxgeschichte. Schulz verlor gegen Titelverteidiger Foreman aufgrund einer umstrittenen Entscheidung.

Er ist ein klasse Typ. Den Fight damals hat er doch eigentlich gewonnen, oder? Aber genau so werden Legenden geboren.

Stand eventuell auch mal ein Kampf zwischen Ihnen und Axel Schulz an?

Daran kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht. Ich denke schon. Aber ich war ja schon älter, als er gerade seine große Zeit hatte.

Wie schätzen Sie denn Ihre Nachfolger im Schwergewicht ein? Anthony Joshua zum Beispiel, der neue Topstar…

Sein Kampf gegen Wladimir Klitschko war großartig.

Sie haben ihn ja auch kritisiert…

Aus gutem Grund: Er kämpft nicht mehr wie im Fight gegen Klitschko. Sein erster Gegner danach war so ein kleinerer.

Der Franzose Carlos Takam.

Der hat ihm ordentlich Probleme bereitet. Der Kampf wurde beendet, obwohl er ihn nicht zu Boden schlug.

Ein umstrittener Technischer K.o. in der zehnten Runde...

Und dann kam Joseph Parker, das war kein schöner Kampf. Joshua siegte zum ersten Mal in seiner Profi-Karriere nicht durch K.o.

Sind die Erwartungen an ihn zu hoch, seitdem er Klitschko besiegt hat?

Joshua sorgt für volle Hallen, alle wollen ihn sehen. Deshalb wird auch jeder Gegner versuchen, es ihm besonders schwer zu machen. Sie werden vor ihm weglaufen, sie werden klammern, und er muss sich darauf einstellen. Er ist unglücklich, weil er seine Gegner nicht mehr so locker ausknocken kann wie früher.

Kein sehr schmeichelhaftes Urteil…

Ach, er wird sich anpassen. Er ist ein guter Boxer. Er muss nur noch etwas drauflegen.

Wo ordnen Sie die beiden Klitschkos in der Box-Historie ein?

Sie hatten großartige Karrieren! Wissen Sie, warum? Weil sie aus ihren Niederlagen gelernt haben. Beide haben ein paar Mal verloren, aber sie haben nicht aufgegeben. Sie kamen zurück und haben lange das Schwergewichtsboxen regiert. Für mich sind beide in den Top-5 aller Zeiten!

Den beiden wurde oft angelastet, zu ihren Hochzeiten keine große Konkurrenz gehabt zu haben.

Aber sie haben jeden geschlagen, der da war. Was sollten sie denn noch tun? Ich habe großen Respekt vor den beiden.

Wie sehen Sie die Entwicklung im Boxen allgemein über die letzten Jahre?

Boxen und Kontaktsport allgemein haben den gleichen Weg eingeschlagen: Bei einer Unterbrechung wollen die Fans sofort Party. Der Unterhaltungsfaktor ist so wichtig geworden. Wenn du früher eine Boxveranstaltung besucht hast, musstest du darauf warten, dass die Boxer zum Ring kommen – ohne alles. Keine Musik, kein gar nichts!

Was gefällt Ihnen denn besser?

Oh, ganz klar der Showaspekt des heutigen Boxens. Man muss die Leute schließlich packen.

Wären Sie gerne zur heutigen Zeit Boxer?

Naja, sie werden heute ja auf jeden Fall besser bezahlt (lacht).

Sie haben sich mal als „pessimistischen Pazifisten“ bezeichnet…

Ach, ich war schon immer ein Clown (lacht).

Möchten Sie es zurücknehmen?

Auf keinen Fall! Ich bin nur ein harmloser Typ, der keinen Glauben mehr an diese Welt hat (lacht).

Wirklich?

Nein (lacht). Das war nur ein Scherz. Ich soll mich selbst beschreiben?

Wenn Sie mögen.

Hm. Ich möchte mich einfach mit der Zeit entwickeln, besser werden. Und über allem steht: Der beste Vater werden, der ich sein kann.

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